2007 scheiterten die Carinthian Black Lions gegen die Lions. Christoph Wagner, der das 55:19-Debakel Live miterlebte, und Walter H. Reiterer begeben sich auf Ursachenforschung.

Eines ist von vorne herein klar: Man darf in Prag ein Footballspiel auch verlieren. Selbst als alpenländisches Alpha-Tier Europas. Die Tschechen gehören sicher nicht zu den Nobodys der europäischen Szene, die beiden Vertreter aus der Hauptstadt (Lions & Panthers) machen seit Jahren auf internationalem Parkett eine gute Figur. Aber wie konnte es zu einer solchen Klatsche kommen? Weder das Ergebnis (+ 5TDs Prag), noch die + 400 Rushing-Yards der Panthers gegen die Dragons waren auch nur in irgend einer Weise vorhersehbar.

Sind die Dragons das meist überschätzte Team der AFL?
Immerhin reden wir hier vom derzeit Zweiten der stärksten Liga Europas. Betrachtet man deren bisherigen Erfolge in der heimischen Liga, dann könnte man zu diesem Schluss kommen. Alle drei gewonnen Spiele der Drachen endeten denkbar knapp. In Summe reichten 16 Punkte mehr als die Gegner erzielen konnten aus (+2,+7,+7), um drei volle Erfolge einfahren zu können. Die Dragons sind daher auch das einzige Team der AFL auf einem Playoff-Platz mit einem negativen Punkterekord (-6).

Verletzungen und Ex-Spieler als Referees
Dazu hatten die Verlierer jeweils eine gute Ausrede parat. Die Vikings traten bereits mit einem Lazarett an, verloren das Spiel erst am Ende, als auch noch ihr etatmäßiger Quarterback Luke Atwood mit einem Wadenbeinbruch das Feld verließ. Die Turek Graz Giants brachten ihren Starting-Quarterback gar nicht nach Korneuburg mit, dafür hatten sie die Spendierhosen an was Strafen betraf. 151 Yards – ein Mal das Spielfeld runter und zur Hälfte wieder rauf – was für ein Geschenk! Selbstredend dass die Blue Devils in Sachen Penaltys den Grazern davor schon um nicht viel nachstanden: 136 Yards – eine Spielfeldlänge mehr als die Dragons (37 Yards). Zudem stand beim Spiel gegen die Giants ein ehemaliger Dragons-Spieler, und bis 2006 auch Webmaster ihrer Homepage, als Referee an ihrer Sideline, was die Grazer, um es mal höflich auszudrücken, zumindest irritierte. Etliche Giants-Spieler spielten noch gegen diesen Referee, als er noch kein gestreiftes Zebra-Dreß, sondern Drachengrün trug. Geht nicht anders, meinte dazu der Commissioner Christian Steiner, der die Objektivität des Schiris als unumstritten bezeichnete. Für sich wohlgemerkt, denn die Grazer sahen und sehen das anders. Sie wollen kein weiteres Mal einen Referee am Feld haben, gegen den sie selbst noch spielten, als er noch Spieler des aktuellen Gegners war. Der Wunsch ist zumindest nicht ganz unverständlich.

Das wäre zumindest eine einfache Erklärung, warum ein Team, welches die Vikings und Giants schlägt, gegen europäisches Mittelmaß völlig untergeht. Und gerade weil es so schön simpel ist, kann es auch nicht die ganze Wahrheit sein.

Neue Drachen braucht das Land
Es ist viel zu offensichtlich, dass sich im Land der Drachen weit mehr getan hat, so es mit einer solchen 08/15-Rechnung getan wäre. Das beginnt bei Kleinigkeiten (Jerseys, Gameday Magazin), geht über das neue Stadion und dem ansprechenden Gameday bis hin zu den ganz wichtigen Dingen. Die da wären: Coaching, Organisation, Vertrauen auf die Stärke von Eigenbauspieler und Einbau selbiger in die Kampfmannschaft als Schlüsselspieler. Es fühlt sich für die Spieler der Dragons gut an ein Dragon zu sein. Das spürt man. Sieht man sich den Weg der letzten drei Jahre an, dann muss es einem eigentlich dämmern, dass hier etwas ganz Großartiges vonstatten gegangen ist. Nach dem Desaster-Jahr 2005 (0-8) folgte der Abstieg in die Division 1. Selbst dort glänzte man nicht (Platz 3 nach Niederlagen gegen die Invaders und Salzburg Bulls), nutzte die Zeit zum Neuaufbau, gewann im Nachwuchs Meistertitel und inthronisierte den so erfolgreichen Nachwuchscoach Ivan Zivko als Head Coach der Kampfmannschaft. Als man trotzt des mäßigen Abschneidens in der zweiten Klasse den Wiederaufstieg anstrebte, wurde man vielerorts belächelt. Doch die Dragons hielten 2007 überraschend mit den großen Teams bereits Schritt, 2008 begannen sie damit diese auch zu schlagen. Natürlich glücklich – keine Frage – aber die Dragons haben Recht wenn sie sagen, dass es auch das Glück des Tüchtigen sei.

Nur nicht auffallen!
Ähnliche Cinderella-Storys gibt es im heimischen Football leider viel zu selten und wenn, dann werden sie oftmals von Missgunst und Neid begleitet. Immerhin sind wir Österreicher und damit zum Teil in Freud’scher Dauertherapie. Erfolge anderer machen uns im Schnitt eher rasend, Misserfolge glücklich. Die Dragons sind da nicht das einzige Beispiel, auch die Gladiators können davon ein Lied singen, dass es eigentlich keinem Menschen mehr auffällt, wenn sie Budapest vom Feld hauen (war halt Glück), aber jeder sofort unbedingt zu einer Meinung gelagen und selbige auch kundtun muss, verlieren sie ein Spiel (war eh klar, viel zu schlecht, um was auch immer danach noch tun zu dürfen). Weil das Schlimmste in Österreich wäre ja, würde es mehr als drei bis vier Top-Teams geben. Wo kämen wir da hin?

Das Interessante an solchen Statements ist dann stets ihre Herkunft. Je näher man der Sahel-Zone des Footballs kommt, desto verbissener mault die Neidgenossenschaft. Nach dem Motto: Wir bekommen zwar selbst gar nichts gebacken, aber die anderen haben auch nur zwei Sorten Brot! Looser! Mit zwei O natürlich, denn man ist ja Kosmopolit.

Kommen wir zurück zur Überschrift und der Beantwortung der Frage was mit den Dragons in Prag los war.

Punkt 1: Selbstüberschätzung
Die Selbstüberschätzung wurde vor dem Spiel noch als sehr großes Selbstvertrauen wahrgenommen. ‚Wer sind die Prag Panthers? Wir haben heuer bereits die Vikings und die Giants geschlagen.‘ So in etwa die Stimmung bei einigen Leuten. Auch der Schreiber dieser Zeilen dachte sich einen gemütlichen Football Nachmittag in Prag machen zu können. Was kann uns schon passieren? Jetzt sind wir älter und gescheiter.

Punkt 2: Das Defensive Back Problem
Im Defensive Backfield mussten drei Starter ersetzt werden. Jason Buckmier fiel der EFAF Regel (drei Amerikaner am Gameday Roster) zum Opfer. Zusätzlich fielen Veteran Fuat Rusitovic und Nationalteamspieler Schahin Gholami aus. Die Ersatzleute hatten große Probleme sich gegen die Blocks der tschechischen Receiver zu behaupten. Daran wird zu arbeiten sein.

Punkt 3: Sonstige Verletzungen
Andrej Klimans‘ Verletzung ist noch nicht ganz ausgeheilt und daher wurde nichts riskiert, was nachvollziehbar ist. Ein anderer Schlüsselspieler, DE Marko Rados, war ebenfalls angeschlagen, biss aber auf die Zähne. Man konnte aber von der Tribüne aus erkennen, dass er nicht voll einsatzfähig war.

Punkt 4: Joshua Shrum
Der Amerikaner, der in der Offense der Panthers als Runningback und in der Defense im Defensive Backfield agierte, hatte ein Career Game. 235 Yards Rushing, drei Touchdowns und ein unglaublicher Schnitt von 13,8 Yards pro Versuch sind unglaublich. ‚I can’t believe it‘ , so auch das Zitat des Spielers nach dem Match, wir wollen es auch kaum glauben. In der Defense fing er zu Beginn des vierten Quarters dann noch einen Pass von Tom Marsan ab und retournierte ihn für 65 Yards in die Endzone der Niederösterreicher.

Punkt 5: Geänderte Panthers Offense
Aus der Double Tight Offense, die der tschechische Meister in der heimischen Liga spielt, wurde eine Offense mit meistens drei Receivern. Somit wurde das Spielfeld breiter gemacht. Der Panthers-Head Coach meinte ohne diese Anpassung hätte seine Mannschaft keine Chance auf einen Sieg gehabt. Die Option Plays gingen auf. QB Jakob Shrum sowie sein Bruder Joshua spielten unter John Srholec bereits in einer High School in Idaho.

Die Mischung ist unseres Dafürhaltens für die Klatsche von Prag verantwortlich. Dazu verloren die Dragons von Beginn an das Momentum und es lief alles in eine Richtung. Cup-Feeling pur – der Underdog wird zum Lehrmeister.

Einzig positiv von diesem Spiel zu vermelden ist, dass Head Coach Zivko gegen Ende der Partie, als die Niederlage unvermeidbar war, Backups rein holte, um wenigstens etwas Gutes aus Tschechien mit nach Hause nehmen zu können. Die Dragons können sich nun voll und ganz auf die AFL konzentrieren, deren Playoffs sie bereits erreicht haben.

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