Dank der reanimierten Bears und Lions in den letzten beiden Jahren gehört sie auch sportlich wieder zu den hochklassigen Divisionen, in der sich drei Teams berechtigte Hoffnungen auf die Playoffs machen dürfen – und ein Vierter als nicht ungefährlicher Außenseiter irgendwo am Straßeneck lungert.

Green Bay Packers

Krösus sind dabei die Green Bay Packers aus der Provinz von Wisconsin, der Superbowl-Champ von 2010 und in der abgelaufenen Saison 2011 die Mannschaft mit der besten Bilanz im Grunddurchgang: 15-1 Siege fuhren die Cheeseheads rund um Superstar-QB Aaron Rodgers ein, nur um dann im ersten Playoffspiel zuhause von den New York Giants böse, böse abgeschlachtet zu werden.
Die vom relativ profillosen Head Coach Mike McCarthy gecoachten Packers zeichnen sich durch eine wunderschöne, ja brillante Pass-Offense aus, der zuzuschauen an guten Tagen einem Hochgenuss gleichkommt. Was Rodgers und seine Receiver-Armada an Präzision und Timing aufbieten, ist auf bislang in der NFL ungesehenem Niveau. Trotz der durchaus deutlich ersichtlichen Problemzone mit Namen „Offensive Line“ und eines eher schwachen Laufspiels grenzt die Leichtigkeit, mit der Rodgers seine schier zahllosen Anspielstationen zu bedienen weiß, fast schon an aufreizende Lässigkeit.
Besagter Receiving-Corp ist breit aufgestellt: Greg Jennings übernimmt die Rolle der Nummer 1, James Jones ist der Mann für die Mitte, der alternde Donald Driver hat die Jokerrolle inne, während Jordy Nelson und Randall Cobb die Abrissbirnen für die tiefen Bälle geben. Und dazu gesellt sich mit TE Jermichael Finley eine imposante Gestalt, die sich ohne weiteres auch als Wide Receiver aufstellen lässt. Das reicht den Packers meistens, um das fußlahme Laufspiel zu übertünchen. Dort hatte man in das Duo Alex Green/James Starks so wenig Vertrauen, dass vor kurzem mit Cedric Benson ein eigentlich schon als verbrannt geltender Routinier verpflichtet wurde.
Die verbesserungswürdige Situation bei den Running Backs ist allerdings im Vergleich zur Defense ein Nebenschauplatz. McCarthy und DefCoord Dom Capers sahen dies ähnlich und holten sich im NFL-Draft mit den ersten sechs (!) Picks nur Abwehrspieler. Das hat einen Grund: Was jahrelang die grundsolide Basis für die Titelanläufe in Green Bay gebildet hatte, war 2011 völlig kollabiert: Ein nonexistenter Pass Rush gepaart mit einer indisponierten Secondary – alles Zutaten für eine negativrekordträchtige Luftabwehr.
Der wichtigste Neuzugang dürfte deshalb OLB Nick Perry von USC sein, der sich mit einem anderen ehemaligen Trojan, Clay Matthews, zu einer gefürchteten Passrush-Combo zusammentun soll, die neben den ILBs A.J. Hawk und D.J. Smith fungiert.
Die Linebacker dürften solange Schwerstarbeit zu verrichten haben, solange die Defensive Line nicht massiv die Formkurve kriegt: DT B.J. Raji war in den Playoffs 2010/11 zum Star mutiert, dann allerdings komplett eingebrochen und damit zum ersten Sargnagel für die Abwehr mutiert. Der junge DT Jerel Worthy aus dem Draft dürfte somit als Drohung in Richtung Raji verstanden werden.
Im Packers-System kommt dem Defensive Backfield eine ganz besondere Rolle zu: Während Tramon Williams und Sam Shields die Außen abdecken, arbeitet CB Charles Woodson auf seine alten Tage als eine Art Freelancer zwischen den Zonen, mal als unterstützender Safety, mal als verkappter Pass Rusher. Es stellt sich einzig die Frage, ob Woodson nach einer schwachen Saison überhaupt noch ausreichend Körner im Tank hat, um diese essentielle Rolle noch adäquat ausfüllen zu können. Darüber hinaus bleibt in der Schwebe, wer nach den Abgängen von Collins und Peprah die Stammformation auf Safety bilden wird.
Genügend Fragezeichen in Green Bay. Das wird so lange gut gehen, solange Rodgers weiterhin diese Präzision an den Tag legen kann, weiterhin so wenige Turnovers produziert und die Defense weiterhin ihre 2-3 Ballverluste/Spiel generiert. Die Geschichte zeigt, dass zumindest die letzten beiden Kategorien nur schwer wiederholbar sein werden. Die Packers werden also zwingend eine druckvollere Defense aufstellen müssen, um von der aufstrebenden Divisionskonkurrenz nicht böse überrascht zu werden – und dann müssen sie hoffen, dass Rodgers nicht wieder ein oder zwei Spiele mit Gehirnerschütterung ausfällt, denn die Backup-Quarterbacks weisen keinerlei Erfahrung auf.

Detroit Lions

In nur drei Jahren sind die Detroit Lions vom jahrelangen Schlachtopfer zum ernsthaften Anwärter mutiert, und haben dabei gezeigt, wie man eine am Boden liegende Mannschaft mit Friedhofsstimmung aufpeppt: Indem man eine sportliche Leitung mit Vision und Umsetzungsstärke einstellt, nämlich. GM Martin Mayhew und Head Coach Jim Schwartz gehen ihre Sache pragmatisch an wie kein anderes Management in der NFL, und der Erfolg gibt ihnen Recht. Nur drei Jahre vergingen, und aus einer sieglosen Mannschaft war ein Superbowl-fähiges Kaliber geschnitzt, das nicht aus teuren Free Agents, sondern aus jungen Nachwuchstalenten besteht.
Dank dieser vielen hohen Draftpicks können die Lions im Angriff ein relativ simples System spielen: QB Matthew Stafford nimmt fast jeden Ball aus der Shotgun-Formation auf und sucht als allererstes WR Calvin Johnson. Ist jener Johnson dreifach gedeckt, weitersuchen. Ist jener Johnson nur doppelt gedeckt, kann Stafford ruhigen Gewissens seine ästhetisch wunderschön durch die Lüfte schwebenden Pässe abfeuern – Johnson ist jedem Deckungsspieler körperlich haushoch überlegen.
Über die Jahre wurde neben Johnson ein mittlerweile recht rund wirkender Receiving-Corp aufgebaut: Nate Burleson glänzt mit Spielintelligenz, Titus Young dürfte, sofern seine charakterlichen Eigenheiten nicht wieder zum Problem werden, einen guten Mann für die Mitte abgeben, Ryan Broyles könnte mittelfristig zum dritten Mann heranreifen. Die beiden Tight Ends Brandon Pettigrew und Tony Scheffler dürfen ebenso zur oberen NFL-Klasse gezählt werden, und die Running Backs werden in Detroit auch ganz gerne als Ballfänger eingesetzt.
Der Star ist dabei RB Jahvid Best, kein Arbeitstier, aber eine Allzweckwaffe, wenn er denn nicht eine bedrohliche Geschichte an Gehirnerschütterungen aufweisen würde. Bests Backups, Mikel Leshoure und Kevin Smith, plagen sich mit Knieproblemen. Das alles hinter einer wenig konstanten Offensive Line. In anderen Worten: Die Lions können sich nicht auf ihr Laufspiel verlassen.
Auch die Defense ist eher eindimensional, was kein Problem sein muss, wenn die Defensive Line mit einer derart geballten Wucht aufwartet: DT Ndamukong Suh machte in jüngster Vergangenheit mit zu wenig gedeckelter Aggressivität und zu viel Bockigkeit negativ von sich reden, ist aber physisch eine kaum zu kontrollierende Naturgewalt. Die Nebenleute Nick Fairley und Corey Williams halten Suh den Rücken frei, während die DEs Kyle „roughing the quarterback“ Vandenbosch, Willie Young und Cliff Avril allein auf Pass Rush spezialisiert sind.
Hört sich nach viel Druck auf Quarterbacks an? Ja? Ist korrekt, aber anfällig gegen Laufspiel und Draws. Dadurch rücken die etwas leichtgewichtig wirkenden Linebackers um die Schlüsselfigur Stephen Tulloch in den Fokus, und weil diese nicht immer voll diszipliniert spielen, drohen lange Läufe en masse.
Das Defensive Backfield erwies sich trotz guter Saisonphasen gegen Ende der Spielzeit als Schwachpunkt. Die Cornerbacks um Chris Houston gehören eher nicht zur Elite und sind auf den Erfolg des Pass Rush angewiesen, und bei den Safetys wird die Luft hinter den grundsoliden Startern Amari Spievey und Louis Delmas schnell sehr dünn…
Schwer zu sagen, was man von Detroit 2012 erwarten kann. Einerseits ist die Masse an individuell superben Einzelspielern auf gewissen lebenswichtigen Positionen beeindruckend. Andererseits gibt es auch durchaus große Fragezeichen, wie zum Beispiel im offensiven (RB) und defensiven (CB) Backfield. Einer der größten Hemmschuhe, die vielen Penaltys, dürfte sich zwar auf vergleichsweise einfache Art und Weise beheben lassen. Aber was passiert, wenn beispielsweise Johnson mal komplett aus dem Spiel genommen werden kann? Der Plan B dafür steckt jedenfalls – wenn überhaupt – noch in irgendeiner Schublade im Front Office.

Chicago Bears

Alles Wehwehchen, die darauf hindeuten, dass Detroit in dieser Saison zumindest vorübergehend von einem alten Bekannten überholt wird: Den Chicago Bears, die schon im vergangenen Herbst in die Playoffs gehört hätten, aber dann in der zweiten Saisonhälfte ohne Quarterback und Running Back die Offense eingehen sahen und hilflos zusehen mussten, wie ihnen die Felle davonschwammen. Als Reaktion darauf setzte die Besitzerfamilie zur Rasur an und tauschte GM Jerry Angelo durch GM Phil Emery aus. Emery vermied das große Hausreinemachen und beschränkte sich auf einige leichte chirurgische Eingriffe. Eingriffe, die fast ausnahmslos Sinn machen.
Der Angriff wird nun von OffCoord Mike Tice geleitet, der zwar nicht der detailverliebteste Mann unter der Sonne ist, aber dafür erstmal ein methodischereres Passspiel einsetzen wird als Vorgänger Mike Martz. Das bedeutet: QB Jay Cutler wird hinter einer anerkannt schlechten Offensive Line schneller werfen und keine 4-5 Sekunden mehr warten, bis fünfzig Meter downfield der erste Receiver offen ist.
Cutler bekam Waffen: WR Brandon Marshall, ein alter Buddy aus Zeiten in Denver, wurde aus Miami geholt, und via Draft gesellte sich mit WR Alshon Jeffery ein großes Talent dazu, dem allenfalls ein paar Flauseln im Kopf manchmal einen Strich durch die Rechnung machen. Gemeinsam mit den Herren Johnny Knox (ist allerdings erstmal verletzt) und Devin Hester dürfte Cutler deutlich bessere Anspielstationen als in jüngster Vergangenheit besitzen.
Und dann gibt es noch den vielseitigen RB Matt Forté, der bis zu seiner Verletzung eine großartige Saison spielte. Intelligenterweise sicherte sich Chicago für eventuell wiederkehrende Verletzungsausfälle Cutlers und Fortés ab, indem die blassen, aber grundsoliden Arbeiter QB Jason Campbell und RB Michael Bush aus Oakland verpflichtet wurden – ein erneuter Hanie-Alarm dürfte also ausbleiben.
Die Fragezeichen in der Defense gehen weniger in Richtung eklatante Schwachstellen, sondern zum Thema „wer stoppt den Alterungsprozess?“. Das Coaching dürfte passen. Head Coach Lovie Smith ist wie sein DefCoord Rod Marinelli ein glühender Verfechter der Tampa-2 Defense, die solange funktioniert, solange das Personal in der Front-Seven auf der Höhe ihres Schaffens spielt.
Die Ingredienzien sind da. DE Julius Peppers ist einer derjenigen Spieler, die in jedem Jahr unter den fünf, sechs Kandidaten auf den NFL-Defensivspieler des Jahres sind, und neben MLB Brian Urlacher, der wieder mal angeschlagen und für den Season Opener fraglich ist, der große Ankerpunkt der Abwehr. Neben Peppers wird in der Line vor allem der junge Kraftbolzen DT Stephen Paea (sprich: Piuuuuuuuu) interessant, der wohl gemeinsam mit dem von den Bucs geholten DT Brian Price das Herz der Laufabwehr bilden soll.
Bei den Linebackern verlässt man sich neben dem rekonvaleszenten Urlacher immer noch auf OLB Lance Briggs und dessen Spielintelligenz, aber wie lange Briggs mit seinen 31 Lenzen noch so aufgeigen wird können, bleibt abzuwarten (auch Peppers ist jenseits der 30 und Urlacher schon 34). Da kommt der jüngste Erstrundendraftpick, DE/OLB Shea McClellin von Boise State, gerade recht: Ein lernwilliger Mann, den du überall dort vorne einschulen kannst.
Die Fragezeichen im Defensive Backfield beschränken sich darauf, wer neben dem jungen Chris Conte den zweiten Safety geben soll; die Cornerbacks gehören zwar nicht in eine Liga mit Revis, aber da müssen sie spielsystembedingt auch nicht sein. CB Charles Tillmann zum Beispiel fährt seit Jahren ganz gut, ohne jemals ein wirklich guter Manndecker gewesen zu sein, oder besser: Gewesen sein zu müssen.
Gepaart mit guten Special Teams – K Robbie Gould macht einen bewundernswerten Job auf einer fürchterlichen Spielunterlage im Soldier Field und über Returner Devin Hester muss man nicht mehr viel schreiben – lassen die Bears eine wirklich hervorragende Saison erwarten. Man ist fast geneigt, hier den Divisionsfavoriten zu sehen – zumindest aber die Playoffs sollten es allemal werden, wenn Cutler nicht wieder in den entscheidenden Momenten das nervöse Abzugsfingerchen bekommt.

Minnesota Vikings

Die Vikings stecken inmitten der Ungewissheit einer großen Transformation. Während in den Büros der Twin Cities mittlerweile sichergestellt zu sein scheint, dass die Franchise dank subventioniertem Stadion im hohen US-Norden bleiben kann, gibt es unter der Hülle des alten Metrodomes ganz andere Fragen zu beantworten.
Das beginnt bei der wichtigsten Position: Quarterback. Der junge Chris Ponder, hoher Draftpick 2011, überzeugt noch nicht jeden und man ist sich noch nicht sicher, ob Ponder jemals über den Status des blassen Verwalters hinauswachsen kann, oder ob nicht früher oder später die faustdicke Überraschung stattfindet und der Scrambler Joe Webb übernimmt. Man versucht jedoch erstmal, um Ponder herum einen jungen Nukleus zu bauen.
Die Offensive Line zum Beispiel, ein offenes Scheunentor seit Jahren, wurde mit dem teuren OT Matt Kalil im NFL-Draft verstärkt. Kalil soll Ponder den Rücken etwas besser freihalten als das in der Vergangenheit der Fall war. Der Receiving-Corp wurde um Jerome Simpson aus Cincinnati und den Rookie Jarius Wright aus Arkansas ergänzt (Greg Childs ist schon verletzt), die Fixbausteine neben der Allzweckwaffe Percy Harvin werden sollen. Und mit den Tight Ends John Carlson/Kyle Rudolph hat man zwei grundsolide Arbeiter, die als Fänger und Blocker gebräuchliche Schachfiguren sein sollten…
…und dann schauen wir mal, was aus RB Adrian Peterson wird. Peterson muss sich von einer schweren Knieverletzung erholen – nie ein allzu gutes Zeichen für einen Running Back mit fünf Jahren NFL auf dem Buckel und einer Verletzungshistorie am College. Peterson ist mit seinem physischen Stil eine Waffe, aber keiner vermag eine Rückkehr zu alter Form zu prognostizieren. Backup Toby Gerhart ist nicht mehr als ein verlässlicher „Grinder“.
Die Defense steht und fällt mit der Vorstellung der Secondary, die in der vergangenen Saison rekordverdächtige Completion-Rates zuließ und das trotz eines sehr guten Pass Rushes in der Front-Seven. Mit CB Antoine Winfield gibt es einen guten Mann, mit Harrison Smith einen jungen Hoffnungsträger auf Safety, aber danach wird es kohlrabenschwarz und extrem dünn mit der Kadertiefe. Was helfen wird: Es ist nicht anzunehmen, dass die Vikings noch einmal so wenige Interceptions (acht an der Zahl) fangen werden.
Es könnte für Head Coach Les Frazier eine arbeitsplatzerhaltende Maßnahme werden, hier an den richtigen Stellschrauben zu drehen, die richtigen Schemata zu finden, um aus der dünnen Personaldecke wenigstens ein akzeptables Deckungsspiel zu klaubautern. Denn im Pass Rush lässt sich nicht mehr allzuviel verbessern: DE Jared Allen ist ein schwer einzubremsender Sack-Spezialist (zuletzt 22 Sacks), und auch Nebenmann DE Brian Robinson und der gefürchtete DT Kevin Williams zählen diesbezüglich zur absoluten Elite. Dahinter gibt es noch mit LB Chad Greenway einen sehr, sehr guten Tackler gegen das Laufspiel.
Die Vikings befinden sich im Umbruch und es sind noch lange nicht alle Baustellen geklärt. Trotzdem wird es keine 3-13 Saison mehr geben, da sich schon alleine das Glück in der Crunch-Time wenden wird: Minnesota verlor in der letzten Saison neun von elf Partien, die mit einem Score Differenz endeten – dieser Wert wird sich fast zwangsläufig verbessern. Verbessern muss sich allerdings auch die Explosivität im Passspiel. So oder so werden die Vikings nicht mehr das Schlachtopfer auf der Bank sein.
Thomas Psaier (23) ist der Betreiber des Blogs sidelinereporter.wordpress.com, Südtiroler, hauptberuflich Student der Logistik, nebenberuflich Lokalpolitiker, Musikant, Tellerwäscher und „allgemeingebildeter“ Sportfan.
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