Während der AFBÖ auf das große Finale in St. Pölten hin fiebert und seiner Top-Liga gute Noten ins sommerliche Abschlusszeugnis einträgt, ist bei mir die Euphorie über die zurückliegenden 4 Monate Bundesligafootball eher verhalten. Die Saison war zugegeben ungewöhnlich ausgeglichen, was mich persönlich durchaus unterhalten hat, aber wo waren die restlichen Zuschauer und wo stehen wir eigentlich international mit dieser AFL da? Es gibt recht klare Belege und Zahlen dafür, dass die Liga Schritte getan hat. Leider einen vor und zwei zurück. Was nicht völlig überraschend kam, trotzdem festgehalten werden muss.

ELF, du AFL Vampir

Die AFL präsentierte sich heuer stark verändert. Nicht nur wegen der Aufstockung auf 10 Teams mit Znojmo, Traun, Salzburg und Telfs, letztere es sogar – als sportliches Saisonhighlight – ins Playoff geschafft haben, sondern auch wegen der zahlreichen Abgänge von Österreichs Top Spielern aus der AFL zu den ELF Franchises nach Innsbruck und Wien. Beim Spiel zwischen den beiden am vergangenen Sonntag in der Generali Arena, stand der Großteil des österreichischen Nationalteams am Feld. 58 Spieler um genau zu sein sind es, die am Samstag beim AFL Finale fehlen werden.

Internationale Ernüchterung

Neben einem vorhandenen Kern von Eigenbauspielern, sicherten sich Raiders und Vikings eben auch Schlüsselspieler anderer AFL-Teams. Das brachte genau diese neue Spannung in die Bundesliga rein, hatte im Gegenzug jedoch ein spürbares Absinken des Spielniveaus zur Folge. Sichtbar machte das u.a. die europäische Amateur Klubmeisterschaft (CEFL). Die in Österreich 2022 noch ungeschlagenen Danube Dragons sind ebendort angetreten, haben dabei Belgrad knapp geschlagen, bevor sie mit 10:21 gegen Parma überraschend deutlich aus dem Bewerb geflogen sind, den am Ende wieder der deutsche Vizemeister gewann. Die letzte Niederlage eines AFL Teams in einem europäischen Bewerb gegen eines aus Italien davor, die rührt aus der Saison 2008. Das war damals allerdings nicht die ungeschlagene Nummer 1 der Bundesliga (die Raiders gewannen in dem Jahr die Eurobowl in einem rein österreichischen Finale gegen die Vikings und im Semifinale standen auch noch die Giants), sondern das Tabellenschlusslicht Hohenems, welches im EFAF Cup knapp an Parma scheiterte.

Wenn der AFBÖ-Generalsekretär Christoph Seyrl also davon spricht, dass der Beweis geliefert wurde,dass die AFL weiterhin ein Top-Football-Produkt in Europa ist, dann hat der diese unangenehme Tatsache entweder ausgeblendet, oder man vertritt die Ansicht, dass Fünfter in Europa noch in die Top-Kategorie fällt. Das ist okay und wäre auch der aktuelle Platz des Herren Nationalteams im Ranking nach der letzten Euro. Denn vor den Dragons haben sich, neben Parma und Schwäbisch Hall, auch noch Chur und La Courneuve platziert. Das Nicht-Erreichen der Vorschlussrunde ist so nebenbei das schwächste Abschneiden Österreichs auf europäischer Klubebene seit 22 Jahren. Im Jahr 2000 scheiterten die Vikings im Viertelfinale der EFL, was danach, eben bis 2022, nicht wieder passieren sollte. Ein Faktum, welches man bei der qualitativen Beurteilung der Spielstärke seiner Liga würdigen sollte.

1000 als Benchmark

In Sachen Zuschauer muss man sich an das Backen kleinerer Brötchen gewöhnen. Bzw. hat man sich damit bereits abgefunden. Salzburg und Traun hielten sich ca. dort wo sie in der Division 1 waren, Telfs freute sich über ein paar Zuschauer mehr als im Jahr davor. Über 1000 Fans bei den Heimspielen der Vikings markieren allerdings bereits die Saison-Highlights. Der Rest spielt meist vor einigen hundert Zuschauern. Ein Unterschied zu den Ligen darunter, die Füllung der Tribünen betreffend, ist in vielen Fällen gar nicht mehr auszumachen.

Ragnitz Iron Bowl
Ragnitz rockt: 900 Zuschauer bei der Iron Bowl. Das Football Unterhaus blüht und gedeiht. Local Heroes und Gamedays mit Volksfest-Charakter ziehen die Zuschauer immer mehr an.
Local Heroes > AFL

Die Dragons haben z.B. 500 Zuschauer bei ihrem Playoff gegen Telfs angegeben. Falls das stimmt, denn mit Zuschauerangaben sind die Dragons, wie auch etliche andere AFL Teams, mit Ausnahme der Vikings, Patriots und Ducks, sehr zurückhaltend. Was natürlich die Vermutung nahelegt, dass man dazu auch nicht mehr viel sagen möchte. Das Finale der Division 2 jedenfalls wollten fast doppelt so viele Fans sehen. Es scheint als wäre die neue Spannung einem Gros der Zuschauer nicht ganz so wichtig. Zumindest manifestiert sich diese sich nicht an der Ticketkassa. Ganz sicher eine Rolle spielen dabei auch die privaten Finanzen und Ängste, dass die wirtschaftliche Lage sich weiter verschlechtern könnte. Allerdings boomt der Sport im Unterhaus. Lokale Helden und das Fest im Dorf sind angesagt, eine Reise nach Wien oder Innsbruck ist nur mehr zweite Wahl. Wie auch immer, scheinen die Jahre des Zuschauerhochs, an denen 3.000 Fans bei manchen AFL-Spielen noch als normal galten, ein für allemal vorbei. Mit aber auch ohne Krisen ist nicht massig Luft nach oben vorhanden.

Auch medial fährt die AFL weiterhin auf 3 Rädern dahin. Eine angeheuerte, durchwegs professionelle, Streaming Plattform, hausgemachte Streams der Klubs, private Initiativen und der ORF, wechseln sich unregelmäßig als Hersteller von Bewegtbildern ab. Knackige Zusammenfassungen, wie sie einst AFL Crush hergestellt hat, gibt es nur als Ausnahme. Dafür fehlt es an Manpower. Hier ist die neue AFL Gruppe in der kommenden Saison gefragt. Mit einer besseren medialen Darstellung, vor allem am Bewegtbild-Sektor, ist sicher noch was zu reissen.

Wiener Austrian Bowl vor den Toren der Stadt

Die Austrian Bowl kann hier für ein wenig ablenkende Erleichterung sorgen, funktioniert diese als Standalone Event seit jeher ordentlich. Und das Matchup lässt zumindest die Wiener Footballherzen höher schlagen, dauert die Strecke Westbahnhof – St. Pölten öffentlich nur halb so lang wie eine Fahrt vom Vikings ins Dragons Stadion. Dazu hat man mit der Erfindung des Spiels um Platz 3 einen Fallschirm eingebaut, sollten die „falschen“ Teams ins Finale kommen. Denn – make no mistake: Die Austrian Bowl in der NV Arena ist eine „Austrian Bowl in Wien“, ohne den Raiders das jemals in der Deutlichkeit sagen zu müssen.

Vienna Vikings vs. Prague Black Panthers
1.160 Zuschauer waren bei Vikings gegen Panthers heuer dabei. Einer der Höchstwerte in der AFL Saison 2022.
Foto: Hannes Jirgal

So kann der Veranstalter, der ja auch der AFBÖ ist, durchaus mit bis zu 5.000 Zuschauern rechnen. Der Publikumskrösus Vienna Vikings hat heuer übrigens 5.174 Zuschauer gemeldet. Für alle AFL-Heimspiele der Saison zusammen wohlgemerkt. Zum Vergleich: In der Saison 2019 meldeten die Vikings im Grunddurchgang noch 9.551 Zuschauer – bei gleich vielen Spielen, die allerdings noch auf der Hohen Warte stattgefunden haben. Trotzdem ein Minus von 46 Prozent, welches natürlich durch die Spiele der ELF mehr als kompensiert werden kann. Zu den bisherigen 4 Heimspielen der Wiener in der Generali Arena kamen 14.570 Fans. Das lässt sich für die AFL mit einer einzigen Austrian Bowl leider nicht aufholen, meint Ihr

Walter Reiterer

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