Im ersten Semifinale, dem AFC Championship Game, trifft der Favoritenkiller auf den Bezwinger des Titelverteidigers. Die Pittsburgh Steelers reisen nach dem sensationellen 21:18-Auswärtstriumph gegen die Indianapolis Colts in die "Mile High City" und fordern die Denver Broncos, die den Traum der New England Patriots vom Super-Bowl-Hattrick mit 27:13 beendeten.

Pittsburgh ist das erste als Nummer 6 gesetzte Wild-Card-Team, das ein Conference Final erreicht hat – und "Big Ben" Roethlisberger ist der erste Quarterback, der das in seinen ersten zwei NFL-Jahren zweimal geschafft hat. Aber wie! Außenseiter Pittsburgh führte gegen Topfavorit Indianapolis vor dem Schlussviertel sensationell mit 21:3, ehe die Colts-Aufholjagd begann. Bei 10:21 begannen die verrücktesten fünf Minuten der NFL-Geschichte. Steelers-Pro-Bowl-Safety Troy Polamalu fing einen Pass von Star-Quarterback Peyton Manning ab – aber die Interception wurde nach Videoüberprüfung aberkannt. Zu Unrecht, wie die NFL inzwischen zugab. Die Fehlentscheidung ermöglichte den Colts die Fortsetzung des Angriffs und den Touchdown zum 16:21. Trotz 5-Yard-Strafe gelang Indy auch die 2-Point-Conversion – vier Minuten vor Schluss stand es nur noch 18:21, die beiden Teams trennte nur noch ein Field Goal.

Aber beim vermeintlich letzten Angriff wurde Manning zum vierten und fünften Mal "gesacked" – zuletzt eine Minute 20 vor Schluss im 4th Down an der eigenen 2-Yard-Linie. Die Entscheidung schien gefallen. Aber weil die Colts noch über alle drei Timeouts verfügten, knieten die Steelers nicht ab, sondern versuchten zu scoren. Und ausgerechnet der zukünftige Hall-of-Famer Jerome Bettis, der in der gesamten Saison noch keinen Ball verloren hatte, ließ die Schweinehaut aus. Colts-Cornerback Nick Harper (am Vorabend von seiner Frau mit einem Messerstich ins Knie verletzt!) wurde auf dem Weg zum wohl entscheidenden Touchdown ausgerechnet von einem großartigen Tackle von Quarterback Roethlisberger gestoppt.

Die Colts kamen noch in Field-Goal-Reichweite. Aber der zuverlässigste Kicker der NFL-Geschichte, Mike Vanderjagt (87,5% Erfolgsquote), versemmelte die Chance, Indy noch in die Overtime zu retten, kläglich.

Damit hat der längstdienende aktuelle Head Coach, Bill Cowher, Pittsburgh zum fünften Mal in 14 Jahren ins AFC Championship Game geführt. Allerdings haben die Steelers dreimal verloren (zuletzt im Vorjahr daheim gegen New England!) und nur einmal das Endspiel erreicht, vor 10 Jahren, nur um Super Bowl XXX deutlich gegen die Dallas Cowboys zu verlieren.

Denver und Pittsburgh zählen zu den erfolgreichsten Teams der Super-Bowl-Ära. Die Steelers dominierten die 70er-Jahre mit vier Titeln (nur Cowboys und 49ers haben um einen Super-Bowl-Titel mehr gewonnen), die Broncos gewannen (nach vier Niederlagen) mit dem immer noch amtierenden Head Coach "Mastermind" Mike Shanahan die Super Bowls XXXII & XXXIII, ehe nach der Saison 1999 die John-Elway-Ära zu Ende ging.

Seit Elway’s Rücktritt hatte Denver kein Playoffspiel gewonnen – bis letzten Samstag. Dank Pittsburgh’s Sensationssieg in Indianapolis erben die Broncos als Nummer 2 der AFC-Setzliste das Heimrecht. Für die Steelers nach zwei Playoff-Auswärtserfolgen die perfekte Gelegenheit zur Revanche. Denn beim letzten Post-Season-Duell vor acht Jahren erreichte Denver dank eines knappen 24:21-Siegs in der "Steel City" Super Bowl XXXII und holten zwei Wochen später als Underdog in einem Thriller gegen Titelverteidiger Green Bay ihren ersten von zwei NFL-Titeln.

Die Steelers zählen (wie die Broncos) zu den populärsten Teams der National Football League. Viele würden dem emotionellen Motivator Bill Cowher und auch "Bus" Jerome Bettis den lang ersehnten Super-Bowl-Ring gönnen, zumal der "Bus" voraussichtlich nach Saisonende für immer in der Garage bleiben wird.

Im zweiten semifinalen Akt gastieren die Carolina Panthers nach dem überzeugenden 29:21-Auswärtserfolg gegen die Chicago Bears bei der Nr 1 der NFC, den Seattle Seahawks.

Seattle feierte mit dem 20:10 gegen die Washington Redskins den ersten Playoffsieg seit 21 Jahren – und qualifizierte sich erst zum zweiten Mal für ein Conference Final; erstmals seit 22 Jahren, als die Seahawks noch ein AFC-Team waren.

Auch für Carolina ist es das zweite Championship Game. Aber erstens wurden die Panthers erst 1995 gegründet und zweitens konnten sie – anders als die Seahawks – ihr Semifinale vor zwei Jahren gewinnen; scheiterten erst in Super Bowl XXXVIII nach dramatischem Kampf mit 29:32 gegen New England.

Die Panthers gelten als derzeit bestes NFL-Auswärtsteam. Wie Pittsburgh erreichte Carolina das Semifinale mit zwei Siegen "on the road". Insgesamt haben Head Coach John Fox und sein Quarterback Jake Delhomme vier Playoff-Auswärtssiege in Folge gefeiert – NFL-Rekord! Delhomme hat mit 108.4 das beste Quarterback-Rating der Playoffgeschichte – höher als die Herren Montana, Brady, Starr, …

Beide Teams überstanden das Viertelfinale trotz Verletzungspechs ihrer Running Backs. Bei Seattle beging ausgerechnet der wertvollste Spieler der Regular Season, Shaun Alexander, gleich zu Beginn einen Fumble, und kurz nach dem Ballverlust erlitt er eine Gehirnerschütterung. Immerhin wird der neue Rushing-King der NFL (1880 Yards) und Touchdown-Rekordler (28!) aller Voraussicht nach das Semifinale bestreiten können.

Weniger gut die Running-Back-Situation der Panthers. Schon vor Wochen musste Starter Stephen Davis (12 Touchdowns) vorzeitig die Saison beenden, am Sonntag erwischte es auch DeShaun Foster, der davor in zwei Partien mehr als 300 Yards erlaufen hatte: Knöchelbruch. Jetzt muss der Running Back Nr 3, Nick Goings, ran – wie 2004. Carolina hofft, dass wenigstens Pro-Bowl-Defensive End Julius Peppers (Schulter) fit wird, und vertraut auf den bisherigen Playoff-MVP Steve Smith, der in zwei Playoffrunden vier Touchdowns erzielte und schon 22 Passes für mehr als 300 Yards gefangen hat, davon deren 12 für 218 Yards gegen die vermeintlich beste Defense der Liga. Damit verfehlte Smith, nach einem Beinbruch 2004 "Comeback-Spieler des Jahres", die absoluten Playoffrekorde (13 Catches, 240 Yards) nur knapp.

Experten sind sich einig, dass nach dem Ausscheiden von New England und Indianapolis ein unglaublich ausgeglichenes Feld von vier Teams im Super-Bowl-Rennen geblieben ist. Entsprechend spannend sollten die beiden Conference Finals verlaufen.

Conference Finals live im ORF-Sport:
Sonntag ab 20.45 Uhr (TW1) und ab 23.40 Uhr (ORF1):
Seattle Seahawks (NFC#1) vs Carolina Panthers (NFC#5)
ORF-Kommentatoren: Philipp König & Michael Eschlböck
Denver Broncos (AFC#2) vs Pittsburgh Steelers (AFC#6)
ORF-Kommentatoren: Christopher Ryan & Tino von Eckardt

Das weitere NFL-Liveprogramm im ORF-Sport:
Sonntag 5.2.: Super Bowl XL (in Detroit) ab 23.35 Uhr live in ORF1
Halftime Show: Rolling Stones
ORF-Kommentatoren: Christopher Ryan & Michael Eschlböck

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