Martin Pfanner suchte für Football-Austria im Happyland nach Antworten auf die titelgebende Ungewissheit.

Die Ausgangslage war vor dem Spiel einigermaßen klar. Die in der AFL sieglosen, personell stark dezimierten Emser Teufel wollten, durch die Erfolge im europäischen Bewerb beflügelt, dieses Manko im heimischen Bewerb endlich ausmerzen. Die sich in Lauerstellung befindlichen Dragons ihrerseits die ihnen schon länger zugedachte Rolle als Geheimfavorit auf die Austrian Bowl manifestieren. So sollte es dann vor geschätzten 350 Fans bei wunderbarem Football-Wetter ans Eingemachte gehen.

Überraschende Unkenrufe
Einige Zuschauer hatten sich noch nicht einmal auf ihren schattigen Plätzen eingefunden, als es bereits zum ersten Mal in der Drachen-Endzone klingelte. Der ersten Spielzug der Partie – ein Pass von QB Tyler Arciaga – segelte über die Köpfe der in weiß spielenden Gastgeber, fand in Devils WR/DB Christian Steffani einen dankbaren Abnehmer und sogleich stand es 0:6 aus Sicht der schockierten Heimmannschaft (Extrapunkt Martinz an die Stange).

Die Devils befanden sich in einer, zumindest in der höchsten österreichischen Spielklasse, ungewohnten Situation wieder. Man lag früh in der Begegnung vorne. Die Klosterneuburger wollten an dieser Tatsache logischerweise etwas ändern. Taten sie aber nicht. K Martin Wunderer folgte dem Beispiel seinen Gegenübers Martinz und setzte, nach einem ansehnlichen Drive seiner Kollegen, ein FG aus 40 Yards an die Stange. Postwendend marschierte der Vorarlberger Kontrahent, angeführt von WR Mo Mortazavi und Robin Haas, in die Gegenrichtung, diesmal klappte es auch mit dem Abschluss, wenngleich es ’nur‘ für ein 27-Yard Field Goal von Oldie Martinz reichen sollte. 0:9 und die ersten Unkenrufe nach einer potentiellen Überraschung wurden laut.

Geistige Tiefschläfer
Einmal mehr stellten sich die Teufel aber selbst das ein oder andere Beinchen. Durch einen Late-Hit-Penalty wurde den Drachen beim Kickoff ausgezeichnete Feldposition zugestanden, QB Arciaga ließ sich erst beim dritten Versuch mit einem 45-Yard Pass auf Martin Kuen bitten, dieser vollendete aber völlig frei stehend zum 7:9-Zwischenstand. Defensive Coordinator Francisco Lujan sprang an der Seitenlinie auf und ab, fluchte wie ein Rohrspatz, musste den TD aber dennoch hinnehmen. Seine Mannen hatten schlicht und ergreifend gepennt.

Im geistigen Tiefschlaf befanden sich offensichtlich nicht nur die teuflischen Verteidiger, sondern im Folgenden auch QB Toby Henry, der eine Interception warf (Stefan Pokorny) und wenig später im Mittelpunkt des, im wahrsten Sinne des Wortes, hitzigen Gefechts stehen sollte. In einer strittigen und für den Autor nicht klar einsehbaren Situation waren Robin Haas und Dragons LB Andreas Düringer an einander geraten. Beide wurden vom Spiel ausgeschlossen, Haas mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine verabschiedet.

Da die Vorarlberger bereits ohne wichtige Leistungsträger (DE/TE Paul Graca, FB Oliver Fröhlich) antreten mussten, war dies vermutlich nicht die klügste Aktion um dem Team weiterzuhelfen. Die Dragons ließen sich von diesen Szenen jedenfalls nicht beirren und schritten rasch in Richtung gegnerische Endzone. Just zu diesem Zeitpunkt legten die Teufel einmal mehr eine eklatante Unkkonzentriertheit an den Tag. DC Lujan hatte im Vorfeld mehrmals vor der #25, DB Peter Athans, in der Offensive gewarnt. Als Athans plötzlich Teil der Formation war, fühlte sich keiner der elf Gäste für selbigen verantwortlich, der 18-Yard Lauf zum 14:9 war nurmehr Formsache. Sogleich wusste der fassungslose Coordinator mit hohem Unterhaltungswert zu überzeugen. Eine Mischung aus Pingpong-Ball und besagtem Rohrspatz, angereichert mit einer Menge an nicht jugendfreien Worten, soll hier als Beschreibung dienen.

Nicht minder amüsant war Lujans Aufführung als die Teufel nach eigenem 3&out durch einen 20-Yard Pass von Arciaga auf WR Christopher Medlen noch weiter ins Hintertreffen gerieten. 21:9, Lujan zuckte, die Fans applaudierten und die Devils schienen ratlos. Kurz vor der Halbzeit schien diese Ratlosigkeit verflogen zu sein, hatte man sich doch brav eine 1st&goal-Situation an der Dragons 3 erarbeitet. Uninspiriertes Play-Calling verhinderte jedoch bei auslaufender Uhr einen Anschluss-TD vor der Halbzeit.

Der Rest …
Das dritte Viertel begann, wie das vorangegangene geendet hatte. Die Drachen heizten den Teufeln mit einem aggressiven Pass Rush stetig ein und erzwangen so immer wieder dritte Versuche und weite Distanzen, die es zu überwinden galt. Auf der anderen Seite des Balles halfen Peter Athans und der wieder genesene RB Andrej Kliman mit kraftvollen Läufen Kicker Wunderer die Scharte des verschossenen Field Goals auszumerzen. Dieser vergab allerdings wieder, dieses Mal aus einer Entfernung von 25 Yards.

In Folge machten sich bei Hohenems erste Auflösungserscheinungen bemerkbar. Wenig verwunderlich, hatten die Dragons über den Daumen gepeilt bei jedem Spielzug mehr Spieler an der Seitenlinie, als die Emser überhaupt Personal mit nach Klosterneuburg mitgebracht hatten. Es ging weiters nurmehr in kleinen Schritten nach vorne, Mo Mortazavi sorgte als einer der wenigen Lichtblicke auf Hohenemser Seite für stetiges Vorankommen. Wie so oft an diesem Nachmittag kam der Offensivmotor der Vorarlberger aber gewaltig ins Stottern, sobald es in die Nähe der Dragons Endzone ging. Eine Incompletion beim vierten Versuch war das Optimum, das Toby Henry unter starken Druck stehend, noch bewerkstelligen konnte.

…vom Schützenfest
Spannungsgeladen sollte es erst wieder im letzten Durchgang zugehen. Die Dragons vergeigten vier Versuche an der 40 der Teufel, kassierten im Gegenzug einen 45-Yard Catch von WR Thomas Jung und einen 2-Yard QB-Sneak von Henry zum TD. Im direkten Gegenzug befand sich so mancher Devils Verteidiger aber bereits wieder auf Tiefschlafwolke 7, wodurch WR Christopher Medlen unbedrängt zum beinahe vorentscheidenden 28:16 kommen sollte. Beinahe, weil Toby Henry ein letztes Aufbäumen seiner Mannschaft anzetteln konnte. Begünstigt durch seine enorme Mobilität war es ihm möglich den aus allen Richtungen schießenden Drachen zu entkommen und schließlich TE Andreas Freter für dessen ersten AFL-TD in der Ecke der Endzone zu finden. Beim 28:23 blieb es allerdings nur kurz. Drache Klieman, von seiner Rückkehr sichtlich beflügelt, tanzte die halbe Defensivabteilung der Teufel schwindelig und besuchte, zum letzten Mal an diesem Nachmittag, die Endzone. 35:23, das Spiel hatte seinen Endstand.

Antworten. Und neue Fragen
Die Klosterneuburger wurden ihrer (Geheim-)Favoritenstellung letztendlich doch gerecht. Ein sichtlich zufriedener HC Ivan Zivko, nach dem Spiel jeden seiner Funktionäre und Spieler herzend, will sich auf diese Rolle aber nicht festnageln lassen. Im Land der Drachen regiert immer noch das Understatement, die Gedanken wandern nie weiter als bis zum nächsten Spiel.

Wie gut sind die Drachen wirklich?
Fakt ist, dass mit den ‚Großen‚ mitgehalten bzw. die ‚Kleinen‚ geschlagen werden konnten. Zwei wichtige Ingredienzien um im knappen AB-Rennen auf Augenhöhe mit der Konkurrenz zu bleiben. Fakt ist aber auch, dass der Erfolg den dritten Tabellenplatz einbrachte. Um es mit den leicht abgewandelten Worten einer Kindersendung zu formulieren. ‚Ob sie wirklich richtig stehen, sehen sie wenn das Licht angeht.‚ Diese werden in knappen zwei Wochen in Graz angehen, in einem Spiel das für beide Mannschaften Endspielcharakter haben wird.

Quo vadis, blauer Teufel?
Die wacker kämpfenden Hohenemser versuchen sich währenddessen mit Durchhalteparolen zu motivieren. Auch angesichts der nächsten Hiobsbotschaft. Aller Wahrscheinlichkeit zog sich Linebacker und Leading Tackler Dennis Dottin-Carter einen Bizepsriss zu und wird sich so zu der üppigen Riege an Rekonvaleszenten gesellen müssen.
Allerdings könnten besagte Parolen bald ausgedient haben. Mangelnde Chancenauswertung, indiskutable Protection/Blocking-Arbeit (sechs Sacks gegen Henry, nur 47 Rushing Yards; zum Vergleich: Arciaga wurde nie gesackt, die Drachen erzielten 183 Rushing Yards, Anm.) und individuelle Aussetzer sind nicht erst seit dieser Partie ein (alt-)bekanntes Problem. Dementsprechend schwer wird es werden die Mannschaft innerhalb weniger Spiele umzukrempeln und auf Top-Team-Niveau zu bringen. Wie das gehen könnte wissen wohl nur Julien, Lujan und Konsorten. Der Fokus wird sich nun jedenfalls auf den EFAF-Cup richten, da es in der AFL (fast) nichts mehr zu holen gibt.

Training? Ohne mich…?
Erschwerend kommt hinzu, dass die Trainingsbeteiligung im Ländle in letzter Zeit alles andere als berauschend war. OC Joseph Julien monierte diesem Tatbestand nach Spielende auch lautstark im Huddle. Bei anschließender After-Game-Party fügte der 44-Jährige Routinier Remo Martinz mit einem Augenzwinkern hinzu: ‚Es kann doch nicht sein, dass der Kicker die höchste Trainingsbeteiligung hat.‚ Auch wenn viele Fragen offen blieben, hierfür gibt es eine Antwort. Doch, kann schon, sollte aber nicht sein. (mp)

AFL
Danube Dragons vs. Cineplexx Blue Devils 35:23
(7:9/7:0/0:0/14:14)
19. Mai 07 | Kickoff 16:00
Happyland, Klosterneuburg
Officials: Müller / Dungler / Savicevic / Stajerits / Hofbauer / Schiller

1. Qu.: 7:9
TD DEV Christian Steffani
(Interception Return TD) 0:6 (PAT no good)
FG DEV Remo Martinz 0:9
TD DRA Martin Kuen
(45 Yards Pass Tyler Arciaga) 7:9 (PAT good)
2. Qu.: 14:0
TD DRA Peter Athans 14:9
(PAT good)
TD DRA Chris Medlen 21:9 (PAT good)
Halbzeitstand: 21:9
3. Qu.: 0:0
4. Qu.: 14:14
TD DEV 21:16
(PAT good)
TD DRA Chris Medlen 28:16 (PAT good)
TD DEV Christian Steffani 28:23 (PAT good)
TD DRA Andrej Kliman 35:23 (PAT good)
Endstand: 35:23

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Gameday im Drachenland
Schade, dass sich nur ca. 350 Menschen nach Klosterneuburg verirrt hatten. Oder die Ortschaft doch absichtlich aufgesucht hatten. Wie auch immer. 
Im beschaulichen Happyland wird seit dieser Saison wieder erstklassiger Football geboten (Achtung: doppeldeutig) und der Gameday befindet sich auch auf dem richtigen Weg.
Um an die Gameday-Platzhirsche aus Wien und Hohenems heranzukommen bedarf es zwar noch ein wenig an Zeit, aber die Bewirtung mit ausgezeichnetem American Food funktioniert tadesllos, die Cheerleader Squads legen sich (vor allem in der Halbzeit) mächtig ins Zeug und der Platzsprecher gehört durchaus zu den Besseren seiner Zunft.
Eine überaus engaigerte Presseabteilung nimmt sich jeglichen Belangen des Berichterstatters an, einzig vor heftigem Sonnenbrand (den sich der Autor gestern holte, Anm.) wird nicht geschützt. Noch nicht. 

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