Kennen Sie vielleicht den selbstständigen Versicherungskaufmann Raimund Wersching aus Mondsee? Nein? Sie fragen sich gerade wozu? Dann werden Sie jetzt eine Überraschung erleben. Walter Reiterer über die ÖSI-NFL.

Wenn von Österreichern in der NFL die Rede ist, fallen in der Regel zwei Namen. Der erste ist für Footballfans beinahe schon ein patriotischer Reflex –Toni Fritsch.

Ich hatte die Ehre und das Vergnügen „den Toni“ zwei Tage vor seinem plötzlichen Ableben kennenzulernen und ein Interview, soweit bekannt auch das Letzte in seinem Leben, zu führen. Ein gemütlicher Herr mit 60, ein lebenserfahrener, jovialer & kosmopolitischer Wiener; mit einem Charisma ausgestattet, angesiedelt zwischen dem Dalai Lama und Otti Schenk. Für einen „jungan Spund“ der ja noch „gaunz grea hinta die Ohrn is“, als solcher identifizierte mich Fritsch damals, ein Erlebnis verbunden mit großen Augen bei weit geöffnetem Mund. Roethlisberger verhielt sich für mich danach zu Fritsch wie Mozart zu Justin Timberlake.

Über Toni Fritsch viele Worte zu verlieren ist eigentlich ein klassisches Athener Eulentragen. Ich tue es, alleine um vollständig zu rekapitulieren.

Anton Fritsch (K)

Der am 10. Juli 1945 in Petronell-Carnuntum zur Welt gekommene Fritsch spielte ab 1957 Fußball beim SK Rapid, für dessen Kampfmannschaft er von 1964-1971 123 Spiele absolvierte und 64, 67 & 68 Meister, so wie 68 & 69 Cupsieger wurde. Es war aber der 20. Oktober 1965 der Fritsch zum ersten Mal berühmt machen sollte. Bei seinem ersten Einsatz im Österreichischen Nationalteam schoß der damals 20-Jährige zwei Tore beim 3:2 Sieg gegen England im Wembley Stadion. Von diesem Tag an nannte man ihn nur mehr „Wembley-Toni“.

1971 besuchte der Dallas Cowboys Coach Tom Landry Europa. In sich trug er die Idee spazieren für sein Footballteam einen Kicker aus dem Lager der europäischen Fußballer zu holen. Er engagierte den 26-jährigen Fritsch vom Fleck weg, ein Jahr später, 1972, holte der Ex-Rapidler mit Dallas die Superbowl. 76 stand er gegen die Steelers noch einmal im Endspiel. Insgesamt 14 Jahre spielte er in der NFL. 1976 wechselte er zu den San Diego Chargers (LaDanian Tomlinson war gerade minus drei Jahre alt) um 1977 nach Texas (Houston Oilers) zurückzukehren, wo er 1980 in die Pro-Bowl der NFL gewählt wurde. Fritsch starb am 13. September 2005 in Wien an Herzversagen. Er erzielte 287 Extrapunkte und 157 Fieldgoals, gesamt 758 Punkte. Bis heute gilt er als der erfolgreichste Österreicher in der NFL, was er aber tatsächlich nicht war.

Der zweite Name ist den meisten Fans dann schon weniger geläufig – Toni Linhart.

Anton Hansjörg Linhart (K)

Linhart kam am 24. Juli 1942 in Donawitz zur Welt, spielte von 1963-1969 beim Wiener Sportklub. Er absolvierte sechs Spiele für Österreichs Nationalmannschaft. 1972 holten die New Orleans Saints Linhart in die NFL. Sein Durchbruch gelang ihm aber erst bei den Baltimore Colts für die er von 74-79 spielte. Die letzten beiden Jahre seiner NFL-Karriere verbrachte er bei den New York Jets. Linhart erzielte 200 Extrapunkte und 75 Fieldgoals, gesamt 425 Punkte.

Hier endet dann meistens die Liste der Österreicher in der NFL. Diese ist nicht nur unvollständig, sondern es fehlt darauf der mit Abstand erfolgreichste Österreicher in der NFL. Ein zweifacher Superbowl-Champion und NFL Rekordhalter – Raimund „Ray“ Wersching.

Raimund Wersching (K)

Am 21. August 1950 in Mondsee geboren. Er studierte am Cerritos College (T.J. Houshmandzadeh). Nach seinem Senior-Jahr wurde er 1973 als undrafted Spieler von den San Diego Chargers unter Vertrag genommen, für die er vier Saisonen lang spielte. 1977 holten ihn die San Francisco 49ers und die nächsten elf Jahre in der NFL sollten Glänzende für den gebürtigen Oberösterreicher werden. Er gewann 1982 nicht nur die Superbowl XVI gegen die Cincinnati Bengals (26:21), sondern teilte in diesem Match auch noch den Superbowl-Rekord mit vier erzielten Fieldgoals. Superbowl-MVP wurde er trotzdem nicht, den Titel schnappte ihm sein Holder (!), Quarterback-Legende Joe Montana, weg.

Drei Jahre später, Wersching war mittlerweile 35 Jahre alt, stand er in seiner zweiten Superbowl (XIX). Gegen die Miami Dolphins erzielte er sein fünftes Fieldgoal in einem Endspiel – die 49ers gewannen souverän mit 38:16 und Wersching konnte sich seinen zweiten Ring anstecken. MVP wurde wieder Joe Montana, dem das Kunststück 1990 ein drittes Mal gelang.

Seine Karriere beendete er im Nachhinein betrachtet vielleicht zu früh. Hätte er noch um drei Jahre verlängert, so wären das die Ringe Nummer drei und vier gewesen. Aber auch so sind Werschings Statistiken beeindruckend.

Bei seinem Rücktritt 1987 hielt er nicht nur die 49ers-Rekorde für Extrapunkte und Fieldgoals, sondern stand auch an der Spitze der Gesamtpunktestatistik. Zudem erzielte in der Saison 1984 kein Spieler mehr Punkte als er. Er war der erst zwölfte NFL-Spieler mit mehr als 1000 Punkten in seiner Karriere. Insgesamt verwertete Wersching 456 Extrapunkte und 222 Fieldgoals – für einen Kicker unglaubliche 1122 Punkte! Er ist damit der mit Abstand erfolgreichste Österreicher in der NFL-Geschichte.

Berühmt war auch sein einzigartiger Kicking-Stil. Wersching durchquerte beim Anlauf das Seitenout und hob vor dem Kick nie den Kopf an. Mit den Augen am Boden fand er trotzdem stets den Ball.

Die Akte Wersching

Derzeit sieht es Berichten zufolge nicht so gut aus Wersching. Bereits während seiner Karriere gründete er eine Versicherungsgesellschaft für Bauern, von der er sich aber nach eigenen Angaben vor fünf Jahren wieder zurückzog. 2006 wurde er aber trotzdem angeklagt 8 Millionen US-Dollar veruntreut zu haben und weiterhin im Hintergrund für seine Firma tätig gewesen zu sein. Der Prozess ist noch im Gange.

Das Trio der Unbekannten

Andreas Gross (OG), geboren am 13. Oktober 1945 in Berkam, spielte 1967 und 1968 24 Partien als Offensive Guard für die New York Giants.
Milo Gwosden (HB) kam in Zagreb (CRO) zur Welt, allerdings am 20. Oktober 1898. Damals hieß die Stadt noch Agram und gehörte zu Österreich. Gwosden war 1925 für fünf Spiele lang Halfback der Buffalo Bisons.
Stefan Schimititisch (C) erblickte 14. Mai 1903 in Wien das Licht der Welt. 1926 spielte er neun Spiele für die New York Yankees als Center.
Danke an Michael Eschlböck und Michael Guttmann für die Recherchehilfe.

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