Mit den neuen Farben müssen sie nun leben, oder nicht? Ein Kommentar von Walter H. Reiterer
"Machen" wir doch eine Rivalry!Das war die Grundidee von den Präsidenten Klaus Lojka (Dragons) und Karl Wurm (Vikings) zur medialen und thematischen Aufwertung ihrer Spiele gegeneinander, als die Blue River Bowl ins Leben gerufen wurde.Über Jahrzehnte waren diese Begegnungen echte Langweiler. Aus sportlicher Sicht, wie auch für die Fans, welche die Dragons (vormals Mercenaries) bis vor einigen Jahren in noch sehr überschaubarer Anzahl hatten. Gewinnen konnten man 25 Jahre lang Gartentöpfe und die Erkenntnis, dass sich Football in Wien allein durch die Farbe Lila definiert.Es hat sich zuletzt einiges radikal geändert. Nicht nur ist die Fangemeinde der Niederösterreicher (die, sind wir uns ehrlich, im Grunde Wiener sind) angewachsen, auch der sportliche Spieß wurde von den mal Kloster- mal Korneuburgern umgedreht. Seit Ivan der I. das Sagen im Drachenland hat, werden zwar nach wie vor keine Titel geholt, aber Spiele gewonnen. Reihenweise. Heuer deren fünf, darunter ein Premierensieg über die Raiders. Nach dem Grunddurchgang gehen die Dragons als Tabellenführer mit der für sie ungewohnten Favoritenrolle in die Playoffs. Selten zuvor waren die Drachen der Austrian Bowl näher. Zwar standen sie zwei Mal im Finale (als wir alle sehr jung waren), aber zu gewinnen gab es dort nur kleine Pokale für sie.Dann führte man noch die Glasschüssel und eine (noch) künstliche Rivalry ein, mit dem Hintergedanken, die immer spannender werdenden Partien zusätzlich zu ‚pimpen‘. Was in erster Instanz funktioniert hat. Die Zuschauer wurden mehr. Besser wurde dadurch nicht alles.Seither die Blue River Bowl gespielt wird, gewannen die Wikinger kein Spiel mehr gegen den nun so genannten Erzrivalen (Frage: Ist das nicht immer noch Graz?). Trotzdem blieb der Himmel der Vikings blau, denn samt dieser negativen Serie gewannen sie immer noch die Austrian Bowl und die Dragons mussten sich mit der Schüssel vom blauen Fluss begnügen. Trotzdem wird eine gewisse Unruh in Simmering spürbar. Das ist man nicht gewohnt, das hat etwas majestätsbeleidigendes an sich und: Ja, eigentlich will man diese Trophäe auch gerne mal bei sich im Regal stehen haben. Nur das spielt es zur Zeit nicht und wer das Spiel am Samstag sah, sieht wenig Aussicht auf eine baldige Revanche, die auch glückt. Die Dragons sind derzeit einfach besser. Smarter und auch sehr gut gecoacht. Kann sich in zwei Wochen ändern, muss sich nicht ändern, wird sich womöglich auch nicht (so schnell) ändern lassen.Eine Rivalry ist nicht nur lustig Amerikanische Vorbilder (so sagte man es damals explizit) nehme man sich für die BRB her und mir wurde damals schon ein wenig komisch im Magen. Zum einen bestehen derartige Rivalitäten zwischen US-Colleges bereits, da regierte uns noch ein Kaiser, zum anderen haben diese neben vielen schönen Seiten auch ihre weniger erfreulichen. Wer es kennt, weiß das. Ob es die Erfinder auch wussten, ist (mir zumindest) unbekannt. Zwischen UCLA und USC besteht zum Beispiel eine Rivalry, die für europäische Footballfans sehr gewöhnungsbedürftig ist. Von gegenseitigem Verständnis unter den Fans ist da nichts zu erkennen, von Liebe überhaupt keine Spur und der Stadionsprecher der Trojans lässt den Bears pro Spiel ein Dutzend Mal ausrichten, dass sie ’sucken‘. Hochoffiziell. Beglaubigt und genau so gewollt von einer Universität. Schlägereien oder gar Ausschreitungen sind zwar die Ausnahme, aber gemeinsame Grillabende gibt es nach Spielen sicher auch nicht. Es wird der Gegner ausgepfiffen, so oft einem dazu die Gelegenheit passend erscheint. Übrigens in der NFL ist das genau so.Wir sind OperDiese Kultur des Miteinanders, die haben wir erfunden. Das Euro-Kuscheln. So wie die Oper. Das haben die ‚da drüben‘ nicht. Für die gibt es beim Football nur eine Etikette: die an der Bierflasche. Nicht die Amerikaner also haben’s erfunden, wie man locker höflich bleibt. Es gibt keine gemeinsame Welle nach Longhorns vs. Sooners. Es gibt keine Bussis zwischen Gators und ihren Beutetieren. Die beißen auch nach dem Schlusspfiff noch zu! Die Amis, welche hier spielen, finden das meistens gut wie wir das hier geregelt haben, daher sollten wir auch in der Lage zu sein, ‚das Coole‘ in seinen Grundfesten zu bewahren. Zumindest Grenzüberschreitungen sollten nicht passieren. Den Gegner auszubuhen – das beginnt nun langsam, Referees mit Pfiffen zu begegnen – das ist schon länger normal, aber das sind noch peanuts.Was am vergangenen Wochenende in Korneuburg passiert ist, das sind Anfänge, die ganz in eine falsche Richtung, nämlich in genau diese von den Erfindern als Vorbild gewählte, Amerikanische gehen.Das sich ein Nationalteamspieler von einem ehemaligen Mitspieler die Beschimpfung ‚Judas‘ gefallen lassen muss, das ist in aller Öffentlichkeit ebenso neuartig, wie das Verteilen lustiger Liebesgrüße auf Zetteln in Windschutzscheiben, Lackkratzer und Beschimpfungen (Vorbild: Herbert Prohaska Live auf ORF?) querbeet durch den Gemüsegarten. Schuldzuweisungen und eine Evaluierung wer angefangen hat, sind da so sinnvoll wie bei Kindern, daher: Zwei Wochen Fernsehverbot und Hausarrest – beide! Was ist zu tun?Die Erfinder sollten die Geister die sie riefen wieder ins Schloss zurückbringen und die Emotionen intern raus nehmen. Durchgebrannte Sicherungen gibt es in beiden Farben, auch bei ihren Spielern. Das ganze zur Überlebensgröße einer Rivalry weiter aufzublasen, wird die negative Entwicklung weiter verstärken. Und natürlich liegt der Hauptteil der Verantwortung bei den Fans, die mehrheitlich ja erwachsen sind und sich dann auch so benehmen sollten. Es ist eine einfache Frage: Wollen wir weiterhin spannende und aufregende Nachmittag verbringen, die dann auch angenehm sind, oder wollen wir als Bonus auch ein wenig ‚Rivalry‘ Stress? Wo Ausflüge dann vielleicht auch schon mal zum Spießrutenlauf werden.Dazu gehört aber auch, dass der jeweilige Gastgeber sich fair und großzügig seinen zahlenden Gästen von der anderen Seite gegenüber verhält, auch wenn sein Stadion eventuell ein wenig kleiner ist.Meint IhrWalter H. Reiterer

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