Unter die Freude über die sportliche Übermacht des kleinen Alpenlandes und dem Rückzug der NFL aus Europa, mischt sich hoffentlich auch ein wenig Nachdenklichkeit. Ein Kommentar von Walter H. Reiterer.

Lustige zwei Jahre waren das. Zwölf Spiele gab es zwischen Vereinen der GFL und der AFL. Neun davon gewannen heimische Vertreter. Der EFAF-Cup wurde heuer überhaupt zu auch für andere Nationen offene österreichische Meisterschaften und die Frage was Marburg in der Eurobowl tat, läßt sich mit einem kurzen Satz beantwortet: Einen schlechten Eindruck. Zumindest sportlich spielt Deutschland nicht mehr in einer Liga mit den Austro-Teams. Siege, wie zum Beispiel jener Marburgs über Österreichs neue Nummer drei aus Tirol, sind die Ausnahme einer Regel mit dem Endergebnis von 70:19 gegen die Nummer eins Eruopas, die gar nicht zwingend die Nummer eins Österreichs sein muss, wie uns die Geschichte gelehrt hat.

Aber auch darunter zogen die Österreicher den Deutschen das Fell über die Ohren. Hohenems, heimisches Ligaschlusslicht, verabschiedete das GFL-Top-Team Berlin aus dem EFAF-Cup.

Das alles wird von der deutschen Presse und auch vom Verband AFVD relativ gut geheim gehalten. Man ist nämlich schon noch der Meinung, besser als diese Resultate zu sein, besser als das 380:210, welches die Messungen 2006/07 ergaben. Um die Frage des deutschen Verbandspräsidenten Robert Huber, warum sich Österreichs Presse immer so auf Deutschland einschwört und dabei Italien und Frankreich (die man ja auch schlägt) ausser Acht läßt, zu beantworten: Weder die Franzosen, noch die Italiener würden den Anspruch stellen Europas stärkste Liga zu betreiben. Die wissen nämlich wo diese stattfindet: zwischen Boden- und Neusiedler See und eben nicht zwischen dem Hofbräuhaus und dem Potsdamer Platz. Da können Nationalteam-Quarterbacks mit großen Augen und tauben Ohren Tagebücher veröffentlichen und sich findige Spin-Doktoren ein Konzept zur Erstellung eines Ausredenkatalogs ausdenken, es bleibt: Wir sind besser – um Häuser. Wer will noch mal – wer hat noch nicht? Wir hätten noch leckere Teams in der zweiten Klasse zum Probieren. Invaders vs. Monarchs? Das wäre sicher spannend. So schaut’s aus.

Wo sind die Gegner der Zukunft?
In diesen Worten steckt Selbstvertrauen, welches zur Überheblichkeit tauglich ist. Nur was bleibt mir über? Wer die Eurobowl sah, kann dann wohl nicht schreiben: die waren eh nicht so schlecht. Wer Dresden gegen Graz sah, der kann Monate danach nicht behaupten, dass die Grazer einfach zwei gute Tage hatten. Was soll man dazu, ganz ehrlich, noch sagen? Die Erklärungsversuche der Unterlegenen zitieren? Alles Mumpitz – die Dinge liegen leider klar auf der Hand. Die Vikings und in ihrem Fahrwasser alle anderen Teams der AFL, haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert und Deutschland hinter sich gelassen. Nur wo führt uns das hin? Es gibt in Europa keine Gegner mehr die besser wären. Die Hoffnung, dass Paris ein Team auf die Beine stellen kann, welches es zu schlagen gilt, haben sich heuer ein wenig zerstreut. Die wilden Versuche Bergamos sich mit einem Dutzend Legionäre durchzuschummeln, ist als Methode ebenso antiquiert wie mittlerweile als chronisch erfolglos aufgeflogen. Also wohin mit unserer rot-weiß-roten Rohkraft?

Endliche Überlegenheit
Vikings Präsident Karl Wurm will eine Reform. Der EFAF-Cup und die Eurobowl sollen doch spannender werden und weniger kosten. Ein frommer Wunsch an die Funktionäre – an den Präsidenten Robert Huber und den Turnierdirektor Uwe Talke – die einen Bedarf allerdings nicht zwingend orten können. Für Huber ist die Überlegenheit Österreichs eine Momentaufnahme. "Früher hieß es Deutschland ist unüberwindbar, dann war Bergamo unüberwindbar, heute ist halt grad Österreich unüberwindbar. Jede Überlegenheit ins endlich." Womit er zweifelsfrei nicht Unrecht hat, allerdings ist derzeit ein Ende, wenn man es seriös betrachtet, nicht auszumachen. Der Erfolg basiert nämlich nicht (nur) auf ein paar Ausnahmespieler aus Übersee, sondern (vor allem) auf dem hohen Ausbildungsstand der Österreicher. Die Budimirs, Hables und Jobstmänner fegten über die Marburger ebenso hinweg, wie ihre Kollegen Rosier, Atwood und Graham. Viel besser sah das für die Gäste nicht aus, als im letzten Viertel ein Teil der Vikings II-Mannschaft aufs Feld kam.

Wir haben hier also ein strukturelles Problem (also wir nicht – die anderen, damit aber auch wieder wir). Der deutsche Meister Braunschweig betreibt ein Nachwuchsprogramm, über das andere Städte in Deutschland laut lachen und danach bitter weinen. Die Lions kaufen in der Off-Season jeden Spieler ein, der auf drei nicht auf den Bäumen ist und bringen aus eigener Kraft kaum Talente in die Höhe. Diese Einstellung ist sicher mit dafür verantwortlich, dass wir auch über das bessere nationale Spielermaterial verfügen. Die besten Spieler Österreichs werden in den besten Teams zu Footballern ausgebildet. Sei es von klein auf, oder nach einem Vereinswechsel, die immer häufiger werden. Ausnahmen bestätigen auch diese Regel.

Amateure aus Europa sagen: Spielt mit uns!
Neben einer Reform der europäischen Bewerbe schwebt Wurm auch noch eine "Atlantic-Bowl" vor. Sehr gerne würde er öfter als ein Mal im Jahr von einem US-College-Team eine über das Vikings-Haupt gezogen bekommen. Nur so könne man besser werden, sich der NFL leisen Schrittes (machen Sie sich keine Gedanken – wir werden das alle miteinander nicht mehr erleben) annähern. Das Problem dabei ist, dass College-Teams schlicht und ergreifend keine Turniere mit Europäern spielen, schon gar nicht "die Guten", denn die dürfen das gar nicht. Das College von Augustana (dritte und unterste NCAA-Klasse), also die Gegner der Vikings in der letzten Charity Bowl, gehören nicht zu den Guten, sondern sind bestenfalls unteres Mittelmaß. Es wird also eine schwierige Übung, US-Teams davon zu überzeugen, sich doch mehr mit "Amateuren" aus Europa zu beschäftigen, zudem der Betrieb, der diesen Sport auf dem höchsten Level bewirtschaftet, die NFL, sich soeben aus Europa (unter Applaus von vielen – auch von Wurm) verabschiedet hat. Hier wird also ein Ausstieg des ignoranten Kommerzes begrüßt, gleichzeitig hätte man gerne dessen Basis zum Dinner geladen. Irgendwie fehlt mir da der Glaube, dass sowas auch eine Funktion bekommen wird.

Ebenfalls ungläubig schaue ich der angeblichen Amateur-Liga AFL zu, wie sie mehr und mehr Kinder zeugt, säugt und erhält. Amateur kommt von amare, also der Liebhaberei. Sagt PKW. Das ist ein schönes Bild. Davon entfernt sich der Mittelbetrieb Dodge Vikings aber zusehends. Der heilige Baum – niemals werden österreichische Spieler bezahlt – wurde zwar noch nicht gefällt, die Säge ihm aber unbewusst schon angedroht. Nicht nur im Umfeld der Wikinger wird Geld umgesetzt, auch im Verein selbst gibt es immer mehr Leute die Bares verdienen. Völlig zu Recht. Dabei handelt es sich oftmals um Aufwandsentschädigungen, aber auch um Gehälter von denen der Lebensunterhalt bestritten wird. In Summe läßt sich das Bild klassisch beschreiben. Ein Teil der Mitarbeiter des Vereins sind Amateure, bleiben unbezahlt oder gering entschädigt. Sehr viele hängen mit ihrem Herz an diesem Klub – das ist unbestritten. Ein anderer Teil wird aber für seine Tätigkeit im und für den Verein bezahlt, oder/und geraten in den Genuss von benefits. Die Rede ist hier nicht von heimischen Spielern, die eventuell Geld für eine Tätigkeit als Trainer bekommen, sondern von dem surrounding, denn ein Stadion mit knapp 7000 will auch unterhalten werden. Wenn also ein Teil Amateur ist und ein anderer Profi, welchen Namen trägt dann das Kind? Die Vikings sind, wie auch viele andere Teams, ein semiprofessioneller Betrieb geworden. Nichts anderes als das. Wurm und seine Gefolgsleute werden noch eine Zeit Liebesprediger bleiben, müssen sie auch, wissen aber auch um die Halbwertszeit dieser Anschauung – das Kuscheln hat ein Ablaufdatum.

Der 500-Millionen-Dollar Schönheitssalon
Eine halbe Millarde US-Dollar hat die NFL mit dem Projekt NFL-Europa verbrannt. Ein Schönheitssalon, der niemals Land gewinnen konnte. Das Management wurde in den Jahren immer wieder ausgetauscht, inhaltliche Erfolge blieben aus. Wer Erfolg an wachsenden Zuschauerzahlen (die gab es) misst, der verwechselt hier was. Die NFL-Europa wäre auch mit 100.000 Zuschauern pro Spiel völlig sinnentleert geblieben. Aufgabe war es Europa zu "erobern", was auch bedeutet hätte Kooperationen einzugehen, ein Netzwerk aufzubauen, dem Fleischbrocken Geist einzuhauchen. Statt Synergien zu suchen und nutzen, statt Partner zu stärken, statt clever zu agieren, wackelte man mit den dicksten Elefanten durch den Euro-Porzellanladen. Die Funktionäre an der Spitze glänzten immer wieder mit völliger Inkompetenz, ignorierten die europäischen Ligen nicht mal und badeten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, in Sarkasmus über das Geschehen vor ihrer Haustüre. Ihr dummen Europäer habt doch keine Ahnung wie es geht! Leider hatte das NFL-Europa Management auch keinen Schimmer wo es langgeht, dafür eine gute Vorstellung davon, wie man sich möglichst viele Feinde schafft. So war das Ende eigentlich vorprogrammiert. Der Feldzug ist abgeblasen – die Kohle allerdings ist auch weg.

Die NFL-Europa hinterläßt eine Lücke und die gilt es zu füllen. Es fehlen rund 40 Mio. US-Dollar, die im Jahr in den Sport investiert wurden. Die haben wir Europäer nicht in der Kassa. Alles was man nicht mit cash füllen kann, füllt man – eh klar – mit amare! Die Chancen die sich nun bieten sind groß. Die Gefahren dahinter noch größer. Dieses Geld werden wir noch vermissen – es wird noch dazu kommen, dass jemand meint: Oh je, so schlecht war das eigentlich nicht. Die NFLE hatte ja auch ihre guten Seiten. Die für unsere Verhältnisse riesige Summe, welche die NFL hier rein gesteckt hat, ist nämlich irgendwie schon allen zu Gute gekommen. Zumindest hat es dem Sport und seinem Image keinen Schaden zugefügt – er gewann an Popularität. Damit ist es nun vorbei. Die NFL hat vor mehr NFL-Spiele in Europa stattfinden zu lassen – fein. Weitreichende Spielchen auf Amateur-Basis mit NCAA-Teams wird man sich in Europa aber von der Backe putzen können. Ebenso wird es keine Unterstützung dafür geben, hiesige Mannschaften zu stärken. Okay, gab es vorher auch nicht (meint man allgemein so), trotzdem: Elvis has just left the building. Wir wollten, dass der Auftritt zu Ende geht – nun ist er es auch. Jetzt spielen wir wieder alleine unsere Hits. Are you lonesome tonight?

Hoffnungsträger Deutschland?
Man hofft, dass die EFAF-Granden das "Problem Eurobowl" lösen und gleichzeitig es schaffen die neuen Möglichkeiten, welche sich nach dem Euro-Ausstieg der NFL bieten, voll auszunutzen. Ein bißchen sehr viel Hoffnung, denn, wie schon erwähnt, sieht das Oberhaupt der EFAF in Sachen Euro-Bewerbe keinen akuten Handlungsbedarf. Immerhin hat man es überlebt, dass die deutschen Teams nicht mehr mitspielten (die tun es nun langsam wieder). Wenn die Österreicher nicht mehr wollen, ja dann wird es halt eine Eurobowl ohne sie geben. Wir dürfen dabei nicht glauben völlig unentbehrlich geworden zu sein. Die EFAF sieht sich dem Amateursport verpflichtet, Vereinen aus 17 Ländern und nicht den Bedürfnissen Einzelner. Das Budget der Vikings, so Huber, sei um ein Vielfaches höher als jenes eines durchschnittlichen GFL-Teams. Diese Unterschiede auszugleichen, die auch unterschiedliche Voraussetzungen schaffen, sei nicht die Aufgabe des europäischen Verbandes.

Gleichzeitig dann noch zu erwarten, dass eine Handvoll Ehrenamtliche die NFL-Lücke mit Leben füllen werden, wäre fatal. Das wird nämlich nicht passieren. Sie werden es versuchen, aber sie, dass sind Beamte und Juristen und keine hypersmarten Managertypen. Da wird viel liegen bleiben. Wenn wir selber so gescheit sind (womöglich sind wir es auch), dann sollten wir nun auch jetzt aktiv werden. Wir können aber auch ein, zwei Jahre warten und dann Huber & Co die Unfähigkeitskeule reindonnern. Nur dann bleibt erneut alles anders.

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Spiele AUT vs. GER 2006/2007
09. April 06
Cineplexx Blue Devils vs. Stuttgart Scorpions 12:21
22. April 06
Braunschweig Lions vs. Swarco Raiders Tirol 21:12
30. April 06
Turek Graz Giants vs. Berlin Adler 28:16
05. Mai 06
Swarco Raiders Tirol vs. Braunschweig Lions 40:13
20. Mai 06
Stuttgart Scorpions vs. Cineplexx Blue Devils 12:20
21. Mai 06
Dodge Vikings vs. Hamburg Blue Devils 31:17
21. Mai 06
Marburg Mercenaries vs. Turek Graz Giants 28:31
07. April 07
Turek Graz Giants vs. Dresden Monarchs 50:0
15. April 07
Dresden Monarchs vs. Turek Graz Giants 10:43
23. Juni 07
Cineplexx Blue Devils vs. Berlin Adler 22:18
9. Juni 07
Swarco Raiders Tirol vs. Marburg Mercenaries 21:35
1. Juli 07
Dodge Vikings vs. Marburg Mercenaries 70:19

12 Spiele
9 Siege Österreich
3 Siege Deutschland
Punkteverhältnis AUT-GER: 380:210

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