So schön hätte es sein können. Die San Francisco 49ers führen klar die NFC West nach Woche 7 an und kommen stark wie schon lange nicht nach London. Die Denver Broncos nützen den notorisch schlechten Start der Divisionsgegner aus und Tim Tebow ist bereits nach wenigen Partien der Star und Leader des Teams. Europa erlebt American Football auf höchstem Niveau. So schön hätte es sein können.

In etwa so hat es sich der Vorsitzende des NFL international committees und Besitzer der als Heimmannschaft deklarierten 49ers John York vorgestellt. Daraus geworden ist: Letzter der AFC West gegen Letzter der NFC West. Beide Teams haben in der letzten Woche eine schmachvolle Niederlage einstecken müssen. Die Gäste aus Denver brachten den Oakland Raiders einen neuen Rekord und ließen 59 Punkte zu. Die Gäste aus San Francisco durften gegen eine Panthers-Offense spielen, die in den vorigen Spielen etwa 220 Yards den Ball bewegte. Resultat: 380 offensive yards für Carolina und mit 23-20 eine weitere Niederlage durch ein 4th Quarter Field Goal.

Die 49ers Niederlage ist nicht die erste ihrer Art. Im ersten Offense Drive marschieren sie über das Feld und machen das dritte Spiel in Folge ein Touchdown. Aber an offensivem Feuerwerk ist es das aber auch schon gewesen, das gefühlte siebte Spiel dieses Jahres. Quarterback Alex Smith zeigt sich abgesehen vom ersten Drive inspirationslos, wenn auch ohne Turnover. Bei einem 2nd and 20 an der eigenen 10 sieht aber Rookie Right Tackle Anthony Davis wie ein Tollpatsch aus und Carolina Defensive End Charles Johnson begräbt Alex Smith unter seinen vielen Pfunden. Die linke Schulter mag das verständlicherweise gar nicht und der Quarterback versäumt zwei oder drei Wochen. Statt ihm spielt der andere First Overall Pick David Carr zu Ende. Man sieht ihm und seinen Coaches das fehlende Vertrauen in ihn bei jedem Spielzug an und er wirft am Ende eine mitentscheidende Interception. Entscheidender ist aber, dass die Defense ein ums andere Mal nicht vom Feld kommt und die Rookie Receivers David Gettis und Brandon LaFell gemeinsam mit 14 Catches für 216 yards und zwei Touchdowns den 49ers ihre größte Schwäche aufzeigen – ihre Secondary. Nate Clements war als questionable gelistet, und hat mehrmals auch so ausgesehen. Dass situational Pass Rusher Ray McDonald einen Pick six macht, nützt auch nichts. Mike Singletary reagiert, schaut sich sehr viel Game Film an und opfert David Carr. Der Smith-Backup bleibt Smith-Backup. Am Halloween-Sonntag startet erstmals für die 49ers Troy Smith, der Heisman Trophy Gewinner aus dem Ohio State College. Dass der Quarterback am Mittwoch sein erstes Training als richtiger Niner und nicht als Scout Team Player bekommt, scheint nicht weiter zu stören. In der Defense gibt es bis dato keine bekannten Änderungen, abgesehen von einer unwesentlichen Practice Squad Transaction. Gespannt darf man sein, ob Takeo Spikes weiterhin Spielzeit an Rookie Navorro Bowman verliert. Der Rookie hat seine Aufgaben bisher in den seltensten Fällen erfolgreich erledigt – und zu oft mentale Aussetzer gezeigt. Aber ehrlich: Wer redet im Moment schon über defensive Probleme, wenn er von den 49ers spricht? Zwei Themen herrschen: Quarterback und Coaching. Letzteres verdient nach den bisherigen Spielen als das Letzte bezeichnet zu werden. Der neue Offensive Coordinator Mike Johnson zeigt bisher nur kurze Hoffnungsschimmer.

In den Football Outsiders DVOA-Statistiken ist San Franciso nur gegen den Lauf in den Top 15, da allerdings auf Platz 2. Denver hingegen ist in nur einer Kategorie in den Top 25: Die Pass-Offense ist fünfte der NFL. Laufspiel ist am letzten Platz und gegen den Pass und gegen den Lauf sind sie 29. Bzw. 31. Sprich, auch bei Denver funktioniert nur eine Dimension des Spiels. Sie heißt Kyle Orton. Er ist weiterhin ein Garant dafür, dass die Broncos in Spielen drinbleiben können, auch wenn der Rest des Teams sein bestes tut, das zu verhindern. Die Tatsache, dass sie so oder so kein Laufspiel haben, lässt die einzige Stärke der 49ers ins Leere laufen, und die große Frage wird sein, ob Orton das Team alleine zum Sieg führen kann.

Knowshon Moreno ist zwar wieder fit, fabrizierte am Boden aber nur 53 Yards gegen die Raiders. Er fing dafür beide Orton-TDs und könnte dementsprechend auch gegen San Francisco eher eine Gefahr im Passspiel darstellen. Zu ihm gesellen sich Jabar Gaffney und Eddie Royal, die beide als Posession Receiver Orton am Leben erhalten und mit Brandon Lloyd ein Veteran als Deep Threat, der definitiv auf dem Weg zur besten Saison seiner Karriere ist. Was einiges heißt für jemanden, der seit 2003 in der Liga unterwegs ist. Lloyd ist zweiter der NFL in receiving yards (709), zweiter bei Football Outsiders DYAR-Metrik und vierter bei YPC für Spieler mit mehr als 10 Receptions.

Die Broncos Defense erlaubt bisher 28.4 Punkte pro Spiel und spielt seit der Verletzung von Sensationsrusher Elvis Dumervil miserable. Nur ein Starter der Defense, D.J. Williams, wurde tatsächlich von Denver gedrafted, und die Unit hat seit 2006 gravierende Probleme, und heuer sind mit Verletzungen bei Dumervil, CB Andre Goodman und Safety-Legende Brian Dawkins wichtige Leistungsträger ausgefallen. Zumindest die letzten beiden sind aber gesund genug, um gegen die 49ers etwas Spielzeit zu bekommen, ein bisschen Hoffnung lebt also doch noch, vor allem, wenn man bedenkt, dass die gegnerische Offense nicht zu den Juggernauts der Liga gehört, gelinde ausgedrückt.

Noch ein Wort zu Troy Smith: Die wenigsten erinnern sich daran, aber er hat als Rookie 2007 die Steelers geschlagen in einem für letztere bedeutungslosen Woche 17 Spiel, als sie schon für die Playoffs qualifiziert waren und Starter auf der Bank ließen. In der Dick LeBeau-Defense fehlte aber nur Troy Polamalu, und Smith warf ein 90+ QB-Rating auf dem Weg zum Sieg. Wenige junge QBs schlagen Dick LeBeau, und wenige Backups kommen 4 Jahre und fast 90 Attempts lang mit nur einer INT durch. Smith hat also durchaus das Potential, mit einem guten Spiel in London für Aufsehen zu sorgen und die interessanteste Figur am Feld zu sein. Was, leider, gegen die Qualität der hinreisenden Teams spricht, aber doch ein Wehrmutstropfen für uns Zuseher ist.

Und das Stadion soll ja auch nicht das hässlichste sein, munkelt man.

NFL International Series
San Francisco 49ers vs. Denver Broncos
31. Oktober 10 | 18:00
Wembley Stadium | London
Ab 00:55 auf Puls 4
Kommentatoren: Daniel Fettner & Hany Razi

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