Bei allen Schattenseiten der Liga, die man an- und aussprechen muss, liefert das Format in Wien mittlerweile den Stoff, den viele Fans vermisst haben und diese vielen Fans, hat der Football über die Jahre vermisst. Nun scheint es wieder einen Konsens des Zusammenkommens zu geben.

Neben der treffenden Analyse von Sebastian Mühlenhof, über das harte Brot und die wässrige Butter in manchen Bereichen der ELF, ächzen etliche Vereine in Österreichs höchster Liga über stagnierende Zuschauerzahlen und Abgänge von Schlüsselspielern. Der Starting Quarterback der Vikings gegen Wroclaw? Alexander Reischl, ein Salzburg Duck. Ebenso kommt der junge Mann (Noah Touré) mit diesem TD gegen Berlin aus dem Programm der Mozartstädter.

Ein dritter Salzburger, Ex-Team Captain David Kanyinda, schrieb zuletzt für die Raiders an. Was sagen die Ducks dazu? Obfrau Christine Gappmayer strotzt vor Stolz, weil das „ihre Jungs“ sind, der Trainerstab versucht die Lücken zu füllen. Es hat alles zwei Seiten.

Aber auch Graz (Schütz, Bierbaumer, Komeyli-Birjandi, Sudi) wurde zur Ader gelassen, ebenso Mödling. Man vergisst gerne, das Thomas Schaffer und die Wegans einst Rangers waren, aber das sind alte Geschichten. Neu ist, dass Mato Beglarian und Simon Kalkhofer während der AFL Saison zum ELF Team der Raiders stießen. Die Tiroler versuchten zudem weitere Salzburger während der laufenden AFL Saison nach Innsbruck zu locken. Nicht die feinste aller Klingen, aber eine legale „Waffe“ in dem Karussell.

Europameister aus der ELF

Man kann es einfach runter brechen: Das Österreichische Nationalteam, samt erweiterten Kader, spielt überwiegend nicht in der Bundesliga AFL, sondern europäisch in der ELF. Einzelne auch bei nicht österreichischen Franchises. Da ist durchaus eine Parallele zum ÖFB Team zu erkennen, in dem ebenfalls Bundesligaspieler eine Minderheit darstellen. Außer es ist die deutsche Bundesliga. Die ELF Spieler sind also auch die Europameister des AFBÖ.

Die Nord gehört den Wikingern. Die Süd auch.

Die Motive der jungen Athleten sind unterschiedlicher Natur: Geld bekommen statt zu investieren ist nur eines. Vor 10.000 Zuschauern anstatt vor 500 zu spielen ein anderes. Eventuell den Sprung nach Übersee, auch nach Kanada, zu schaffen ein weiteres. Es sind in dem Sinne eigentlich natürliche Abgänge. Die Liga ist einfach attraktiver. Diese Wechsel gibt es auch darunter vom Unterhaus in die AFL. Zudem sich der hiesige Verband AFBÖ, anders als der deutsche AFVD, auch bisher nicht auf einen Konsens was Wechselfristen betrifft mit der ELF einigen konnte. Da sitzt der Stachel tief und nichts braucht in Österreich eine längere Behandlung, als ein verletztes Ego. Man war ja schon mal dort. Damals. Jetzt kommen die (Deutschen) daher!

Soweit der Ausflug in Sachen Hausaufgaben. Der Status Quo definiert sich aber auch durch andere, eigentlich für alle erfreulichere Entwicklungen.

Zu den Spielen der Vienna Vikings, und hoffentlich in Folge auch zu den Raiders Tirol, kommen wieder Fans, die über Jahre nicht bei Spielen zugegen waren. Der harte Kern war immer da, die breite Mitte bröckelte nach 2014 jedoch langsam weg.

Die Misere war keine rein hausgemachte. Der Streit im Weltverband hat die CEFL (die immer noch lebt und hoffentlich 100 wird!) als einzigen ernstzunehmenden, europäischen Klubbewerb übrig gelassen. In dieses Vakuum stieß die ELF hinein. Übrigens ohne sichtbaren Konsequenzen für die CEFL, die so groß ist wie noch nie. Es funktioniert (fast) alles wieder in einem gewissen Rahmen. Ad fast: Es unterliefen auch eigene, strategische Fehler. Der dogmatisch wirkende Drang die heimische Liga künstlich zu vergrößern, brachte zunächst den gewünschten Aha-Effekt, doch kaum war das letzte „a“ jauchzend ausgerufen, war der Effekt auch schon wieder futsch. Das sportliche Gefälle in der Liga ist riesig, dieses mit einer, mitten in einer Spielwoche (!) eingeführten, Clock Rule zu begradigen, wirkt so umständlich und hausbacken wie auch etliche andere Einfälle. Man hört von einer „Professionalisierung der Liga“ gerade von jenen Haustechnikern, die den Stromausfall mit verursacht haben. Hier wäre ein klarer Schnitt vonnöten, heisst: Die AFL muss selbstbestimmt und unabhängig werden, wie es die Bundesliga auch vom ÖFB ist. Eine kurzfristige Lösung gibt es nicht. Selbst wenn die ELF nicht mehr existieren würde, hilft das nichts und auch niemanden weiter.

Wer ist diese Mitte?

Als mich die Vikings 2023 gefragt haben, ob ich bei ihren Gamedays die Pre Game Aktivitäten moderieren will, war ich durch die Arbeit bei den Salzburg Ducks schon so weit geprägt, dass ich mir das gut vorstellen konnte. Die Gefahr vom einstigen TV-Kommentator, Puls 4 verlor ja nach 2022 die Rechte an der NFL, zum Eröffnungsredner von Einkaufszentren zu werden, die sah und sehe ich nicht, weil nichts ist klarer und realer als der direkte Kontakt zu Menschen, die das erleben wollen, was ich auch erleben will. Ich bin lediglich ein Fan, den man 2010 ein Headset aufgesetzt hat. Ein Glücksfall für uns (Michael Eschlböck und mich), weil da eines ins andere griff und sogar zu einer, für mich noch immer surrealen, Romy führte.

In der ersten Saison, Generali Arena und Hohen Warte, lief das okay, aber es war klar, dass das alles noch Luft nach oben hat. Es steckt sehr viel Arbeit, und da meine ich nicht mich, in diesen großen Gamedays und auch sehr viel an Geld und Gegengeschäften, da auch intensiv in Werbung investiert wird. Und das hat Wirkung gezeigt.

Ich treffe Menschen wieder, die ich Jahre nicht beim Football sah.

Ich rede mit NFL Fans, die zu den Spielen stoßen, weil sie im Sommer eine zusätzliche Attraktion geboten bekommen (die sie in der Form nicht erwartet hätten). Es sind sehr viele Familien, viele Kinder und Jugendliche bei den Spielen und es fühlt sich nicht nur so an wie eine Eurobowl anno dazumal, sondern noch besser. Zumindest bei den letzten beiden Events in der Generali Arena fühlte man das. Und das ist für mich die Mitte. Menschen die einen geilen Nachmittag verbringen und ein gutes Footballspiel sehen wollen. Das wird beides geliefert. Zum Spiel komme ich dann noch kurz.

Jetzt geht es für 4 Spiele nach Wiener Neustadt. Eine Challenge mit der der Sport in Wien und in Österreich generell konfrontiert ist. Die Basketballer der Oberwart Gunners haben eben ihre Champions League Teilnahme abgesagt, denn sie haben keine Halle dafür. Da kann man als Footballfan nur froh sein, dass es doch noch einige Fußballstadien hierzulande gibt. Es besteht die Hoffnung die weitaus kleinere Arena im Süden Niederösterreichs vier Mal voll zu bekommen und den Vibe und die Begeisterung dorthin zu übersiedeln. Bitte kommen sie und kaufen sie!

Der wichtigste Teil des Ganzen: Das Spiel.

Was die Vikings, mit massiven Problemen auf der Quarterback Position, zuletzt gespielt haben, war der Zucker, der das alles belebt. Holmes verletzt raus – Reischl rein – Reischl verletzt raus – Gross rein – Sieg über Wroclaw, weil der/die Gegner offensiv der Defense nur wenig Schaden zufügen können. Gegen Berlin kam der mittlerweile vierte Quarterback zum Einsatz – Neuzugang Shelton Eppler. So kurz beim Team ist das Playbook klein, die Probleme größer, dazu kamen drei Turnovers des Texaners. Und wieder passierte ähnliches, was man zuvor schon in Wroclaw sah. Die Defense (u.a. ohne Leon Balogh an dem Tag) jagte QB Jakeb Sullivan, hielt Berlin, das in den Spielen zuvor 39, 48 und 43 Punkte aufs Scoreboard brachte, auf gerade mal 20. Das reichte, denn spät im Spiel lief der Motor der Offense (u.a. ohne Florian Bierbaumer an dem Tag) an und Eppler lieferte. Touchdowns auf Reece Horn, auf Noah Touré und auf Jordan Bouah. Der Schlussakkord war erneut ein D in Dur, denn die Melancholie des Moll, die gehörte alleine den Berlinern.

Ich sags wie es ist: Genau das wollen wir doch sehen.

Es wird jetzt sicher einige geben, die sagen: Nein, du kannst nicht für alle sprechen, weil ich hab lieber 70 Punkte Differenz und dafür „ehrlichen“ Football. Man verzeihe mir meine Ignoranz, aber ich kann und will das alles nicht mehr hören. Wenn die Sache Football weiter wachsen soll: All In ELF. Es wird am Ende allen auf die Sprünge helfen. Man kann die Liga für die vielen offenen Baustellen kritisieren, die sie mit Bling Bling und einer One-Way-Kommunikationsstrategie zu kaschieren versucht (was ich falsch finde), aber in Summe ist es das beste, was dem Sport in Sachen Attraktionen in den letzten 20 Jahren passiert ist, nach der Erfindung der Kanone am Tivoli und dem Aufstieg von Ali auf (s)eine Harley. Ist so. Ich schau dem Treiben ja genau so lang zu.

Ver-Belichickt
Walter und Maskottchen
Tombola-Man mit Hauswolf.

Eine Sache, die vermutlich aber nur mich als Berichterstatter (der ich ja neben Tombola-Man und Captain Erklärbär auch noch wäre) stört: Die Vikings haben, im Gegensatz zu den Raiders, eine anderes Konzept ihrer Medienarbeit etabliert. Die Tiroler liefern schnell und zuverlässig beste und umfangreiche Unterlagen. Bei den Vikings gibt es Calls, in denen aber nur so viel aus dem Nähkästchen geplaudert wird, wie auch nötig. Es werden on top Neuzugänge präsentiert und das war es dann aber auch. Man fühlt sich ein bißchen Ver-Belichickt, nur freundlicher. Dazu gibt es keine Spielberichte und das hat auch einen Grund. Mittlerweile ist die Austria Presse Agentur (APA) aufgesprungen und beliefert alle großen Medien damit. Mich nicht, weil ich kann mir keinen APA Zugang leisten und so müsste ich mir das selber schreiben, heisst: Arbeiten nach dem arbeiten.

Abgesehen von meinem schlimmen Schicksal, es ist 4 Uhr morgens wie ich das hier schreibe, führte das zu einer interessanten Entwicklung, die man anhand der gelben Seite des ORF stellvertretend gut ablesen kann: Es gibt zu jeder ELF Runde eine Meldung. So auch eine zum aktuellen Spiel gegen Berlin. Es ist der sechste Artikel in der laufenden Saison (zwei gab es vor der Saison), also ingesamt acht in vier Wochen. Die AFL wurde vom ORF Sport Online über die Saison heuer fünf Mal erwähnt. Ein Mal im negativen Kontext, ein Mal wegen Stefan Illsanker, drei Mal gab es was über das Geschehen in der Liga u.a. heute.

Wer das als Phase sieht, die vorüber gehen wird, irrt völlig.

Heute 16:25 Uhr auf JOYN: Raiders Tirol gegen Munich Ravens mit Pasha Asiladab und mir. Ich hoffe, ich höre den Wecker. Ahja: Im TV und im Stream ist die ELF ja auch zu sehen. Diese Deutschen!

ELF Woche 4

Vienna Vikings (4-0) vs. Berlin Thunder (2-2) 25:20
(0:7/3:6/6:7/16:0)
SA 15. Juni 2024 18:00 Uhr · Generali Arena Wien

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