Ihnen sind sie vielleicht auch schon einmal begegnet. Mitglieder der ‚hardcore-back-to-the-roots-nieder-mit-der-bösen-Vermarktung‘-Fanftraktion. Quasi die bodenständigen Ursprung-Buam & Madln des Eierlaberls, die einem bei jeder Gelegenheit (bisweilen auch völlig ungefragt) um die Ohren reiben müssen, dass die NFL nicht mehr als ein billiger, bzw. für den Zuschauer teurer Abklatsch dessen ist, was man in den USA tatsächlich unter American Football verstehen würde. College Football sei die Krönung, die einzig wahre Königsklasse, das Konzentrat, aus dem die Kommerzbrüder der NFL ihre Millionen Dollar schweren Aufgüsse fabrizieren.

Das höchste der Gefühle beim College Football ist die Rose Bowl, auch genannt ‚The Granddaddy Of Them All‘. Warum es gerade diese ist und nicht eine von den Dutzenden anderen Bowls – das steht, wie so vieles beim College Football, in den Sternen. Es lässt sich schließlich auch nicht ganz logisch erklären, wer, wann und warum in welcher Bowl spielt. Der designierte Präsident Barack Obama will das übrigens ändern und ein verständliches System, mit einem Playoff, etablieren. Er stieß mit der Idee auf Freunde wie gleichwohl auf Feinde. Der geneigte College-Fan mag es nicht so gerne hören, aber der Kommerz hat auch hier schon längst Einzug gehalten. Die Veranstalter würden ihre Bowls gerne selbst mit Teams (local heroes) bestücken, ebenso haben Medien ein veritables Interesse an ganz bestimmten Paarungen. Die Akteure am Feld dürfen offiziell nichts verdienen, rundherum wird aber kräftig abgesahnt. Das System kommt ihnen bekannt vor? Die AFL in Österreich funktioniert ähnlich, wenn auch in weit kleineren Dimensionen. Obama ist nur keiner in Sicht.

Blumenschau
Zurück zur besagten Bowl in Pasadena. Zunächst war ‚The Tournament Of The Roses‘ ja bloß ein Blumenumzug. Man feierte damit den milden Winter in Südkalifornien. Wichtiger Hinweis: Bitte niemals Kalifornien zu Südkalifornien sagen, wenn Südkalifornier anwesend sind – diese könnten ausrasten. Erst ein paar Jahre später kam man auf die Idee, sozusagen als Draufgabe, ein College-Footballspiel zu organisieren. Das war 1902. Seither fand die Rose Bowl im Rahmen der Tour ganze 95 Mal statt. Für US-Amerikanische Verhältnisse eine halbe Ewigkeit. Es ranken sich unzählige Geschichten und Mythen um die Bowl. Alles nachzulesen auf der sehr ausführlichen Webseite Tournament Of Roses.

Double Fun – Half the price?
Was ist nun wirklich dran daran, dass College Football viel attraktiver als die NFL sei? Nun, doch einiges.

Die Atmosphäre
Viel unterschiedlicher könnten Stimmungen nicht sein. Die NFL ist eine kalte Mama. Man merkt in jeder Sekunde, dass sie nur dazu da ist, um dein Geld zu fressen. Sie ist zudem, wie Kollege Christopher Houben treffend formulierte, leicht Alkoholschwanger. Nicht, dass bei der Rose Bowl nichts getrunken wird, aber bei der NFL wird halt(los) gesoffen. Das hört man am Ton.

Geht man bei einem NFL-Spiel auf einen Getränkestand zu, hört man genau das: ‚Hi, Your ID please, eight bucks, thanks‘. Bei der Rose Bowl hört sich das so an: ‚Hello my friend, what a beautiful day today! Eight Dollars, where are you from? Enjoy the game, happy new year.‘ Das mag sich profan anhören (beide wollen am Ende acht Kröten), aber sie kommen alle authentisch rüber. Was daran liegt, dass bei der NFL Studenten von Budweiser/Miller/Coors auf diese drei Sager minimiert trainiert werden, bei der Rose Bowl hunderte Freiwillige aus der Gegend um Pasadena am Gameday arbeiten, die vor allem einen schönen Tag erleben und bereiten wollen. Teures Familienfest vs. Glasklare Abzocke.

Die Spieler
NFL-Spieler sind Superstars. Unnahbar, nicht besonders kontaktfreudig, rein ins und raus aus dem Stadion. College-Spieler sind ebenfalls Superstars, aber auch (noch) die Jungs aus der Nachbarschaft. Man spürt, sieht und hört es ja auch, dass sehr viele Zuschauer mit den Spielern persönlich bekannt sind. Diese gehen auch auf das Publikum zu.

Das Wetter
Nun, das ist nicht ganz fair, gibt es natürlich auch schlechtes Wetter bei College Spielen. Aber während die Hochburgen der NFL im (oft kalten) Norden der Staaten zu finden sind, sind die Top Colleges mehrheitlich im Süden zu Hause.

Video: Wetterbericht & USC Marching Band

Die Gameday-Organisation
Während es der NFL weitgehend egal ist, wie man zu den Stadien hin und von diesen wieder weg kommt, ebenso es keinen kümmert, was man vor und während des Spiels machen könnte, ist bei der Rose Bowl die Anfahrt mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmittel perfekt organisiert, wobei das Parken auf dem Golfplatz auch seine Tücken hat (Autosuche). Die Veranstaltung beginnt nicht erst mit dem Kickoff (wie bei der NFL), sondern Stunden vorher. Tailgating ist Teil des Events, ebenso riesige Marching Bands, die auch im Stadion auf die Tuba drücken.

Video: Pre Game Show

Gemeinsamkeiten
Der Gegner ist der Feind. Und es gibt Erzfeinde. Es gibt keine auffälligen Verbrüderungen unter Fangruppen (das ist ein reines Ö-Phänomen und in den USA völlig unvorstellbar). Das gegnerische Team wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausgebuht und ausgepfiffen. Auch beim Einlauf. Wenn man ein Fan von USC ist, dann ’suckt‘ alles was nicht USC ist, ganz speziell ’suckt‘ UCLA. ‚UCLA sucks big time. They are huge suckers!‘ Merken Sie sich das, wenn sie zu einem USC-Spiel gehen! Natürlich ’suckt‘ auch Penn State und Michigan und Oklahoma und Alabama und Illinois, aber UCLA suckt mehr als die anderen. Sie sind ganz spezielle ’sucker‘ Alles klar? Das hat Tradition. Wer auf die Universität Kalifornien in Los Angeles geht, mit dem kann was nicht ganz stimmen. Ganz sicher sehen das Anhänger von UCLA genau so mit USC.

Ähnlich unharmonisch, dafür ganz klar geregelt, ist das Verhältnis zwischen Texas (Longhorns) und Texas A&M. Burgunder und burnt orange zusammen geht nun halt gar nicht! Die Langhörner skandieren: ‚Hook ‚Em Horns!‘ (Nehmt sie auf die Hörner!), A&M-Fans meinen dazu: ‚Saw ‚Em Off!‘ (Sägt sie ab!). Die Longhorns sehen sich gegenüber den Damen und Herren von A&M auch gerne intellektuell im Vorteil, da A&M nicht von Admnistration & Managment, sondern von Agricultural & Mechanical kommt und man weist auch sehr gerne darauf hin, dass es sich beim Gegner um Bauern und Mechaniker handelt. Das macht man allerdings als Kuh. Das hat doch was…

Es finden, wie man sich gut vorstellen kann, nur selten gemeinsame Grillpartys statt.

Derartige Rivalitäten findet man im ganzen Land und sind jene zwischen bestimmten NFL-Teams (Beispiele: Washington-Dallas, Green Bay-Chicago) sehr ähnlich.

Nicht vergessen darf man auch, dass die netten Jungs von nebenan heute, die NFL-Spieler von morgen sind. Die Protagonisten des College Footballs als die ‚good guys‘ haben also ein Ablaufdatum als solche. Danach ’sucken‘ sie auch ein bisschen.

Alles in allem ist College Football einfach sympathischer, freundlicher und macht deutlich mehr Spaß als die NFL. Würde ich in den USA leben, dann wäre die NFL für mich ein reines TV-Event und College das Live-Programm. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund, 150 US-Dollar für ein NFL-Spiel auszugeben, wenn man zu Hause nicht nur die besser Sicht, sondern auch die bessere Stimmung und das weitaus billigere, aber dafür stärkere Bier hat. Bei College-Spielen, zumindest bei der Rose Bowl, ist die Stimmung im Stadion kaum wiederzugeben. Sie packt einem und lässt nicht mehr los. Wenn 40.000 Leute von gegenüber ‚Penn State‘ brüllen, dazu der eigene Sektor in den Offbeat-Pausen ’sucks‘ ruft, dann ist das allemal lustiger (Penn State sucks – HAHAHA!) als der lahme Arm des alten Favre.

One more year!
Ahja, das Spiel! Das gab es ja auch noch und das war alles andere als übel. Die USC Trojans gewannen nach einer Glanzleistung (MVP) ihres Quarterbacks Mark Sanchez (414 passing yards und vier Touchdows) die Rose Bowl mit 38:24 zum dritten Mal in Folge. In den Jahren zuvor nahm man sich Illinois (49:17) und Michigan (32:18) zur Brust. ‚One more year‘ riefen die Trojans-Fans nach der Partie, denn 2009 wird mit der Rose Bowl, die USC zum ersten Mal 1923 und 2009 zum 24. Mal gewinnen konnte, auch die National Championship ausgespielt. 1923 war auch das erste Spiel welches im Rose Bowl Stadium stattfand. Der Gegner hieß damals ebenfalls Penn State.

Das letzte Wort wurde aber in Richtung Erzfeind gesprochen. Die Tubas der Marching Band bliesen zum Angriff: ‚UCLA sucks‘ What else!

Video: Das Spiel


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Fotogalerie:

Die 95 Rose Bowls so far:

2009 USC 38 Penn State 24
2008 USC 49 Illinois 17
2007 USC 32 Michigan 18
2006 Texas 41 USC 38
2005 Texas 38 Michigan 37
2004 USC 28 Michigan 14
2003 Oklahoma 34 Washington State 14
2002 Miami 37 Nebraska 14
2001 Washington 34 Purdue 24
2000 Wisconsin 17 Stanford 9
1999 Wisconsin 38 UCLA 31
1998 Michigan 21 Washington State 16
1997 Ohio State 20 Arizona State 17
1996 USC 41 Northwestern 32
1995 Penn State 38 Oregon 20
1994 Wisconsin 21 UCLA 16
1993 Michigan 38 Washington 31
1992 Washington 34 Michigan 14
1991 Washington 46 Iowa 34
1990 USC 17 Michigan 10
1989 Michigan 22 USC 14
1988 Michigan State 20 USC 17
1987 Arizona State 22 Michigan 15
1986 UCLA 45 Iowa 28
1985 USC 20 Ohio State 17
1984 UCLA 45 Illinois 9
1983 UCLA 24 Michigan 14
1982 Washington 28 Iowa 0
1981 Michigan 23 Washington 6
1980 USC 17 Ohio State 16
1979 USC 17 Michigan 10
1978 Washington 27 Michigan 20
1977 USC 14 Michigan 6
1976 UCLA 23 Ohio State 10
1975 USC 18 Ohio State 17
1974 Ohio State 42 USC 21
1973 USC 42 Ohio State 17
1972 Stanford 13 Michigan 12
1971 Stanford 27 Ohio State 17
1970 USC 10 Michigan 3
1969 Ohio State 27 USC 16
1968 USC 14 Indiana 3
1967 Purdue 14 USC 13
1966 UCLA 14 Michigan State 12
1965 Michigan 34 Oregon State 7
1964 Illinois 17 Washington 7
1963 USC 42 Wisconsin 37
1962 Minnesota 21 UCLA 3
1961 Washington 17 Minnesota 7
1960 Washington 44 Wisconsin 8
1959 Iowa 38 California 12
1958 Ohio State 10 Oregon 7
1957 Iowa 35 Oregon State 19
1956 Michigan State 17 UCLA 14
1955 Ohio State 20 USC 7
1954 Michigan State 28 UCLA 20
1953 USC 7 Wisconsin 0
1952 Illinois 40 Stanford 7
1951 Michigan 14 California 6
1950 Ohio State 17 California 14
1949 Northwestern 20 California 14
1948 Michigan 49 USC 0
1947 Illinois 45 UCLA 14
1946 Alabama 34 USC 14
1945 USC 25 Tennessee 0
1944 USC 29 Washington 0
1943 Georgia 9 UCLA 0
1942 Oregon State 20 Duke 16
1941 Stanford 21 Nebraska 13
1940 USC 14 Tennessee 0
1939 USC 7 Duke 3
1938 California 13 Alabama 0
1937 Pittsburgh 21 Washington 0
1936 Stanford 7 SMU 0
1935 Alabama 29 Stanford 13
1934 Columbia 7 Stanford 0
1933 USC 35 Pittsburgh 0
1932 USC 21 Tulane 12
1931 Alabama 24 Washington State 0
1930 USC 47 Pittsburgh 14
1929 Georgia Tech 8 California 7
1928 Stanford 7 Pittsburgh 6
1927 Stanford 7 Alabama 7
1926 Alabama 20 Washington 19
1925 Notre Dame 27 Stanford 10
1924 Washington 14 Navy 14
1923 USC 14 Penn State 3
1922 California 0 Washington & Jefferson 0
1921 California 28 Ohio State 0
1920 Harvard 7 Oregon 6
1919 Great Lakes – US Navy 17 Mare Island 0
1918 Mare Island/USMC 19 Camp Lewis/US Army 7
1917 Oregon 14 Pennsylvania 0
1916 Washington State 14 Brown 0
1902 Michigan 49 Stanford 0

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