Nun ist es Walter H. Reiterer gelungen den gebürtigen Oberösterreicher in einem Vorort von San Francisco ausfindig zu machen. Wersching über Österreich, Toni Fritsch, Joe Montana und Fußball.

Mit Raimund ‚Ray‘ Wersching als Journalist persönlich in Kontakt zu treten ist momentan so gut wie unmöglich. Seine ehemalige Versicherungsfirma ist in einen veritablen Finanzskandal verwickelt, er will daher nicht mit der Presse sprechen und läßt sich von seiner Anwältin abschirmen. Das Verfahren ist am Laufen.

So war auch für mich, der über ehemalige Geschäftskollegen Werschings langsam auf seine Spur kam, bei seiner Anwältin Judith Johnson vorerst mal Endstation. Die Dame war sehr freundlich, blieb aber unverbindlich. Man werde ihm ausrichten, dass ich ihn sprechen will. Wochen später richtete man mir aus, dass man ihm Bescheid gegeben habe und ich ihr (der Anwältin) schreiben solle was ich wissen will. Ich tat das auf Deutsch, um damit die Chancen zu erhöhen, dass er es tatsächlich lesen wird. Es vergingen wieder einige Wochen bis zum ersten persönlichen Kontakt. Es dauerte dann noch einige Zeit zu erklären wer ich bin und was ich will. Schlußendlich willigte Wersching zu einem Interview ein, mit dem Hinweis, dass er das ansonsten momentan gar nicht so gern machen würde, aber ein Footballmagazin in Österreich – das interessiere ihn doch.

Die erste Überraschung. Wersching hat gelesen was ich schrieb, es aber kaum verstanden.

Ray Wersching: Mein Deutsch ist mittlerweile so schlecht, dass ich nur schwer herausfinden konnte was in deinem Schreiben stand. Ich habe es dann aber doch dechiffriert und mich danach dazu entschlossen dir Rede und Antwort zu stehen. Ihr spielt Football in Österreich, wie ich jetzt weiß…

Walter H. Reiterer: Ja, das nicht mal so schlecht. Unsere Teams haben zuletzt die Euro Bowl und den Cup gewonnen. Allerdings ist der Sport in Europa bei weitem nicht auf NFL-Level. Unsere Top-Teams spielen manchmal gegen College-Teams aus den USA. Das geht einmal gut, einmal weniger gut aus.

Gibt es auch ein Team in Mondsee oder in Salzburg?

Mondsee negativ, aber in Salzburg Stadt gibt es die Bulls. In Oberösterreich gibt es die Rams und die Steelsharks.

Die St. Louis Rams sind jetzt Oberösterreicher…

Das sind die aus Gmunden, nicht aus St. Louis.

Schon klar. St. Gmunden Rams!

Ich hätte ein paar Fragen an dich.

Leg los.

Alle was ich von dir weiß: Du bist in Mondsee geboren, hast die Super Bowl zwei Mal gewonnen und lebst in den USA. Mir fehlen viele Grundinformationen. Erzähl mir etwas über deine Wurzeln bitte.

Ich kam 1950 in einem Flüchtlingslager in Mondsee zur Welt. Als ich zwei Jahre alt war verließ die ganze Familie – Mutter, Vater, zwei Brüder, eine Schwester und ich – Österreich Richtung USA. Da ich Mondsee so früh verlassen habe, bestehen keine Erinnerungen mehr an diese Zeit bei mir. Ich habe heute selbst eine wundervolle Familie – meine Frau Chrissy, meine Tochter Sydney (19), mein Sohn Rhiney (15) und wir leben in der San Francisco Bay Area.

Gibt es noch Verbindungen nach Österreich?

Ich habe keine Verwandten mehr in Österreich, wobei mein Vater hat noch immer Freunde dort, soweit ich weiß. Ich war zuletzt 1984, im Rahmen einer USO-Tour bei euch. Ein meet and greet mit US-Truppen in Europa. Allerdings haben wir gemeinsam vor, Österreich, speziell Salzburg und Mondsee, zu besuchen.

Du bist also ein echter US-Amerikaner?

Ich bin ein eingebürgerter US-Amerikaner, geboren in Österreich. Ich fühle mich auch als Amerikaner, kenne aber meine Wurzeln und ursprüngliche Herkunft.

Wenn ich also behaupten würde, dass ein gebürtiger Österreicher zwei Mal die Super Bowl gewonnen hat…

…dann bin das ich. Das kann man so sagen. Es ist ja nicht so, dass wir nach der Eiwanderung komplett vergessen hätten wer wir sind. Die Sprache war immer präsent, ich spielte mit meinem Vater und meinen Brüdern Fußball und nicht Football – wir sind Amerikaner aus Austria.

Du kommst also ursprünglich vom Fußball?

Ja, meine Brüder, mein Vater und ich spielten alle in US-Ligen. Ich mache heute noch gern ein Kickerl mit Freunden. Ich kam eigentlich wegen des Fußballs erst zum Football und in die NFL, da ich als Junge so gut kicken konnte, dass ich später genau deswegen ein Stipendium an der Universität von Kalifornien in Berkeley bekam, wo ich 1972 mein Studium erfolgreich abschloß. Danach hatte ich das Glück bei einem Tryout der San Diego Chargers ins Team geholt worden zu sein, in jenem ich bis 76 auch spielte. Nach meinem Wechsel zu den 49ers klappte mal wenig, erst als Bill Walsh ankam, machte er aus uns ein Champion-Team.

Darüber mag ich viel mehr wissen…

Denke ich mir. Also meine Jahre bei den 49ers waren fanatastisch. Wir waren nicht nur ein Team, sondern eine Familie. Als Spieler Brüder, gingen wir auch untereinander wie Verwandte um. Die Chemie war einzigartig, ich denke so etwas findet man nur ganz selten in einer Mannschaft. Ich glaue, dass dahinter der Teambesitzer Eddie DeBartolo und Coach Bill Walsh steckten. Die wollten nicht bloß eine Mannschaft ins Stadion einlaufen sehen, sondern eine eingeschworene Truppe, wo jeder für jeden kämpft. Das war die Grundlage unseres damaligen Erfolgs, davon bin ich überzeugt. Durch die starke emotionale Beziehung bestehen die Bande untereinander immer noch. Wir treffen uns heute noch regelmäßig, machen auch immer wieder Charity-Veranstaltungen.

Joe Montana war dein Holder…

Exakt – und was für einer noch dazu. Joe Montana war ein großartiger Holder! Ich hatte totales Vertrauen. Ganz sicher wurde meine Performance durch ihn noch besser.

Es gab da einen „echten“ Österreicher in der NFL…

Ja klar, Toni. Toni Fritsch und ich waren Teamkameraden bei den San Diego Chargers. Wir kämpften beide um den Job als Kicker. Ich verletzte mich und Toni ersetzte mich, dann hat sich er weh getan und ich war wieder an der Reihe. Wenn man so will, kämpften also ein echter und ein gebürtiger Österreicher zur gleichen Zeit bei einem NFL-Team um die Position des Kickers.

Du trägst zwei Super Bowl-Ringe. Öffnen diese Türen?

Sie öffnen nicht notwendiger Weise Türen, aber sie erwecken natürlich Interesse am Träger – es ist eine großartiges Thema um mit jemanden ins Gespräch zu kommen.

Eigentlich könntest du heute ja vier Ringe tragen, hättest du deine Karriere 1988 nicht beendet.

Ich hab meine Karriere nicht beendet! Ich wurde 1988 mit 38 Jahren entlassen, kurz bevor die 49ers wieder zurück an die Spitze kamen. Ja, ich wünschte mir ich hätte vier, aber ich bin mehr als nur dankbar zwei Ringe mein Eigen nennen zu dürfen.

Fühltest du dich leer nach deiner Karriere?

Absolut. Ich fühlte mich sehr leer. Was du am meisten vermisst sind eine Teamkameraden. Das war so eine tolle Gemeinschaft und dir gehen dann die täglichen Geschichten, der Meinungsaustausch, ja ein wichtiger Teil dein bisherigen Lebens ab. Das war schon hart und hat sich erst im Laufe der Zeit wieder normalisiert. Ich hab mir neue Aufgaben gesucht, konnte auch mehr Zeit in meine Versicherungsagentur investieren, die ich noch als Spieler gegründet habe. Heute arbeite ich für einen Wirtschaftsprüfer in San Francisco.

Deine ehemalige Versicherungsfirma ist derzeit in Schwierigkeiten.

Es tut mir leid, aber es ist mir derzeit unmöglich dazu etwas zu sagen.

Als man dich hier bei uns „entdeckt“ hat, waren viele überrascht und erfreut über einen Mondseer mit Ring. Jetzt kennen dich auch in Österreich einige Fans.

Ich liebe die Footballfans in Österreich, obwohl oder gerade eben weil ich bis vor kurzem gar nicht wusste, dass es sie gibt. Deshalb habe ich mich auch gemeldet. Als ich las Football und Österreich, dachte ich zunächst das ist ein Scherz. Mich freut das ungemein, dass der Sport auch dort populär ist wo ich geboren wurde.

2007 finden in Österreich Europameisterschaft statt. Brauchst du Karten für das Finale?

Ich möchte und werde mit meiner Familie Österreich besuchen und ganz sicher werden wir uns bei der Gelegenheit auch Spiele anschauen. Heuer wird sich das nicht mehr ausgehen, daher möchte ich die Gelegenheit benutzen die Footballfans in Österreich herzlich zu grüßen!

Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Glück dir und deiner Familie.

Ich danke für das Interesse und ich hoffe wir treffen uns eines Tages in Österreich.

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