Nun scheint es so, als befände man sich bereits auf der Suche nach möglichen Alternativen und Auswegen. Stimmenfang und Betrachtung der Dinge von Football-Austria.com-Chefredakteur Walter H. Reiterer.

Ursache und Wirkung

Durch den de facto Boykott der Eurobowl und des EFAF-Cups einiger Euro-Top-Teams (im Jargon der EFAF heißt das Bestrafung wegen Nichtteilnahme – bis maximal 2000 Euro heuer), darunter befindlich die Meister aus Deutschland (Braunschweig) und Schweden (Stockholm), bekommen es die verbliebenen Teilnehmer aus den Top-Nationen mit immer schwächeren Gegnern zu tun. Das beste Beispiel dafür sind die Cineplexx Blue Devils. In Österreich der Prügelknabe, hauen sie selbst Resteuropa windelweich. Keine Schmälerung ihrer Leistung, die Devils sind auch so europäisch sicher eines der besseren Teams, aber die Gegner der Austro-Teams zuletzt waren der blanke Hohn. Dresden am Weg in die zweite Bundesliga, Helsinki und Moskau gerade mal Zweitligatauglich, ein Team, welches in England drei Jahre ungeschlagen ist, ist halt nur in England ein Team, welches drei Jahre ungeschlagen ist.

Ein weiterer Punkt der Unzufriedenheit war und ist die Feudalherrschaft der EFAF-Delegierten und Direktoren, denen bei ihren Auslandsreisen kaum ein Hotel genug Sterne haben konnte, sie Ansprüche im Ausmaß von Staatsgästen stellten und sich so auch das öffentliche Kopfschütteln von heimischen Granden erarbeiten konnten. Jedenfalls ließ der AFBÖ Präsident Eschlböck und der Vize Wurm bei mehreren Gelegenheiten durchblicken, dass der gewünschte Lebensstil dieser Herren kaum in einer Relation zur gelebten europäischen Realität des Amateursports American Football stehen würde.

Österreich ist ein schönes Land

Insofern auch einer der Gründe dafür, warum Österreich als Austragungsort von Halbfinal- und Finalspielen bei der EFAF in den letzten Jahren so beliebt war, eine uns angeborene Gastfreundschaft sein könnte. Die drei Eurobowl-Titel kosteten den Vikings ein wahres Vermögen, alleine das letzte Finale 70.000 Euro inkl. Bewerbung. Diese (gewonnenen) Endspiele brachten ihnen aber im Gegenzug viel (sportpolitische) Anerkennung in der Stadt, welche sich in einem Footballzentrum in Simmering manifestieren wird. Insofern hat die Euro-Show es für die Wikinger schon gebracht. Tausche halbe Mille Investment Vereinsseitig gegen ganze Mille Investment Stadtseitig. Einahmen gab es natürlich auch. An der Stelle darf sich die Allgemeinheit freuen, denn das wird auch noch vielen anderen Mannschaften etwas bringen.

Das überlaufende Fass

So akzeptierte man exklusive Hotel-, Ticket- und VIP-Wünsche ebenso, wie die Tatsache, dass ausnahmslos jeder Budgetpunkt der Projekte Halbfinal- und Finalspiele, stets ein Posten am Papier des Heimteams war, die EFAF sich weder inhaltlich und schon gar nicht finanziell einbrachte. Keine Hilfe – bei geöffneten Händen. Das Fass zum Überlaufen brachte nun allem Anschein nach eine Debatte über Spieler der Bergamo Lions, deren Herkunft und Nationalität nicht ganz durchschaubar war. Die Vermutung lag nahe, dass die Italiener hier nicht mit all diesen Spielern antreten dürfen. Die Antwort, die uns auch vorliegt, war ein klassischer Offenbarungseid. Beim Turnierdirektor Uwe Talke schrillten etwas nicht die Alarmglocken als er hörte, dass hier unter Umständen etwas nicht ganz stimmen könnte, sondern er schob die Verantwortung auf die nationalen Verbände ab. In Italien gäbe es andere Meldefristen, es gibt dort keine Spielerpässe, daher gelten diese Regeln auch auf europäischer Ebene.

Was das heißt?

Es kann jedes Team im EFAF-Cup und der Eurobowl, so wie in der Vergangenheit, x-beliebig viele Amerikaner und Importspieler auf den 60-Mann-EFAF-Roster schreiben (auch ohne mit ihnen jemals gesprochen zu haben und ohne gültige Spielerpässe und/oder Verträge mit ihnen zu diesem Zeitpunkt zu haben) und sie dann, falls greifbar, auch einsetzen. Man muss nicht beweisen, dass der Spieler nicht Amerikaner und Profi ist, sondern nur behaupten, dass es so ist. Das reicht. So verwaltet die EFAF also ihre Turniere. Diese Lockerheit ist mit der österreichischen Idee eines geregelten Spielbetriebs nicht kompatibel, es ist sogar das genaue Gegenteil von dem was hierzulande praktiziert wird. Die Legionäre sind streng reglementiert, jeder Verein muss von sich aus beweisen, dass ein Spieler kein Import (Klasse A-Spieler) ist. So wäre es dann auch theoretisch möglich (und eventuell sogar bereits in dem einen oder anderen Kopf drinnen), sich für ein Halbfinale, oder Finale, einen NFL-Star "auszuborgen". Eine Woche Urlaub in Österreich, 20.000 Euro Taschengeld – fünf Touchdowns bitte, Herr Tomlinson. Danke. Hört sich zwar jetzt lustig an, ist aber natürlich völliger Blödsinn, denn die Aufgabe der EFAF ist es den Footballsport in Europa nach vorne zu bringen, nicht die Konten von Amerikanern nachzufüllen.

Die EFAF ist wichtig

Sagt AFBÖ-Vizepräsident und Vikings-Chef Karl Wurm, fügt aber an: "Irgendwann muss man sich jedoch die Sinnfrage stellen. Das tun die Vikings jetzt. Ich frage mich, ob es für die Vikings, so wie sich der Bewerb heute darstellt, wirklich noch Sinn macht in der Eurobowl anzutreten? Ich vermute, dass wir nicht der einzige Verein sind, der das gerade tut. Sollte die Antwort nein lauten, müssen wir uns fragen: Warum nicht? Die Antwort liegt wiederum in der Antwort auf die Frage: ‚Was ist die Aufgabe der EFAF?‘ versteckt. Ihr Ziel muss es sein, den europäischen Football weiter zu bringen. Tut sie das auch? Es fehlen wichtige Teams, die schon seit einiger Zeit oder erst seit kurzem nicht mehr mitmachen. Braunschweig lacht jetzt zu uns herüber: Haben wir euch ja schon vor Jahren gesagt, dass das der Bewerb uninteressant ist! Es fehlen klare und wasserdichte Regulative. Dafür gibt es Kosten, die ein Wahnsinn sind. Wir haben den Bewerb drei Mal gewonnen. Heuer könnten wir ihn ein viertes Mal gewinnen. Müssen wir ihn ein viertes, fünftes, sechstes Mal gewinnen, oder machen wir jetzt doch besser etwas anderes? Diese spannenden Fragen werden wir für uns in den nächsten Monaten beantworten. Ich gehe davon aus, dass wir 2008 auch andere Alternativen haben werden als die Eurobowl."

Kurzschlussreaktion wegen Halbfinal-Vergabe?
Die EFAF vergab das Halbfinale, anders wie in den letzten Jahren üblich, nicht nach Österreich sondern nach Norwegen – an Eidsvoll 1814’s. Hier läge der Schluss nahe, Wurm ist darüber nicht erfreut und reagiert jetzt deshalb mit der "Braunschweig-Keule".
PKW dazu: "Ich finde es schade für die Vikings-Fans, dass es kein Eurobowl-Halbfinale in Wien gibt, aber da muss man schon ehrlich sein. Wir bekamen so viele Spiele in der Vergangenheit zugesprochen, dass wir damit leben müssen, dass so ein Spiel auch mal wo anders stattfindet. Es freut mich für die Norweger und das ist ganz sicher nicht das Problem. Im Gegenteil. Ist ein anderes Team in der Lage so ein Spiel auszurichten – prima. Diese Entscheidung ist für mich nachvollziehbar und akzeptabel. Es ist so: Wenn ich dir jedes Mal, wenn du auf ein Match kommst, einen Apfelstrudel gebe und eines Tages gebe ich ihn dir aber nicht mehr, dann kannst du nicht fragen: Wo ist mein Apfelstrudel? Du hast kein Recht auf den Apfelstrudel! Wir haben kein Recht auf den Apfelstrudel!"

Auf die Sonderwünsche der EFAF-Delegierten will Wurm nicht näher eingehen. "Ich interessiere mich dafür nicht so sehr. Ich zahle die Rechnungen und fertig. Ich erlebe es auch nicht und will davon gar nicht viel wissen. Ich sage dazu nur, dass Österreich als Land am Globus nicht ausgeschrieben werden kann. Wir sind nur Österr. Also kommen manche Länder zu uns und denken sich, wenn man die nicht mal ausschreiben kann, dann können sie nicht so gut sein. In Wahrheit sind entweder wir besser oder die anderen Teams schwächer geworden. Oder beides ist passiert. Wir sind der Stachel im Fleisch deutscher Vereine. Gewinnen sie, war es eh klar, verlieren sie, dann war es halt ein Vorbereitungsmatch im Rahmen europäischer Klubmeisterschaften. Mehr dazu, kann sicher unser Verbandspräsident sagen."

Eschlböck: Das Gefälle ist groß
Der österreichische Verbandspräsident Michael Eschlböck sieht die Problematik ähnlich wie sein Vize Wurm. "Das Gefälle in Europa ist groß – der Klassenunterschied enorm hoch. Fallen dann Teams wie Braunschweig, wie Hamburg, wie Stockholm weg, dann fällt das noch mehr auf. Aufgabe muss es daher sein, diesen Teams das Mitmachen an einem europäischen Bewerb wieder schmackhaft zu machen und es ist nicht so, dass die EFAF selbst dieses Problem negieren würde. Die EFAF-Delegierten arbeiten, wie auch jene des AFBÖ, ehrenamtlich. Es verdient niemand Geld. So entsteht oftmals der Eindruck, dass es sich manche Leute sehr gut gehen lassen im Ausland. Ich glaube aber nicht, ohne das bewerten zu wollen, dass es sich dabei um das Kernproblem handelt. Der Hund liegt wirklich darin begraben: wie macht man den Bewerb wieder attraktiv? Und nicht darin was die Leute essen und wo sie wohnen. Wobei das natürlich schon ein wenig komisch wirkt, wenn der Bewerb selbst nicht ganz den Standard der Ansprüche ihrer Funktionäre halten kann. Hier müssen wir zu einer Lösung und zur Wahrheit finden. Wo stehen wir? Wohin wollen wir?"

Was Eschlböck dabei unerwähnt ließ: Während die EFAF-Funktionäre in Fünfstern-Hotels nächtigen, legte sich er schon mal mit einem Team in einer Jugendherberge zu Bette. So hat der eine einen guten Draht zu den Spielern und zum Sport und die anderen einen solchen zum Zimmerservice ihrer Wahl.

Munter wurden danach beide, wach aber nur einer.

Walter H. Reiterer

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