Atlanta Falcons
Ich werde nicht viel über die Atlanta Offense sagen. Man kann sich, ganz egal, wie der Ausgang der Saison sein wird, hier schon so ziemlich alles denken. Julio Jones ist ein Monster, das mit der vollen Offseason erstmals sein volles Potential zeigen wird. Michael Turner wird zu viele Carries kriegen. Tony Gonzalez wird weiterhin nicht altern. Roddy White wird weiterhin sehr gut und die Line weiterhin (zumindest bis zum Heranreifen von Rookies Lamar Holmes und Peter Konz) ein Problem sein. Die gesamte Offense wird also wieder gut, aber vielleicht nicht sehr gut sein. Sollten die Falcons klicken, wird ein gutes Ryan-Jahr (zusammen mit Julios Aufstieg) verantwortlich gemacht werden. Sollten sie die Playoffs versäumen, oder dort wieder one-and-done sein, wird es ein für Ryan-Verhältnisse schlechtes Jahr sein. Oder Julio verletzt sein. Oder White wieder Drops haben. Oder Neu-OC Dirk Koetter wirklich so schlecht wie die letzten Jaguars-Offenses sein. Kurz gesagt: Über die Falcons-Offense zu schreiben ist im Grunde genommen langweilig. (Hier sieht man also 4 Jahre Mularkey-Konditionierung voll am Werk.)
Denn, was in den Medien immer wieder gerne übersehen wird, ist: Wenn die Playoff-Blamage gegen die Giants eines bewiesen hat, dann, dass in Atlanta letztes Jahr endgültig ein Paradigmenwechsel vollzogen wurde. Die Defense ist nun das kleinere Sorgenkind von HC Mike Smith. Während Mularkeys Herumdümpeln im Turner-durch-die-Mitte-Land war die Falcons Offense immer irgendwo zwischen neunt- und 14.-bester Offense der Liga, was auch ungefähr die Bandbreite an öffentlichen Einschätzungen zu Matt Ryans Platz in der QB-Welt widerspiegelt. Brian Van Gorders Defense fing 2008 mit einem Nukleus von John Abraham und Jonathan Babineaux und einem großen Haufen Nichts an und arbeitete sich von Platz 25 in DVOA (2008) auf 22 auf 14 auf 8 (2011) vor – erstmals also besser als die Offense, und das in ihrem verletzungsreichten Jahr der Dimitroff-Ära. Symbolisch also, dass sie im Playoff die eigene Offense outscoren konnten.
Über Mike Nolan als Defensive Coordinator muss man nicht viele Worte verlieren, und er erbt also eine gereifte Truppe. Er wird trotz seiner mehrheitlichen 3-4 Vergangenheit bei Atlantas 4-3 Personalpolitik bleiben und nur gelegentlich hybride Konzepte verwenden. Die Line enthält dabei neben dem oben erwähnten Nukleus mit dem letztes Jahr angeschlagenen, aber zu mehr fähigem Ray Edwards und dem mit 18.5 Hurries wieder mal durch die Sackzahlgläubigen gern unterschätzen Kroy Bierman einiges an Depth auf End. Lawrence Sidbury könnte Nolans Breakout-Joker sein, da er in hybriden Formationen auch als OLB eingesetzt werden kann. Sean Weatherspoon entwickelt sich langsam aber sicher zu einem jungen Pro Bowl-Kaliber , aber die Linebacker müssen mit dem Abgang Curtis Loftons einiges an verlorener Stabilität gegen den Lauf neu aufbauen. In der Mitte muss also der in der Preseason angeschlagene Akeem Dent das Ruder übernehmen, nachdem Ex-Seahawk-All-Pro Lofa Tatupu out for season ist.
Schenkt man Pro Football Focus und Football Outsiders auch nur ein bisschen Glauben, so ist das, was Aaron Rodgers vor zwei Jahren noch mit 31 von 36 für 366 und 3 TDs aus den Playoffs schoss, mittlerweile im neuen Paradigma die größte Stärke der Falcons: Die Secondary. CB Brent Grimes ist seit Jahren nun schon NFL-Elite, und der Steal der Offseason – CB Asante Samuel – war letztes Jahr in erlaubten Yards per target und erlaubten YAC per completion Top 3 der Liga. Beide waren in den Top 10 in Success Rate, und Grimes, Samuel und der mittlerweile zum Nickel umfunktionierte Dunta Robinson waren alle drei in den Top 5 gegen Post- und Corner-Routes (combined waren 4 von 23 targets completions, bei 0 TDs und 2 Picks), während Grimes und Samuel genau eine Go-Route completion bei 15 targets erlaubten. Dass die Falcons laut Football Outsiders gegen deep middle Pässe um Welten besser als der Rest der Liga waren, und die Secondary hinter den Jets am wenigsten Leistungsverlust hatte, wenn sie keine Pressure-Hilfe hatte, lag aber auch an den Safeties Thomas DeCoud und William Moore, die im Draft mit Charles Mitchell einen Greg Cosell-Liebling als Depth erhalten haben. Brees, Rodgers et al. werden nicht viel schwierigerere Aufgaben zu Gesicht bekommen als dieses Backfield.
Kick Returner ist noch ein kleines Fragezeichen, aber Atlanta wird nicht so viel an Field Position bei Special Teams hergeben wie letztes Jahr, da P Matt Bosher nach Anlaufschwierigkeiten sein Top 10 Potential endlich angefangen hat auszuschöpfen. Summasummarum sind die Falcons also – wie jedes Jahr – ein Playoffcontender, der aber heuer aus anderen Gründen als erwartet tatsächlich weiter kommen könnte, als es die meisten jetzt noch vermuten. Und die Gründe haben weniger mit Disorder in Louisiana als mit einer Defense in Georgia zu tun.
New Orleans Saints
In Louisiana herrschen nämlich, unter anderem, Sprachschwierigkeiten: Die Defense-Spieler verstehen den Bostoner Akzent ihres neuen DCs Steven Spagnuolo nicht, was Roman Harper sogar dazu führte zu scherzen, er würde ihn – den Akzent – jetzt recherchieren. Um Missverständnisse vorzubeugen, versteh sich, denn Saints DCs sagen manchmal ja komische Sachen vor sich hin, wenn die Karriere lang ist. Spagnuolo muss eine Unit rehabilitieren, die letztes Jahr die gesündeste Defense der NFL war, und trotzdem in fast jeder Kategorie zum Ligakeller gehörte, was der Grund war, warum Gregg Williams – das vergessen manche ja – ganz „regulär“ gefeuert wurde, noch vor Bountygate.
Spags ist vom Zugang her natürlich ein ganz andere Coach: Die Front Four rund um den für 4 Spiele suspendierten DE Will Smith wird den pass rush nun mehr selbst bringen müssen, was Cameron Jordan und Martez Wilson auf den Plan rufen wird. Jordan zeigte bisher mehr Laufdefense-Qualitäten, und Wilson ist ein konvertierter LB, Spags eigentliches Dark Horse für den pass rush wird also Junior Galette sein, der als situational pass rusher letztes Jahr schon aufzeigen konnte.
Auf LB musste man eine ganz miserable Unit neu aufstellen, weshalb man Curtis Lofton für die Mitte und gegen den Lauf holte und außen mit Chris Charmberlain und Spags-Schützling David Hawthorne aufrüstete. Genug Material für Mittelmaß, was eine deutliche Steigerung zum Vorjahr wäre. Die Secondary wird sich mit dem Abgang von CB Tracy Porter nun um CB Jabari Greer und CB Patrick Robinson drehen, der noch immer Probleme mit dem Tackling hat. S Roman Harper wird im neuen Schema lernen müssen, was Safeties eigentlich noch so alles da hinten machen, wenn sie nicht blitzen.
Spagnuolo hat es insofern aber leicht, da die Defense nicht überragend sein muss. Mittelmaß ab Saisonhälfte reicht völlig aus, bei der immer noch intakten Offense, die wieder an die 30 Punkte pro Woche im Auge hat. Wer meint, Drew Brees würde wegen Coaching-Suspendierungen und Verlusten wie WR Robert Meachem und G Carl Nicks plötzlich anfangen „nur“ gut zu spielen, verkennt seine Rolle als Feldherr und Sean Payton-Zwillingsgehirn. Nicks wurde durch Ben Grubbs ersetzt, selbst ein Pro Bowler, und WRs sind bei Leuten wie Brees selten im Vorhinein als Stars abzulesen. Sie werden im Regelfall zu solchen gemacht, vor allem durch die immer noch atemberaubenden Präzision, die Brees‘ Pässe haben. Meachems 40 Catches sind 8,5% aller Brees-Completions letztes Jahr, 5 Leute am Roster fingen mehr Bälle als er. Mit Joker WR Lance Moore, Konstant WR Marques Colston, Deep Demon WR Devery Henderson und – ach ja – einem Top 3 TE der Liga names Jimmy Graham sind also noch immer mehr als fähige Leute zum Bälle fangen da. Und die Saints nützen so oder so den RB-Screen häufiger als alle anderen Teams der Liga: Pierre Thomas und Darren Sproles waren für Gegner die Hölle letztes Jahr, und der im zweiten Jahr heranreifende Erstrundenpick und Heisman-Gewinner Mark Ingram ergänzt sie im Laufspiel von Monat zu Monat besser.
Man kann sich natürlich fragen: Wie dreist und gewagt ist die Coaching-Strategie, die den selbst suspendierte Joe Vitt als Payton-Ersatz einsetzte? Wie oft wird geschaltet werden müssen zwischen unterschiedlichen Stilen, Kommunikationsweisen und Ideen? Wie sehr wird sich die Suspension von GM Mickey Loomis in den ersten 8 Wochen am Roster-Management niederschlagen? Aber all das reicht vielleicht um die Saints ein, bis maximal zwei Siege zu kosten. Sie bleiben ein Playoff-Kandidat, allein schon durch die von Payton und Brees in jahrelanger Kleinstarbeit aufgebaute Offense, die ihresgleichen sucht.
Carolina Panthers
Die Panthers fingen letztes Jahr mit ihrer Kleinstarbeit an. HC Ron Rivera holte sich mit QB Cam Newton seine Version des zukünftigen Franchise-Stabilitätsgaranten, und im Jahr 1 der neuen Ära sah der mächtig stabiler aus, als das Team um ihn herum. Newton war der Motor des vermutlich stärksten offensiven Turnarounds aller Zeiten, und führte mit einer unerwarteten Ruhe und Präsenz die Carolina Offense aus dem Jimmy-Clausen-Albtraum in die Liga Top 10.
Ja, er belebte mit seiner Athletik auch ein bereits hervorragendes Laufspiel um RB DeAngelo Williams und RB Jonathan Stewart herum, aber er fand auch seine second und third reads (obwohl an Receiving Talent jenseits von WR Steve Smith eigentlich nichts vorhanden war) und hielt Spielzüge am Leben, die früher regelmäßig zusammenbrachen. OC Rob Chudzinski schrieb smarte Gameplans für Newtons-Talent: Etliche, integrale designed runs, zwei TEs als Basis des Passspiels, weniger I-Formation. Die Offense überraschte letztes Jahr, muss aber heuer ohne dieses Moment (und ohne TE Jeremy Shockey) auskommen. Die Line hat mit RT Byron Bell, der den oft verletzten Jeff Otah endlich aus Carolina verjagte, und Zweitrunden-Rookie-LG Amini Silatolu zwei neue Laufspiel-Prachtblocker in petto. Auf WR hofft man auf eine Weiterentwicklung von Brandon LaFell, und für das Laufspiel hat man sich von den Chargers die Bowlingkugel Mike Tolbert geholt, der mit 10 TDs letztes Jahr fast so viele erwirtschaften konnte wir Williams und Stewart zusammen (12). Hallo, geladenes Backfield.
Defensiv und bei den Special Teams sah die Sache weniger gut aus. Die fast schon alljährlichen Ausfälle der Star-LBs Jon Beason und Thomas Davis sowie eine irre Verletzungsserie in der D-Line führten zu viel Murks und Pain. Erstrunden-Tackelmonster LB Luke Kuechly soll quasi die Absicherung für weitere LB-Ausfälle darstellen und dürfte von Anfang an helfen, die Unit zu konsolidieren, und bei der Line hofft man auf die Gesundheit von DT Ron Edwards, der neben DE Charles Johnson (9 Sacks im Jahr 1 nach dem großen Vertrag) der einzige Spieler mit dem Potential, gegnerische Lines ins Schwitzen zu bringen, ist. Die Safeties rund um Sherrod Martin und Charles Godfrey hatten Tackle-Schwierigkeiten (beide hatten mehr als 10 Broken Tackles letztes Jahr), sollten aber heuer bei einer besseren Box auch gar nicht so oft in diese Verlegenheit kommen wie letztes Jahr. Neben Chris Gamble ist Captain Munnerlyn der klassische Nickel-der-dank-Depth-Problemen-aber-außen-spielen-muss-Typ.
Das alles muss sich allein schon wegen gesundheitlicher Verbesserung ein bisschen Richtung Ligamitte verschieben, und die Special Teams werden heuer auch nicht wieder so problematische wie letztes Jahr sein können: 4 erlaubte Punt Return TDs sind einfach schwer zu wiederholen. Somit sind die Panthers im deutlichen Aufwind, der zwar letztes Jahr noch nicht für NFC Elite gereicht hat, aber sehr bald, und vielleicht schon heuer erstmals in Ansätzen, die großen da oben (und in der Division) in Bedrängnis bringen wird.
Tampa Bay Buccaneers
Und wo es ein Oben gibt, muss es auch ein Unten geben, was in dem Fall die sich im zweiten Rebuild in vier Jahren befindenden Bucs sind. Dieser Rebuild fängt mit Rutgers-Disziplinario Greg Schiano an, der dank seiner Fähigkeit, strukturierte Organisationen zu schaffen und schlechte Programme umzudrehen, auf dem Papier wie eine gute Wahl als Head Coach aussah. Es folgten washingtonesque Zustände bei Einkauf des Coaching Staffs: Butch Davis mag/darf/soll wegen seiner Abfindung im Rahmen der North Carolina State Kontroverse nicht coachen, und ist eine Art Pferdeflüsterer für Schiano und den tatsächlichen DefCoord Bill Sheridan, der berühmt dafür ist, in seinem einzigen Jahr als DefCoord bisher die 2009er Giants-D kaputtgecoacht zu haben. Offensiv flüstert der unsterbliche Jimmy Raye, der bereits bei sieben Teams OC war und zuletzt Alex Smith frustrierte, dem eigentlichen OC, Mike Sullivan, ins Ohr. Sullivans Resümee beinhaltet bisher Giants QB-Coach in jener Saison zu sein, in der Eli Manning die meisten INTs seiner Karriere geworfen hat. Beide Koordinatoren sind also Leute, die Zweifach-Superbowl-Coach Tom Coughlin nach einem Jahr in Schlüsselpositionen gefeuert hat.
Aber man wird jetzt sagen: Okay, das war etwas chaotisch, und man weiß nicht genau, ob die Jim Zorn-haften Autoritätsverwirrungen wirklich ein Team-Stabilisator sein werden, aber zumindest das Roster-Management war ok! Und in der Tat, man holte sich mit WR Vincent Jackson endlich eine solide Anspielstation für QB Josh Freeman, der letztes Jahr massive Regressionsprobleme hatte. Man holte mit All-Pro G Carl Nicks einen Anker für eine fürchterliche Line, die ihren besten Spieler – G Davin Joseph – eh schon wieder für das Jahr verloren hat. Man holte mit CB Eric Wright ein Komplement zum talentierten Troublemaker Aqib Talib, was Veteran Ronde Barber erlauben wird als Slot-Safety-Hybrid zu fungieren. Man holte im Draft mit S Mark Barron ein Ausnahmetalent, wie es die Bucs Secondary seit ewig nicht mehr gesehen hat, und RB Doug Martin, der den fumbelnden Bulldozer LeGarrette Blount ablösen wird. Nur: Auch Dan Snyder hat immer wieder einen Deion Sanders oder einen Brandon Lloyd oder einen Albert Haynesworth geholt, als es vom Talent her Sinn machte. Wenn die Struktur, in die die Talente kommen, ein Piratenschiff im Untergehen ist, nützt alles Talent der Welt nichts.
Es gab letztes Jahr, trotz einer fast schon grenzwertig katastrophalen zweiten Saisonhälfte, auch Hoffnungsschimmer. Die D-Line rund um DE Adrian Clayborn (7.5 Sacks als Rookie) und ehemals Top 3 Pick DT Gerald McCoy hat einen tollen, jungen Nukleus, der nur getrübt wird durch DE Da’Quan Bowers‘ vermutlich saisonlange Verletzung. Mason Foster war sehr ok als Rookie-MLB und bekam mit Lavonte David einen schnellen Coverage-Buddy in der zweiten Runde des Drafts an die Seite, was die Box auf lange Sicht konsolidieren sollte. K Connor Barth war makellos letztes Jahr. Und Owner Malcolm Glazer schien auch erstmals sein Portmonee bereitwillig zu öffnen, weil er eingesehen hat, dass man nicht nur durch den Draft aufbauen kann. Wie bei jedem Team, sind also auch hier Funken an Potential für eine bessere Zukunft durchaus zu sehen. Aber Schiano hat, auch dank des immer schwierigen Übergangs von NCAA zu NFL, vermutlich den längsten Weg zur Super Bowl vor sich, den ein Head Coach in der Liga derzeit haben kann.