Eigentlich war ich ja dafür vorgesehen, zur heutigen Eurobowl XXI einen entsprechenden Spielbericht zu verfassen. Einzig und allein – es gab kein Spiel zu sehen, weder für mich noch für die über 6800 Zuschauer auf der Heiligen Warte zu Wien-Döbling, die für einen neuen Zuschauerrekord im österreichischen Football sorgten. Evaluierte ich während dem Spiel noch einige Möglichkeiten, wie ich meinen Spielbericht nun am besten strukturieren und aufbauen könnte, bleibt mir nach dem 70:19-Finalsieg der Dodge Vikings gegen die Marburg Mercenaries nichts anderes übrig als eine kleine Geschichte zu erzählen.

Mittlerweile ist es rund 15 Jahren her, als ich zum ersten Mal Augenzeuge eines Footballspiels wurde. Mein Vater hatte mich damals auf die Graz Giants aufmerksam gemacht, die noch heute ihre Heimspiele unweit von unserem Zuhause im ASKÖ Stadion Eggenberg austragen. Im zarten Alter von 10 Jahren durfte ich damals Augenzeuge des Schlagerspiels zwischen Giants und Salzburg Lions werden. Verstanden vom Spiel habe ich damals noch nicht besonders viel, aber eines wurde mir sehr schnell klar. Hier wurde zwar Football auf höchstem österreichischen Level gespielt – Giants und Lions waren damals mit Abstand die zwei besten Mannschaften des Landes – das Wort Eurobowl wurde aber stets nur mit höchsten Respekt in den Mund genommen. Zu weit war man leistungsmäßig von den Teams aus Italien und Deutschland entfernt, wie etwa die beiden 7:35-Klatschen der Grazer gegen die Milano Pharaones im Jahr 1992 bestätigten.

1996 machte eine weitere Auswärtsniederlage der Giants im Hamburger Volksparkstadion klar, dass der deutsche Football wohl außerhalb der Reichweite österreichischer Mannschaften liegt. Mir dem bis zum damaligen Zeitpunkt ‚besten Team der österreichischen Football-Geschichte‘ starteten die Giants zwei Jahre später einen erneuten Angriff auf die europäische Spitze. Trotz einer mit Topspielern gespickten Truppe mussten sich die Giganten um Frontman Dr. Stefan Herdey mit 41:44 gegen Braunschweig geschlagen geben. Der Kampf gegen die deutsche Vormachtstellung schien – ohne auch nur einen Teilerfolg errungen zu haben – auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verloren.

Die seit dem Thriller von Braunschweig beinage vergangenen zehn Jahre im Rückblick betrachtend, konnte ich angesichts der Ereignisse vom Sonntag kaum glauben, was sich seit der bitteren Niederlage gegen die Lions getan hatte, wie sehr sich der österreichische Football seit meinem persönlichen Erstkontakt grundlegend verändert hatte.

Österreich stellt 2007 nicht nur den vierfachen Eurobowl-Champion, die Dodge Vikings, sondern auch zum dritten Mal en suite den EFAF-Cup-Sieger, sowie den Schülereuropameister im Flagfootball. Das Nationalteam geht als klarer Favorit in die C-EM, die im August hierzulande ausgetragen wird. Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren eine Infrastruktur geschaffen wurde, die in Europa ihresgleichen sucht. So empfangen die Dodge Vikings nicht nur regelmäßig über 5000 Zuschauer auf der Hohen Warte, sondern errichten auch das modernste Football-Trainingszentrum des Kontinents, das wiederum die Grundlage für weitere Erfolge bilden wird. In Innsbruck sind die Heimspiele der Raiders seit Jahren ein Zuschauermagnet und selbst in Graz hat sich nach Jahren des Stillstands einiges bewegt.

Ohne Zweifel gibt es noch einige – zum Teil sogar sehr große – Schwächen, die es auszumerzen gilt, Fakt ist aber, dass Österreich den Europäischen Football total dominiert und auch keine Anstalten macht, diese Vormachtstellung wieder aufzugeben. Nachdem die Teambesitzer der NFL vergangenen Woche den Beschluss gefällt haben, ihr Kunstprodukt World League of American Football/NFL Europe/NFL Europa endgültig einzustampfen, bleibt mir nur festzustellen, dass das beste American Football Team auf europäischem Boden in Wien beheimatet ist. Wird das Finale um die Eurobowl zudem mit 70:13 gewonnen, erübrigt sich jede weitere Diskussion, Ausreden spielen keine Rolle.

Während sich Resteuropa schnellstens überlegen sollte, wie es den Anschluss an Österreich wieder herstellen kann (so wie sich einige Österreicher wohl vor zehn Jahren überlegt haben, wie sie die Lücke zur europäischen Spitze schließen könnten), muss sich Österreich Gedanken darüber machen, wie es die sportliche Weiterentwicklung auch in den nächsten Jahren sicherstellt. Selbst wenn Vertreter der Dodge Vikings nicht müde werden, eine Nichtteilnahme an der EFL anzudrohen, das Problem würde durch einen solchen Schritt nicht gelöst. Bessere Gegner als die gesehenen gibt es in Europa nicht. Die Braunschweig Lions gehören zwar mit Sicherheit zu den drei besten Mannschaften des Kontinents, eine Gefahr stellen sie dennoch nicht dar. Gleichzeitig sind die hohen Herren der EFAF dazu aufgefordert, endlich ihren Job zu machen und nach Jahren des Nichtstuns einen Plan zur Weiterentwicklung des europäischen Football vorzulegen.

Football mit 6800 anderen Fans auf der Hohen Warte macht Spass, aber allzu viele dieser 6800 haben wohl kein dauerhaftes Interesse, sich ein Europcup-Finale mit einem Unterschied von 51 Punkten anzutun …

Christopher Houben

Eurobowl XXI

Dodge Vikings vs. Marburg Mercenaries
70:19 (28:13, 14:06, 21:00, 07:00)
Zuschauer: 6800
(Rekord auf der Hohen Warte und im österr. Football)

1. Juli 07 | 15:00
Hohe Warte, Wien
Officials: Introini / Nogues / Fouillet / Valenta / Lamminsalo / Wickham / Loken

1. Qu.: 28:13
07:00 VIK 25yd TD-Pass Luke Atwood auf Chris Rosier
(PAT Kick Peter Kramberger)
07:03 MER 40yd FG Patrick Wolff
14:03 VIK 100yd Kickoff Return-TD Josiah Cravalho
(PAT Kick Peter Kramberger)
21:03 VIK 10yd TD-Run Clinton Graham
(PAT Kick Peter Kramberger)
21:10 MER 55yd TD-Pass Joachim Ullrich auf Markus Van Daalen
(PAT Kick Patrick Wolff)
28:10 VIK 61yd TD-Pass Luke Atwod auf Chris Rosier
(PAT Kick Peter Kramberger)
28:13 MER 44yd FG Patrick Wolff

2. Qu.: 14:06
35:13 VIK 21yd TD-Pass Luke Atwood auf Clinton Graham
(PAT Kick Peter Kramberger)
42:13 VIK 8yd TD-Pass Luke Atwood auf Chris Rosier
(PAT Kick Peter Kramberger)
42:19 MER 40yd TD-Pass Joachim Ullrich auf Marc Biedenkapp
(PAT 2-Point Conversion failed)

Halbzeit: 42:19

3. Qu.: 21:00
49:19 VIK 25yd TD-Pass Luke Atwood auf Pasha Asiladab
(PAT Kick Peter Kramberger)
56:19 VIK 76yd TD-Run Luke Atwood
(PAT Kick Peter Kramberger)
63:19 VIK 70yd Punt Return-TD Josiah Cravalho
(PAT Kick Peter Kramberger)

4. Qu.: 07:00
70:19 VIK 23yd TD-Pass Philipp Jobstmann auf Wolfgang Hable
(PAT Kick Peter Kramberger)

Endstand: 70:19

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