Die Auftaktniederlage gegen Deutschland war ohne Frage bitter und verdient. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es nicht nur an Einzelfehlern, sondern auch an Teamfehlern und mentalen Fragen lag. Umso erstaunlicher ist es, wenn ein Team es dann schafft, sich binnen kürzester Zeit aus so einem Loch zu befreien, und zu alten Stärken zurückzufinden, wie es die österreichische Nationalmannschaft gegen Finnland tat.

Und dabei saß der Schock sicher tief.

Man musste sich nur das im Anschluss an die Niederlage gegen Deutschland von GFL TV geführte Interview mit Andrej Kliman ansehen: Das war eine sehr emotionale Niederlage in einem (vielleicht over-)hypten Schlager-Spiel, in dem jeder sein Bestes geben wollte, aber die meisten nur Unrühmhaftes zustande brachten. Kliman selbst war MVP des Eröffnungspiels auf österreichischer Seite, denn er zeigte in jenem Drive, der zum kuriosen 13:13 Ausgleich in der zweiten Hälfte führte, wie gefährlich er sein kann: 2 Plays, 72 Yards, Touchdown.

Szenenwechsel. Wetzlar, 27. Juli, 19:46 Uhr, der erste Drive der österreichischen Offense.

Andrej Kliman war am Feld und brauchte – richtig geraten – 2 Plays und 75 Yards zum ersten Touchdown des Spiels. Der 69-Yard TD-Lauf wurde nicht nur durch die O-Line, sondern auch durch einen tollen Block von Florian Starzengruber ermöglicht, und Kliman (7 für 84 Yards und 1 TD rushing, 4 für 13 receiving) ermöglichte es somit (ganz anders als gegen Deutschland) früh eine offensive Identität zu etablieren. Die Defense der Österreicher spielte im ersten Viertel dominant, und in der Offense wurde konsequent der Lauf forciert, inklusive Rotation am Ballträger. Sowohl Florian Grein (österreichischer MVP des Spiels mit 14 für 82 Yards und 1 TD) als auch Wolfrum Hofbauer (4 für 21 rushing und 1 für 10 receiving) aus dem Slot durften Yards gutmachen.

Anfang des zweiten Viertels wachte aber die finnische Offense auf.

Der 19-jährige QB Miro Kadmiry (12 von 20 für 77 Yards und 1 TD) baute einen schönen Drive trotz österreichischer Pressure auf, der mit etlichen kurzen Pässen schlussendlich zum Erfolg führte: Ein 7-Yard-Screenpass auf Veikka Lehtonen (8 für 28 Yards rushing und 1 für 7 und 1 TD receiving) zum 7:7. Österreich antwortete aber mit einem Drive, der nun auch Christoph Gross‘ Passspiel (15 von 27 für 158 Yards und 2 TDs) miteinbezog: Den Abschluss machte Jakob Dieplinger (2 für 34 Yards und 1 TD) mit einem 20-Yards TD-Catch zum 14:7. Das Spiel war zu dem Zeitpunkt flott und abwechslungsreich, und auch die finnische Defense verstand es langsam immer besser sich auf die Österreicher einzustellen; vor allem Santtu Äyräväinen (MVP auf Finnlands Seite mit 8 Tackles) war ständig in der Nähe des Balles. Dennoch schaffte Peter Kramberger vor der Halbzeit noch ein 45-Yard Field Goal zu verwandeln, der Halbzeitstand war somit 17:7.

Die zweite Halbzeit fing mit Defense-Dominanz auf beiden Seiten an. Erst die österreichischen Special Teams durchbrachen das Patt als bei einen Puntreturn von Tuukka Pernu DB Christoph Putz einen Fumble erzwingen und recovern konnte. Beim folgenden Drive verwandelte Gross ein 4th & Inches an der finnischen 6-Yard-Line mit einem Rollout-Pass auf Mario Nerad (3 für 26 Yards und 1 TD receiving): 24:7, und das Momentum lag klar auf österreichischer Seite. Kadmiry versuchte zwar mit dem Kurzpassspiel flüssige Drives aufzubauen, aber die Defense der Österreicher hielt und brachte ihn immer wieder unter Druck.

Die finnische Offense generierte im ganzen Spielverlauf nur 104 Yards, und vor allem der Lauf kam nie richtig in Gang. Die österreichische Offense hingegen lief stabil dank Florian Greins Workhorse-Laufspiel: Ein 92-Yards-Drive im vierten Viertel entschied die Partie, als er mit einem 12-Yard-Lauf unberührt die Endzone fand und auf den Endstand von 30:7 stellte (PAT Kramberger blocked). Sowohl Kliman als auch am Ende Gross überließen das Feld noch vor Schlusspfiff ihren Backups um den sicheren Sieg abzuschließen.

Alles in allem sah man hier eine deutlich runder laufende österreichische Mannschaft als noch im Eröffnungspiel.

Das Playcalling hat sich der eigenen Stärken besonnen und diese erfolgreich umgesetzt, und die Defense spielte mit der Bissigkeit und Dynamik, die man sich von ihr erwartet hatte. Es schadete auch sicher nicht, ein paar Starter der besten Defense der AFL diesmal ins Lineup einzustreuen. Zusammen mit der Rotation auf fast allen Position wurde auch die Depth der Mannschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Das Team wirkte kompletter und agierte als eine Einheit mit klarerer Identität und deutlich verbesserter Ballsicherheit.

Keine Fumbles im Laufspiel, dafür fast 200 yards rushing und 2 TDs. Und Gross kann, wenn er nicht selbst die Panik und den Druck einer ganzen Mannschaft schultern muss, auch deutlich gemütlicher (und somit fehlerfreier) zur Sache gehen. Perfekt war das Spiel nicht, und Finnland war als Gegner auch ein anderes Kaliber als Deutschland, was schon mal die Optik verzerren kann. Aber im (sehr wahrscheinlichen) Spiel um Platz 3, hat die österreichische Mannschaft seit diesem Spiel eine absolut machbare Ausgangslage, und somit das proklamierte Ziel dieser EM (Top 3) in Griffweite. Und das – das sollte man vielleicht nicht vergessen – als Aufsteiger.

EM 2010
1.QT
2.QT
3.QT
4.QT
TOTAL
 AUT vs. FIN 
7:0
10:7
7:0
6:0
30:7
27. Juli 10 | 19:30
Stadion Wetzlar | Wetzlar
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