Es ist nicht so, dass die Wikinger erstmals in einer Aussendung auffällig wurden, was ihre persönliche Sicht der Dinge auf die heimische Footballwelt betrifft. Der aktuellste Newsletter bestätigt das auch, dieses Mal ist aber ein Einspruch notwendig.
Bereits die Überschrift verrät, wohin die Reise gehen soll: „Saison 2012 – Die Einlösung einer Vision“. Darunter folgt Erstaunliches, nämlich die Erklärung, dass man die Ziele, die man sich vor Jahren bei der Ausrufung des „Österreichischen Wegs“ gesteckt hatte, 2012 erreicht hätte. Umso enttäuschender ist diese falsche Erklärung, stammt sie offenbar aus der Feder des von mir sehr geschätzten Dr. Gregor Murth, dem Vizepräsidenten des Vereins, der eigentlich ganz genau wissen müsste, dass das ganz und gar nicht der Fall ist.
Wie war das denn mit dem „Austrian Way“?
Ich hatte im September 2008 die Ehre, die damals unter dem Etikett „Austrian Way“ gesteckten Ziele der Vikings, im Rahmen eines sehr langen Gesprächs mit deren Präsidenten Karl Wurm, für die nächsten drei bzw. nächsten zehn Jahre fest zu halten. Es hatte nach der Veröffentlichung am 2. September 2008 niemand von den Vikings daran etwas auszusetzen, es war nichts wegzustreichen oder hinzufügen. Es waren ihre Ziele. Es ist mir zwar nicht entgangen, dass man sich bereits ein paar Monate danach wieder leicht neben der für sich selbst gefrästen Spur befand, aber einen Beschluss der Vikings, sich ganz allgemeim von der Agenda wieder zu verabschieden, den gab es nicht. Man blieb bis heute dabei.
Wir haben damals und auch kürzlich wieder darüber gesprochen, denn was in dem Newsletter inhaltlich steht, das sagte auch Karl Wurm vor kurzem. Ich widersprach und erinnerte ihn an seine eigenen Vorgaben von damals. Er musste mir beipflichten. Das und das und auch das habe man dann doch nicht getan. Dafür hätte es aber auch jeweils gute Gründe gegeben. Okay. Trotzdem wendet man sich jetzt damit via Newsletter an die Welt?

Nun muss man den Vikings nicht unbedingt böse sein, wenn sie ihre Zielvorgaben nicht erreicht haben, denn sie können sich dabei nur selbst hinterfragen. Es ist für sie auch vielleicht nicht so wichtig, immerhin standen sie heuer in zwei Finalspielen und gewannen eines davon auch. Es hätte auch niemand mehr ein Wort darüber verloren, denn wen interessiert es tatsächlich, was Karl Wurm vor vier Jahren noch geglaubt hat?

2012 jedoch sich dann aber hinzustellen und einfach zu behaupten, dass man die Visionen von 2008 nun eh doch auf den Boden gebracht hätte, das darf man dann allerdings auch nicht tun. Weil da schlägt das Archiv zurück.

2012 vs. 2008
Hier nun die konkreten Aussagen von 2012 denen des Jahres 2008 gegenüber gestellt bzw. die gesetzten Ziele (Visionen) von 2008 auf ihre Einlösung, die ja laut Murth stattgefunden hat, überprüft.
Im Newsletter:
„Die Vikings haben sich 2009 dazu entschieden, dass man den „Österreichischen Weg“ gehen möchte. Dieser österreichische Weg bedeutet in seinem Kern, dass man nicht länger mit einem amerikanischen Quarterback, der den Ball an einen amerikanischen Receiver/Running Back weitergibt, spielen wollte. Die Vision von Karl Wurm war es zuerst den härtesten Schritt zu gehen und einen österreichischen (eigentlich lokal ausgebildeten) Quarterback als Starter zum Einsatz zu bringen.“
Das ist unrichtig. Die Vikings haben sich zum einen bereits 2008 dazu entschieden, zum anderen war der österreichische Quarterback nicht Kern des Plans, sondern dessen Nebenprodukt. Ein, wie man es damals nannte „sichtbares Zeichen“ dieser Agenda. Kern des Plans war vielmehr die Reduktion der US-Imports bei den Vikings bis zur Saison 2011 auf Null. Der Aufmacher war: Wir (die Vikings) spielen ab 2011 ohne Imports und nicht: Wir spielen mit Christoph Gross. Das ergab sich zwangsläufig daraus. Abgesehen davon gibt auch heute noch der österreichische Quarterback den Ball an Dusty Thornhill weiter. Und der ist bekanntlich US-Amerikaner. Da ist also irgendwas schief gelaufen. Und das ist nicht das einzige.
Details aus dem Plan von 2008
Freiwillige Reduktion der Imports bereits für die Saison 2009. Konkret: Ein Import weniger als es die Regeln erlauben. Wurm wies darauf hin, dass die anderen Teams das machen können wie sie wollen, sie könnten aber auch gerne dem guten Beispiel der Vikings folgen.
Tatsächlich engagierten die Vikings für die Saison 2009 dann vier Imports. So viele, wie am Gameday Roster der AFL erlaubt waren.
Noch interessanter wurde es dann 2010. Für die Saison wurde eine weitere Reduktion angekündigt und zwar „im selben Ausmaß wie 2009“, insgesamt also zwei Imports weniger, als die Regeln es vorsehen.
Tatsächlich engagierten die Vikings für die Saison 2010 dann fünf Imports. Einen mehr als am Gameday Roster der AFL erlaubt war. Wurm verlor eine Wette gegen den damaligen Raiders Manager Daniel Dieplinger, der die Ankündigung des Vikings Präsidenten öffentlich in Zweifel stellte und damit Recht behielt. Es war, wenn ich mich recht erinnere, ein Abendessen auf PKWs Kosten. Mahlzeit.
Für 2011 war dann der große Schnitt vorgesehen – die erste Vikings Saison ohne US-Imports.
Tatsächlich engagierten die Vikings für die Saison 2011 fünf Imports. Wieder einen mehr als am Gameday Roster der AFL erlaubt war.
Liest man weiter im Newsletter, wird das auch kurz thematisiert:
„…All das soll dazu führen, dass wir immer bessere Spieler hervorbringen, die den Einsatz von Importspielern irgendwann komplett obsolet machen.“
Ich verstehe. Aus 2011 wurde jetzt also „irgendwann“. Das ist, wie erwähnt, völlig okay, erklärt aber ganz und gar nicht, warum man trotzdem behauptet, das wäre längst schon passiert. Das ist ein Widerspruch. Man hat es eben nicht getan. Man hat die Visionen eben nicht eingelöst, sondern macht es halt, man sagt es ja selbst, irgendwann.
Rein österreichischer Coaching Staff
Aber es geht noch weiter, denn die Abschaffung der Imports bis 2011 war nur ein Punkt.
Wurm kündigte damals weiters den Aufbau eines „rein österreichischen Coaching Staffs“ an, mit Ausnahme von Chris Calaycay und Cameron Frickey, die aus seiner Sicht schon quasi Österreicher sind.
Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, eine wichtige Funktion im Staff einen Österreicher geben zu können, nämlich jene des Offensive Coordinators, engagierte man Jordan Neuman. Nichts gegen den, sicher ein sehr guter Mann, aber ich hoffe Wurm erklärt nicht den dritten US-Amerikaner in Folge zum „quasi Österreicher“.
Neuman ist heute einer von vier US-Amerikanern im Coaching Staff der Vikings. Der Aufbau eines rein österreichischen Coaching Staffs, so nehme ich an, passiert dann ebenfalls irgendwann.
Wo man noch eine Chance hat, das ist der Plan auf zehn Jahre. Bis zum Jahr 2018 wollen die Vikings eine Austrian- und/oder Eurobowl mit einem rein österreichischen Team gewonnen haben. Ich werde am 2. August 2018, da bin ich dann 50, nachschauen, ob das auch passiert ist.
Wie eingangs erwähnt, hätte man darüber eigentlich nichts mehr schreiben müssen. Es sind die Vikings, die hier offenbar einen Gesprächsbedarf haben. Und den Gefallen kann ich ihnen nicht abschlagen.
Vikings kein Sonderfall
Tatsache ist, dass die Vikings in Österreich keinerlei Sonderstellung bezüglich Imports/Österreichern einnehmen. Sie sind nicht österreichischer als andere, sie halten sich schlicht an das Regulativ. That’s it.
Sie sind auch nicht die einzigen, die mit einem Österreicher als Quarterback in der AFL gespielt haben. Sie sind auch nicht die ersten oder einzigen, die mit einem Österreicher als Quarterback die Austrianbowl gewonnen haben. Das gab es alles schon. Es ist 2012 wohl so, dass die anderen Teams auf anderen Skill Positions als auf der des Quarterbacks starke Österreicher hervor gebracht haben (Kliman, Sommer, Erlsbacher usw.), wozu sie einfach auch gezwungen waren, nachdem der Verband die Legionäre reduzierte. Die Vikings spielten national aber zu keiner Zeit mit weniger Imports als ihre Gegner. Sie haben es lediglich groß angekündigt (und nie getan) und messen dem Umstand, dass eine ihrer Skill Positions, die mit einem Österreicher besetzt werden musste, nicht die eines RBs oder WRs, sondern eines QBs ist, eine ganz besonders große Bedeutung zu. Warum, das muss man sie selbst fragen.

Da fragt dann Wurm aber bange (damit man sich der aus seiner Sicht nationalen Bedeutung bewusst wird): Aber wenn wir Gross nicht hätten, wer würde dann im Nationalteam bloß Quarterback spielen? Na zum Beispiel der, mit dem wir unser bislang einziges WM-Spiel gewonnen haben?

Das kann es nicht sein, dass man sich ernsthaft als völlig selbstlos darstellt, quasi Österreich damit ein Opfer dargebracht habe. Sie hatten bei der beschlossenen Reduktion der Legionäre zwei gute Quarterbacks, andere hatten gute Runningbacks, wieder andere gute Receiver. Mehr ist da nicht.

Simmering sollte nicht Texas werden
Dieses permanent vor sich her getragene „Wir sind Austrias Team“, wir gehen den „österreichischen Weg“-Schild, das kommt mir ein wenig wie das Geplärr des chauvinistischen Dallas vor, welches an sich als „Americas Team“ glaubt.

Die Dragons (drei Imports 2012) machen das übrigens genau so, vielleicht ist es auch deshalb eine Wiener Krankheit, denn es trifft auf sie genau so zu oder nicht zu, wie auf die Giants, Rangers oder Raiders.

Wenn man das will, als einzigartig, weil superextrapur österreichisch dastehen (was eben nicht stimmt), dann wird man sich auch die Beliebtheitswerte der Cowboys außerhalb ihrer vier Wände über kurz oder lang teilen müssen. Das mag nämlich niemand, wenn alle das selbe tun, einer aber meint, er mache eigentlich etwas ganz anderes, was freilich viel besser ist und andere erstmal erreichen müssten. Die Giants hatten heuer zwei Imports am Roster der Bundesliga. Probiert das mal aus, ihr da, die ihr euch am „österreichischen Weg“ befindet!

Zusammengefasst: Die Vision, die hier eingelöst wurde, ist nichts anderes als das sich simple Halten an vorgegebenen Regeln. Alle anderen Visionen darüber hinaus, blieben auch solche.

Mit erreichten Zielen heute hausieren zu gehen, im Glauben es wüsste eh keiner mehr welche das ursprünglich waren, das kann und darf man nicht durchgehen lassen.

Man kann darüber den Mantel des Schweigens werfen.

Aber ihr zuerst, Vikings.

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