Respekt und Anerkennung für seine Arbeit hat sich Shawn Olson in den Jahren über die Vereinsgrenzen hinaus erarbeitet. Gestern verließ er Österreich. Vermutlich kein letztes Gespräch mit Olson führte Walter H. Reiterer.

Die Liste der Erfolge des Kanadiers mit polnischem Zweitpass ist eine lange. Als Spieler gewann er die Austrian Bowl 2002, 2003 und 2005, die Euro Bowl 2004 und 2005. Als Coach holte er den nationalen Titel 2007 und zwei weitere Europaschüsseln (2006 & 2007). Die Dominanz der Vikings ist damit untrennbar mit seinem Namen verbunden. Der krönende Abschluss heuer: Das Triple als Trainer. Euro-, Austrian- & Silver Bowl. Wobei der Meister in der zweiten Klasse, die Olson "Pure Austrian-Football-League" nennt, besonders gut schmeckte.

Olson has just left the bulding.
Im Frühjahr 2007 fiel bei Olson, der mittlerweile nach Österreich übersiedelt war um das Team das ganze Jahr über zu betreuen, die Entscheidung, nach sechs Jahren Kaiserschmarren und Buschenschank nach Kanada zurückzukehren. Für die Vikings und auch das Nationalteam, bei dem Olson Offense Coordinator war, ein herber Verlust. Walter H. Reiterer sprach mit dem großen Kanadier kurz vor seiner Abreise.

Walter H. Reiterer: Wie geht es dir und wie fühlst du dich kurz vor deiner Heimkehr?
Shawn Olson: Eigentlich ganz gut. Ich war zum Glück derart beschäftigt, dass ich, zumindest in den letzten Tagen, gar nicht mehr viel zum Nachdenken gekommen bin. Bei der Farewell-Party wurde es noch einmal sehr emotional, aber heute war ich den ganzen Tag im Stress. Ich fühle eine gewisse Abschiedstrauer, aber ich bin auch schon sehr aufgeregt auf mein neues, altes Leben. Es ist aber auch ein Gefühl da, als verlasse ich meine Heimat. Ich hab hier gelebt, fühlte mich zu Hause – Österreich ist, wie Kanada, meine Heimat.

Was wirst du am meisten vermissen?
Meine Freunde hier, die Vikings-Organisation, das Coachen der besten Mannschaft des Kontinents, Buschenschank, Heurigen, Kaffeehäuser, Donauinsel, die Wiener Innenstadt – soll ich eine Liste machen? (lacht).

Was wirst du an Wien nicht vermissen?
Den Gestank in der U-Bahn und das mürrische Gemüt mancher Städter. Es gibt ja doch einige Käuze in Wien, manche entpuppen sich erst nach einer Weile als nette Menschen. Eigentlich ist das auch etwas was mir an der Stadt gefallen hat. Die aufgesetzte schlechte Laune, darunter schlummert dann aber ein Komiker. Ist doch so, oder?

Viel besser hätte ich die Wiener nicht beschreiben können. Was genau wirst du in Zukunft machen?
Ich werde an der Simon Fraser-University in Vancouver coachen. Das war, als ich am College spielte, ein Konkurrenzteam von meiner Uni. Das wird also sehr spannend. Ich fiebere dem neuen Job entgegen.

Du nimmst zwei Vikings-Spieler mit. Daniel Stanzel und Bernd Dittrich. Was wird die in Kanada erwarten?
Ja, die Jungs nehme ich dort unter meine Fittiche. Ich werde zwar nicht für sie kochen und sie ins Bett bringen, aber auf sie aufpassen. Es sind zwei sehr gute Spieler und sie haben durchaus die Fähigkeiten, um eine Chance zu bekommen Starter am College zu werden. Ich bin gespannt, wie schnell sie sich einleben und entwickeln können. Ich hoffe, sie machen beide dort ihren Abschluss und ich kann sie als perfekt ausgebildete College-Spieler nach Österreich zurückschicken. Vielleicht landen sie danach aber auch wo anders, wer weiß das schon?

Würdest du österreichischen Spielern empfehlen auf ein College zu gehen?
Prinzipiell: Ja. Je mehr, desto besser. Natürlich müssen die Voraussetzungen stimmen, der Spieler die richtige Einstellung haben. Das betrifft nicht nur der sportlichen und pädagogischen Bereich. Es muss eine Bereitschaft da sein, die Sache auch konsequent durchzuziehen. Es ist wie bei den Legionären in Österreich – auch sie müssen sich in einem neuen Land erst integrieren. Kanada macht es einem aber leicht, zudem ich Ähnlichkeiten mit Österreich erkenne. Die kulturellen Unterschiede sind marginal. Man kann Skifahren, Hockey- und Footballspielen, die Menschen sind locker drauf, die Uni hat einen guten Ruf – ich sehe hier wenig, was schiefgehen könnte für einen jungen Österreicher. Daher habe ich Daniel und Bernd auch empfohlen mitzukommen. Ich freu mich darauf, mit ihnen die nächsten Jahre verbringen zu können, wir haben ja schon einige in Wien hinter uns. Sie können auf eine tolle Lebenserfahrung vorausblicken.

Sechs Jahre Football in Österreich – was hat sich verändert in der Zeit?
Als ich ankam, war Österreich bereits auf einem guten Weg und sehr hohem Level. Heute ist es die unumstrittene Brutstätte des europäischen Footballs. Da können andere Länder sagen was sie wollen – ich weiß: Alle Teams in Europa, völlig egal woher sie sind, müssen sich heute zuerst mal an den Österreichern messen um zu wissen, wo das Top-Level ist. Da ist Wien nicht das einzige Team. Siehe Graz, siehe Hohenems, siehe Tirol, die auch den EFAF-Cup gewonnen und uns zwei Mal die Austrian Bowl abgeluchst haben, als wir Euro Bowl Champion wurden. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck der Veränderung und guten Entwicklung. Für die Vikings wurde es Jahr für Jahr schwieriger ihre Stellung zu halten. Wir haben viel gewonnen, aber auch manches verloren. Wir mussten uns jedes Jahr verbessern um weiterhin vorne mitreden zu können, da die anderen Teams besser wurden. Dass die Raiders zwei Mal die Meisterschaft gewannen, war zwar wenig erfreulich für die Vikings, aber ein sehr gutes Zeichen für die Weiterentwicklung des Sports in dem Land. Du kannst Europameister sein, aber gleichzeitig die Nationalmeisterschaft verlieren. Das ist gut, das ist wachsender Wettbewerb, das ist belebend, dadurch prosperiert der Sport. Wir haben hier viel richtig gemacht – alle zusammen.

Was wurde richtig gemacht?
Die gute Arbeit mit dem Nachwuchs und das Setzen auf Kontinuität bei den Helfern aus Übersee. Ich hab mich selber stets als helfende Hand empfunden. Legionäre die nur herkommen um ihren Stiefel runterspielen für ein paar Euros und dann wieder nach Hause abzischen, die braucht man ehrlich nicht, wenn man über den Tellerrand blickt. Du brauchst gute Leute die sich nachhaltig und langfristig mit der Entwicklungsarbeit beschäftigen. Dann hast du lange und langfristigen Erfolg. Alles andere ist nur Spielerei und mittlerweile müsste man schon tief in die Tasche greifen um diesen Weg, der übrigens der völlig übliche in Übersee ist, zu umgehen. Daher sollte man in den nächsten Jahren weiter die Anzahl der spielenden Legionäre abbauen, dabei vielleicht jene im Coaching-Staff bei manchen Teams anheben. Vor allem: die Trainer sollten auf Jahre bleiben – ganzjährig. Die Vikings werden bald weit weniger US-Spieler benötigen um ihr Level halten, ja sogar steigern zu können. Das bedeutet auch, dass Geld frei wird, welches man anderswo investieren kann. Das ist der Weg. Der einzig wirkliche der zum Erfolg führt meiner Meinung nach. Auf das Coaching und auf den Nachwuchs setzen. Das sollten alle tun, weil es diejenigen auch tun, die den Sport erfunden haben. Ich bin mir auch sicher, dass sich genau das querbeet durchsetzten wird. Österreich wird weiterhin die Nase vorne haben, weil hier, gerade bei diesem Sport, sehr viele intelligente und weitsichtige Menschen am Werk sind.

Zum Abschluss hast du als Coach drei Titel gewonnen. Euro Bowl, Austrian Bowl und Silver Bowl. Welcher Titel war für dich der Wichtigste?
Eine schöne Frage, die mir so noch keiner gestellt hat. Also. Ich wäre inkomplett, würde einer der drei Pokale in der Sammlung 2007 fehlen. Insofern alle für mich wichtig sind. Die Austrian Bowl hatten wir gegen die Raiders verloren – die wollten wir unbedingt zurück. Die Euro Bowl zum vierten Mal in Folge zu gewinnen war ein Ziel zum Rekord. Die Silver Bowl war der härteste Titel. Das ist Football pur. Kleiner Gameday, wenig Zuschauer – der Sport steht im Vordergrund. Dazu gibt es gleich mehrere Teams die ganz vorne mitspielen können. Es ist, wie gesagt, der schwerste Titel, wenn man so will. Die Wolves haben uns geschlagen, die Gladiators einmal an den Rand einer Niederlage gebracht, die Invaders uns zwei Mal alles abverlangt. Es sind viele junge Spieler am Feld und alle wollen die Schüssel. Ich finde diese Liga einfach Klasse. Die Spieler haben ja bemerkt, mit welcher Leidenschaft wir Coaches da dabei waren. Es ist für mich die unmittelbare Zukunft, die da spielt. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren dort AFL-Teams entwickeln. Es haben einige das Zeug dazu.

Wen meinst du?
Die Invaders, auch wenn sie mit dem Schicksal hadern gegen die Vikings immer knapp zu verlieren. So was kann sich rasch umdrehen. Die haben ein junges Team – die werden noch besser. Salzburg wird wieder auferstehen – jede Wette. Die Budapest Wolves machen Jahr für Jahr enorme Fortschritte und klopfen vielleicht schon nächstes Jahr ganz oben an. Die Gladiators, angeführt von einem alten Fuchs, machten jetzt zwei Jahre lang Riesenschritte. Auch das könnte sich fortsetzen und auf fruchtbarem Boden fallen. Die Aufgabe der Vikings II für die Vikings ist, Spieler für die Kampfmannschaft heranzuführen. Ihre Aufgabe in der Liga ist es, das Level möglichst hoch zu halten.

Ein letztes Wort an deine Fans und an unsere Leser…
Ich würde sagen: Remember me. Erinnert euch an das, wofür ich stehe. Das würde mir am meisten Freude bereiten. Ich stehe für Ausbildung, Förderung und Weiterentwicklung. Ich möchte mich aber auch für den Respekt und die Anerkennung bedanken, welche mir über all die Jahre entgegengebracht wurde. Es war mehr als bloß eine gute Zeit. Es war die beste Zeit meines Lebens. Dafür bin ich dankbar und demütig. Die Menschen in Österreich haben uns, meiner Frau und mir, viel Freude bereitet und das Leben hier nicht nur angenehm gemacht, sondern uns das Gefühl gegeben, ein Teil des Ganzen hier zu sein. Wir verlassen Österreich als Österreicher und das ist das größte Geschenk, welches man geben kann. Dafür lieben wir dieses Land und seine Menschen.

Das hört sich nach Wehmut an. Man redet bereits von einem Comeback?
(lacht) Zurückkommen kann man nur, wenn man vorher weggegangen ist. Ich hab gelesen, dass einige bereits von Rückkehr sprechen, während ich noch da war! Unsere nächsten Ziele sind in Kanada. Wir haben ja auch eine persönliche Lebensplanung. Allerdings kann ich eine spätere Rückkehr nach Österreich, wie immer die aussehen mag, nicht gänzlich ausschließen. Warum sollte ich auch? Ich weiß ja nicht, was die Zukunft bringt. Ich werde vielleicht sogar schon sehr bald wiederkommen, denn Kanada liegt ja nicht am Mars. Das ist ein Flug von ein paar Stunden. Also für einen Trip zur Eurobowl zum Beispiel geht sich das vielleicht schon aus. Ich habe jetzt nicht vor, nie mehr wieder österreichischen Boden zu betreten. Im Gegenteil. Wir können uns also ein paar Tränen gegenseitig sparen. Wir werden uns hoffentlich bald wiedersehen.

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