Die USA und mit ihr mittlerweile der halbe Erdball fiebern der Super Bowl XLV entgegen. Sonntagnacht (00:30 MEZ) kommt es im Cowboys Stadium in Arlington, Texas zu einem Aufeinandertreffen zweier Traditionsteams, aber trotzdem noch zu Premieren.

Kohle, Schrott & Eisenerz

Die Steelers, 1933 von Art Rooney I als Pittsburgh Pirates gegründet, gewannen nach dem Zusammenschluss der NFL und AFL zur heutigen National Football League im Jahr 1970 sechs Titel. Als Nebenprodukte fielen 20 Divisions- und sieben Conference-Siege an. Als Nebenprodukte fielen 20 Divisions- und sieben Conference-Siege an.

Das Team ist nach wie vor in Familienbesitz. Derzeit steht Dan Rooney, nebenbei noch US-Botschafter in Irland, dem Klub als Chairman vor, sein Sohn Art Rooney II ist Präsident und Entscheidungsträger der Franchise.

Serious about Football

Neben dem eigenwilligen Logo, der „Steelmark“ aus dem Jahr 1962, welches nur auf einer (der rechten) Seite des Helms angebracht ist und deren Hypozykloiden Kohle (gelb), Eisenerz (rot) und Stahlschrott (blau) symbolisieren, sind sie eines von nur sechs NFL-Teams, die keine Cheerleader haben. Eine Gemeinsamkeit mit dem Gegner in der kommenden Super Bowl, denn auch die Green Bay Packers haben für Tanzeinlagen wenig über. Es wird damit 2011 zum ersten Mal eine Super Bowl ohne Cheerleader geben.

Begründet wurde das anfangs mit dem schlechten Wetter (auch Chicago, Cleveland, Detroit und die New York Giants sind derzeit „Cheerfrei“). Als Kritik in Richtung Frauenfeindlichkeit aufkam, verwies man auf die damals noch zahlreichen männlichen Cheerleader. 2004 analysierte der den Steelers nahestehende Prof. Marmot Sinecure vom Groundhog College in Punxsutawney, die „Wertewelt“ der Steelers in der Pittsburgh Post Gazette.

Prof. Marmot Sinecure
Because Pittsburgh fans are serious about football.
Pittsburghers are a straightforward people. They don’t want to have too many choices to befuddle them. You will note that the Steelers don’t have cheerleaders at their games.

That is because the fans don’t want to be tempted by scantily dressed girls when they came to watch huge slavering linebackers. „It’s a matter of old-fashioned priorities. Establish the run. Establish the pass. Establish what type of sausages are available at the concession stands. Finally, establish a steely defense that guarantees we all go home happy, even if home is somewhere far from the three rivers.“



Big Ben a.k.a Slim Roethlisberger

Über die Grenzen dieser hart konstruierten Männerwelt hinaus bewegte sich zuletzt immer wieder ein Mann der Traditionalisten: Quarterback Ben Roethlisberger. Nicht nur am Spielfeld hart im Nehmen, raste er abseits von diesem im Juni 2006 mit seiner Hayabusa in ein Auto und danach mit dem Kopf in den Asphalt. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte er nicht nur keine gültige Fahrerlaubnis, sondern vor allem keinen Helm auf. Er hat es wohl seinem „Stahlschädel“ zu verdanken, dass man heute noch über ihn als Lebenden berichten kann.

So richtig hässlich wurde es erst aber danach. Im Juni 2008 und März 2010 wurde er von zwei Frauen der sexuellen Belästigung und Nötigung beschuldigt. Während sein Anwalt die Sache mit viel Geld vom Tisch bringen konnte, war sein Team „besorgt“ (Head Coach Mike Tomlin) bis „wütend“ (die Rooneys). Die Vorfälle brachten „Big Ben“, wie er für seine 1.96 Meter Körpergröße auch gerufen wird, noch einen zweiten, weniger schmeichelhaften Spitznamen ein: Rapelisberger. Eminems Rap zum „rape“ („Slim Roethlisberger“) war nur eine der Folgen – in South Park landete er gemeinsam mit David Letterman und Bill Clinton in einer Rehab Klinik für Sexsüchtige. Im echten Leben sprach die NFL eine Sperre für sechs, später reduziert auf vier Spiele aus und sein Klub gab ihm eine dritte (vierte?) und dieses Mal angeblich allerletzte Chance.

Swiss Roots

Kurz vor seinem Unfall im Jahr 2006 kam Roethlisberger auf Einladung des Schweizer US-Botschafters auf ein „Bsüchli“ ins konförderierte Helvetien, wurde dort allen Röt(h)lisbergers, die man im Emmental auftreiben konnte vorgestellt, warf geduldig Bälle, lehnte aber die ihm zugetragene Schweizer Staatsbürgerschaft mit einem „maybe later“ (noch) ab. Der damals gerade 24-jährige frisch gebackene Super Bowl Champion präsentierte sich schüchtern, sprach den Herrn Papa mit Sir an und Mutter (Mam‘) Roethlisberger erklärte Benjamin noch, sich ja nicht mehr vom Buffet zu nehmen, als er dann auch essen kann. Der brave Bub gehorchte noch. Danach lief dann ja – siehe oben – einiges aus dem Lot.

Ansonsten fällt der „Steel Curtain“ mehr durch Härte am Spielfeld auf. Manchmal auch überhart, meint hier die NFL. Linebacker James Harrison fasste heuer in Summe 100.000 US-Dollar an Strafen für Grenzwertigkeiten aus. Dafür mussten sich beide (Harrison wie auch die NFL) viel Kritik gefallen lassen.

Die Steelers sind aber auch im positiven Sinne Sinnbild des gepflegten Defensivfootballs.

Zumindest die meiste Zeit. In der zweiten Hälfte des AFC Championship Games gegen die New York Jets bröckelte diese Mauer jedoch verdächtig. Die New Yorker lagen eigentlich schon hoffnungslos mit 0:24 aus ihrer Sicht zurück, kamen mit dem Lauf in der ersten Halbzeit gar nur auf einen einzigen Yard (!) Raumgewinn, wachten danach aber umso gewaltiger auf. 19 unbeantwortete Punkte sicherten den Steelers zwar noch knapp den Einzug in das Endspiel, mit viel Ruhm bekleckerte sich aber keine Steelers Unit in der zweiten Hälfte mehr. Ob das gegen New England gereicht hätte? Man könnte es bezweifeln, wären die nicht zuvor schon großartig an den Jets gescheitert.

Kommen wir zum zweiten Super Bowl-Teilnehmer in dieser Tradition des Gewinnens.

Die Green Bay Packers sind ein Sonderfall unter allen Sonderfällen. Sie sind Allgemeingut und Allgemeinwissen in den USA. Football wurde in Green Bay erfunden. Auch wenn das nicht der Wahrheit entspricht, glaubt das in den USA trotzdem jedes zweite Kind zu wissen. Nach ihrem legendären Trainer Vince Lombardi (1913-1970) ist die Super Bowl Trophäe benannt. Ihr Namensgeber, die „Indian Packing Company“, stieg zwar 1919 (nach nur einer Saison!) als Sponsor aus, bis heute behielten sie den Namen der Firma jedoch bei. Daran wird sich in den nächsten 100 Jahren wohl auch nichts mehr ändern.

Das Team gehört der Green Bay Packers Inc. und damit quasi den Einwohnern der Kleinstadt Green Bay (101.000) in Wisconsin, am Südufer eines Seitenarms des Lake Michigan gelegen. Die Packers sind die letzten Überlebenden einer alten Franchise-Generation, als noch außerhalb von Großstädten und Ballungszentren Profi-Football bestehen konnte.

Sie blicken auf bisher zwölf Titelgewinne zurück, wobei sich diese in neun (alte) NFL-Titel und drei Super Bowl-Titel aufgliedern. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Green Bay zuletzt im Jahr 1996 ganz oben stand. Damals verteilte ein gewisser Brett Favre noch die Bälle für die Packers. Seither spielte man zwar mit (sieben Playoff Teilnahmen in den letzten zehn Jahren), mehr aber nicht. Die Super Bowl erreichte man 1997 ein viertes Mal, da war aber dann schon ein gewisser John Elway da, der die Trophäe in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit den Denver Broncos gewann.

Premieren Paarung

Bei aller Tradition gibt es – neben der Absenz von Cheerleadern – noch etwas ganz Neues. Die Paarung Steelers-Packers in einer Super Bowl, die ist ebenso eine Premiere. Und nicht wenige Fans freuen sich auf diese Erstaufführung.

Im NFC Championship Game trafen die Packers als leichte Favoriten auf Chicago und Chicago traf in diesem Spiel einmal mehr sein neues Selbst. Quarterback Jay Cutler hatte nach sechs kompletten Pässen (von vierzehn) für 80 Yards und eine Interception genug, bzw. fiel mit einer Knieverletzung aus. Die Rede war nach einer Untersuchung zunächst von einer Überdehnung (Bears Head Coach Lovie Smith), nach Kritik „erhöhte“ Chicago auf einen Bänderriss. Übrig blieben süffisante Kommentare vieler Experten, darunter auch eine erkleckliche Anzahl ehemaliger Spieler, die Cutler nun vorwerfen, sein Team in einem wichtigen Moment im Stich gelassen zu haben . Die Weichei-Rufe schallten als Zugabe, die Profistalker vonTMZ stellten ihn als „pumperlgesund“ dar. Unschön allemal.

Partytime in ganz Österreich

Auf eine gewisse Tradition können auch Super Bowl-Partys in Österreich bereits zurück blicken. Die Vikings Vienna begannen mit Veranstaltungen zum Ereignis schon zu einer Zeit, als der Verein noch mit seinen Spielern und deren Verwandten im Hinterzimmer eines Wirtshauses auf ein paar  zusammengerückten Tischen Platz nahm. Das ist schon lange her. Mittlerweile ist seit einigen Jahren das Hotel Marriott die ausgesuchte Location für die Football Nachtschwärmer Wiens in der ersten Sonntagnacht des Februars. Der Aufwand wird Jahr für Jahr größer (heuer erstmals auf HD XXL screens), gleichermaßen wächst die Zahl der Besucher und VIPs stetig an. 4.000 könnten es heuer in Summe werden. Neben lokalen Promis und dem US-Botschafter Eacho haben sich die Überlebenden der Rock Kapelle „Thin Lizzy“ u.a. als Ehrengäste angesagt.

Die zweite große Fest steigt in Innsbruck. Die Raiders Tirol sind nicht nur Publikumsmagneten was ihre Spiele am Tivoli betrifft, auch ihre Super Bowl-Party erfreut sich eines ansehnlichen Wachstums. Heuer feiert man erstmals im Innsbrucker Hotel „Grauer Bär“, wo man 900 Gäste erwartet. Teilzeit-Tiroler Bode Miller wird samt dem US-Ski Team dort anzutreffen sein, ob der  ebenfalls angekündigte Manuel Osborne-Paradis (CAN) nach seiner Knieverletzung in Chamonix mitfeiern wird, das ist derzeit noch fraglich.

Neben diesen „main events“ steigen dutzende kleinere Partys vom Neusiedler- bis zum Bodensee. Faktisch jeder in Österreich aktive Footballverein veranstaltet seine eigene Feier, aber auch Fanclubs treffen sich in kleineren Stübchen bis größeren Sälen. Von „konspirativen“ Runden, zu denen nur Insider über versteckte facebook Events mit Einladung Zutritt erlangen, bis hin zum feuchtfröhlichen Fest für den „einmal im Jahr ist mein Footballtag“ Verbraucher ist für jeden etwas dabei.

Dabei spielt für die heimischen Klubs als Veranstalter nicht nur der kurzfristige wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Für manche ist die Super Bowl (Party) natürlich eine willkommene Gelegenheit zusätzlich Einnahmen für die oft schmale Vereinskasse zu lukrieren. Aber nicht nur das. Umfragen unter den Besuchern in den letzten Jahren haben ergeben, dass eine Mehrheit der Gäste ausschließlich an dem Tag dabei ist, sie also den Sport und den Event zwar punktuell genießen, ansonsten aber wenig bis gar nicht damit in Berührung kommen. Die Klubs versuchen, sich dieses Potential zu Nutze zu machen. Im März beginnt die Saison in Österreich, heuer mit einer Weltmeisterschaft im Juli als Höhepunkt (neben Österreich mit den USA, Kanada, Mexiko, Deutschland, Frankreich, Australien und dem Sieger der Quali aus Japan – Korea) und es gilt möglichst viele dieser „Gelegenheitsgäste“ zu Stammgästen umzupolen. So gesehen hat dieses Fest eine enorme Bedeutung für die Vereine in Österreich und auch den Verband AFBÖ bekommen.

PULS 4 in Arlington und im Marriott

Die Super Bowl XLV wird in den USA von FOX übertragen. In Österreich kann man das Finale im Pay-TV über ESPN America (leider ohne Originalkommentar, wie es scheint, den kostenpflichtigen Live Stream der NFL (Game Pass) oder im Free-TV auf ARD oder PULS 4 sehen. Auch hier ist die Auswahl weit größer als noch vor einigen Jahren.

Phillip Hajszan ist „unser“ Mann vor Ort in Texas. Er ist für PULS 4 bereits die ganze Woche Texas. Am Tag selbst wird Christian Nehiba eine dreiköpfige Expertenrunde live und direkt bei der Vikings-Party im Marriott begrüßen. Die Kommentatoren des Spiels – Verbandspräsident Michael Eschlböck und meine Wenigkeit – sitzen im PULS 4 Studio im Wiener MQ. Ein technischer Aufwand, den es in der Form in Österreich auch noch nie gab. Drei Crews werden insgesamt sieben Personen on air bringen. Die Übertragung beginnt um 23:15, Kickoff ist um 00:30.

Was wäre eine Super Bowl ohne Promi-Tipps?

Okay, immer noch die Super Bowl, die laut Duden eigentlich der Super Bowl ist, hierzulande sich aber die weibliche Form etabliert hat. Frage an die Leser: Wissen Sie warum das so ist?

Beachten Sie vor allem den ausgeklügelten Tipp von Christopher Ryan, der in der Disziplin Vorhersagen die Fußstapfen von Hanno Settele noch vergrößern will. Von dem bekam ich heuer keinen Tipp mehr, nachdem er das Ergebnis vom letzten Jahr auf Football-Austria exakt vorhersagte.

Ich verabschiede mich an der Stelle schon bis hoffentlich Sonntag, wir lesen einander wieder Mitte Februar. (WAR/DerStandard)

Einige exquisite Super Bowl Tipps:

William C. Eacho III, US Botschafter in Wien (GB)
Ich glaube, dass Green Bay einen Vorteil hat. Der Sieger nimmt die Lombardi-Trophy mit nach Hause, benannt zu Ehren des legendären Green Bay Trainers Vince Lombardi. Zwei ausgezeichnete Teams treffen aufeinander, aber das gibt den Packers einen emotionalen Vorteil, eine Extraportion Verlangen danach, die Trophäe mit dem Namen ihres Ex-Trainers nach Green Bay zu bringen. Bei einem anderen Gegner hätte ich eigentlich auf die Steelers getippt, weil sie ein tolles Team und einen starken Quarterback haben.

Elisabeth Swarovski, Präsidentin Swarco Raiders Tirol (PIT)
Ich gehe von einem Sieg der Pittsburgh Steelers aus. Gründe hierfür sind die bärenstarke Defense, die Unberechenbarkeit des Teams generell, ein wiedererstarkter Quarterback Ben Roethlisberger, dessen Formkurve nach oben zeigt, sowie ein starkes Laufspiel über Rashard Mendenhall.

Christopher D. Ryan, Servus TV (GB)
Green Bay 37 Pittsburgh 35 nach Verlängerung. Entscheidung durch einen Safety in der Overtime, den B.J. Raji herbeiführt, nachdem beim Handoff bei Pittsburgh etwas schief gegangen ist. Das ist doch eine präzise Ansage, oder? Man stelle sich vor, ich behalte damit Recht…

Hans Krankl, Goleador & Jets Fan (PIT)
Ich setze auf die Steelers, weil sie mit Roethlisberger den für mich besseren Quarterback haben. Mir gefällt die Spielweise von Pittsburgh auch einfach besser als jene von Green Bay

Daniel Dieplinger, General Manager Swarco Raiders Tirol (GB)
Green Bay. Sie haben weniger Druck als die Steelers, weil sie der leichte Underdog sind. Sie spielen jung, unbekümmert und sehr effektiv. Ich glaube, dass Quarterback Rodgers ein wesentlicher Faktor für Ausgang der Super Bowl sein wird. Wenn er mit seinen Lauffähigkeiten genug Druck auf die Steelers Defense ausüben kann, dass dadurch die Passverteidigung geschwächt ist, wird das für dieses Spiel entscheidend sein.

Karl Wurm, Präsident der Raiffeisen Vikings (PIT)
Pittsburgh – weil ich ein Fan von Troy Polamalu bin und Ben Roethlisberger der bessere Spielmacher in der Partie sein wird.

P.S.

Quasi nach Redaktionsschluss erreichte mich doch noch ein E-Mail aus Washington.

Hanno Settele, Fantasy Football Großmeister & ORF Korrespondent sagt:
Güldene Buben 27  —  Blecherne Fadgassäcke 17.

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