Das Land des Eurobowl Champions bleibt mit seinem Nationalteam in Europa drittklassig. Serbien ist statt ihnen auf der Überholspur. Ein Kommentar von Walter Reiterer.
So schön hatte man sich das bei unserem Nachbar vorgestellt. Die „EM Dahoam“ sollte nicht nur der krönende Abschluss des international so erfolgreichen Jahres werden, sondern auch die nachträgliche Lenkerberechtigung, nachdem man im Sommer ohne Schein, dafür mit einem geborgten Boliden, die Formel 1 des europäischen Footballs mit Team Calanda gewann. Doch das Team Switzerland legte den Rückwärtsgang ein. Nach einem mühsamen Sieg über den späteren Turnierletzten Russland, setzte es im Finale eine Niederlage gegen das noch junge Footballprogramm aus Serbien.
Auf der Suche nach den Ursachen vernimmt man eine vielleicht mangelhafte Vorbereitung, eine mögliche Unterschätzung der Gegner, den Coaching Staff und das Fehlen der Glavic-Brüder, die ja einen Schweizer Zweitpass besitzen. Das ist es aber alles (leider für sie) nicht.
Schweizer Cracks nicht gut genug
Tatsächlich verfügt die Schweizer Nati mit den Coaches der Cineplexx Blue Devils und den Alpin Hammers Schwaz über einen den Namen nach durchaus vernünftigen Trainerstab, die zumindest nach dem 19:20 gegen Russland niemanden mehr zu unterschätzen gehabt hätten. Vorbereitet hat man sich mit fünf Mini-Camps und mit den „Imports“ wurde man sich halt des Handels nicht einig. Und die Sache nur an einem Quarterback und einem Safety aufzuhängen – bitte nicht! Wir spielen Football und nicht Beachvolleyball. Es sind 45 Mann und nicht ein Duo.
So musste man ausschließlich mit echten Schweizern antreten und das ist nicht nur das Problem, sondern die Ursache der Misere. Es haben nicht Glavic & Glavic gefehlt – es fehlten zwei Dutzend andere. Der Nachwuchs liegt bei vielen Vereinen im Argen, der Verband agiert paralysiert und das Land verfügt damit einfach nicht über die nötige Anzahl an Klassespielern, die in Summe ein Team bilden können, welches den europäischen Keller hinter sich lassen kann. Denn wenn man jetzt in der Schweiz von sich selbst als „Vizeeuropameister“ spricht, dann ist das im besten Fall noch Galgenhumor. Abgesehen vom Mini-Teilnehmerfeld (Norwegen und Spanien fehlten) und dem Blitzturniermodus (vier Spiele insgesamt), handelte es sich immer noch um die C-Gruppe. Da ist also noch eine ganze Klasse, mit Nationen wie Italien, Dänemark, Großbritannien und Tschechien zwischen dieser und dem „richtigen Football“ in Europa mit Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden und Finnland. Man ist weit, unendlich weit sogar von einem Vizeeuropameistertitel entfernt.
Serbien am Weg nach oben
Wie es geht, das hat den Schweizern Serbien vorgezeigt. Die holten sich bei ihrem erst zweiten Antreten den ersten Titel. Blickt man auf die letzte C-EM zurück, dann waren die Serben damals den Schweizern in allen Belangen unterlegen. Fünf Jahre danach hat das Team vom Balkan aufgeschlossen und die Eidgenossen sogar überholt. Bedenkt man unter welchen Voraussetzungen in Serbien dieses Team zustande kam, welche Möglichkeiten und Infrastruktur es in einem Land gibt, in dem der Sport nicht einmal halb so lange betrieben wird wie in der Schweiz, dann sollten bei unseren Nachbarn eigentlich die Alarmglocken schrillen. So wird das nie was, denn in vier Jahren steht dann der nächste schnelle Brüter auf der Matte, der einem ein Bein stellt.
Die Schweiz hat insofern als Footballnation zwei Möglichkeiten sich zu entscheiden: Sie können entweder beginnen – und das nach sagenhaften 30 Jahren Geschichte – endlich ihre Hausaufgaben zu machen und den Lippenbekenntnissen Taten folgen lassen, oder sie lassen sich weiter davon blenden, dass ein gekaufter Eurobowl-Titel quasi halbautomatisch auch zu einem Aufschwung in allen anderen Bereichen führt. Tut es nicht, wie dieses Turnier eindrucksvoll bewiesen hat. Das war ein Schritt zurück. Wacht auf, denn Football-Europa könnte euch munter brauchen.
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