40 Stunden Anreise im Bus von der Ukraine, dabei ging am Weg auch noch ein Spieler verloren, da er russischer Staatsbürger ist und er an der ungarischen Grenzen zurück in seine Heimat geschickt wurde. Hin- und retour knappe 5000km für 2 Footballmatches sollten sich für das Team aber bezahlt machen. Die Ukrainer sind nicht ganz unbekannt, spielten gegen die Vikings in der Eurobowl und kassierten dort trotz ihrer baumlangen Pfundskerle eine klare Niederlage (47-8). Auch ansonsten waren ihre Fahrten Richtung Westen stets von Klatschen begleitet, die Braunschweig Lions servierten die Wikinger des Ostens in zwei Partien mit einem Gesamtscore von 121-7 ab. Highlight bisher war ein knapper Sieg (10-9) gegen die Moskau Patriots im Jahr 2002.
Also was durfte man sich erwarten von einem Duell zwischen einem Team, welches insgesamt in seiner Geschichte 2 Touchdowns gegen Teams aus Mitteleuropa erzielt hat, gegen die (noch immer) aktuelle Nummer 19 des EFAF Rankings? Sehr viel, denn wie geduldig dieses Papier ist, sollte sich dann schnell zeigen. Natürlich sind die Dragons nicht die #19 Europas, eventuell waren sie das auch zu keiner Zeit, daher hätte man auch schon in Vergangenheit dem Blatt auf dem das geschrieben steht keine Bedeutung zukommen lassen sollen. Die Top 20 sind mangels eines zwanzigsten auf der Liste sowieso nur 19 und verkündet man stolz man sei dieser 19. darauf, dann sagt man damit gleichzeitig auch, daß man der letzte ist. Wie auch immer – das Herzeigen und Herumwacheln mit dieser Liste war uns stets suspekt, wie auch ihr Zustandekommen.
Es kam also alles ganz anders und das auf eine für die meisten Beteiligten überraschende Art und Weise. Die Vargangians traten wie erwartet als körperlich sehr starkes Kollektiv an, die Dragons als ihre willfährigen Opfer. Ein paar Minuten nach Kickoff stand es "nichts : viel" für die Ukrainer, wobei die Klosterneuburger beinahe tatenlos zuschauen mußten wie Artyom Pavlov (0-7 PAT good), Nikolai Pristavka (0-13 PAT no good), Denis Dubrov (0-20 PAT good) und noch mal Pristavka (0-27 PAT good) für ihr Team scorten als gäbe es die Dragons Defense nicht. Wobei tatenlos hier relativ ist, man sah 3 Fumbles auf Seiten der Drachen bei Kick Returns und je zwei Mal war man 3 bzw. 4 & out. Die Offense kam nie über die Mittellinie, es gab keinen first down in den ersten 12 Minuten.
So recht glauben mochte das niemand, was sich am Feld abspielte. Unentschlossen fragende Gesichter beim Publikum (Das kann es aber nicht sein? bzw. auch: Kann’s das sein?) welches teilweise auch leicht verärgert angesichts der gezeigten Leistung der Österreicher war. Die Ukrainer gingen motiviert bis leicht übermotiviert in das Spiel, was sich nach dem Ausschluß ihrer #99 im zweiten Viertel nicht wirklich ändern sollte.
In diesem fing Martin Knoll einen Paß von QB Daniel Dallinger zum first down, Alexander Schubert versuchte sich an einem Field Goal, beim Versuch blieb es auch. Aus dem Versuchsstadium bereits heraußen: Igor Nesterov mit einem schönen Interception Return Touchdown zum 0-33. Sehr darüber aufregen mußte sich ein Spieler der Dragons, da er zuvor ein Foul verspürt haben will. Das Anbrüllen des Referees änderte am Score aber gar nichts, dafür kassierten die Dragons folgerichtig ein unsportsmenlike conduct. Geschrieen wurde generell sehr viel und gerne. Die Dragons schrieen von der Sideline zu den Ukrainern der Verzweiflung nahe, daß es sich um ein Freundschaftsmatch handle (it’s a friendship game!), ein des Englischen mächtiger Spieler der Weitgereisten brachte stellvertretend für sein Team ihren Standpunkt darüber zum Ausdruck und schrie "it’s a football game!" zurück. Das Publikum schrie angesichts des Auftritts der Dragons nun um Hilfe und Niolai Pristavka schrie auf russisch etwas Unübersetzbares in der Dragons Endzone als er darin samt Ball herumtanzte. Dem 0-40 (PAT good) ging eine Interception von Alexander Amekin voraus. Was sah man von den Dragons noch vor der Pause? Zwei first downs, noch einen Fumble beim Kick Return und eine weitere Strafe der Marke unsportsmenlike conduct für gutes Benehmen. Mangelnde Etikette und unsauberes Spiel warf man seitens der Drachen aber nur dem Gegner vor. Head Referee Zwicker wurde deshalb zur Halbzeit auch ein Vortrag über die Gefahren des Footballspiels gehalten, dieser hörte sich das Gezeter freundlich aber völlig unverbindlich an.
Generell lag ein Mißverständnis vor. Für die Ukrainer war dieses Turnier das Ereignis des Jahres und sie gingen hochmotiviert in selbiges rein. Die Dragons wollten scheinbar bloß ein wenig freundschaftlich probieren, haben sich dafür aber den denkbar schlechtesten Gegner ausgesucht. Von einem extrem schmutzig geführten Spiel der Donetsker kann nicht wirklich die Rede sein (wie danach als Mär erzählt). Sie spielten knüppelhart, manchmal jenseits der Grenze des Erlaubten, bekamen dafür auch einige Strafen, doch wir haben bei aller Freundschaft schon wesentlich heftigeres als das gesehen. Beeindruckend vor allem die Härte der Varangians Ballträger. Mehrmals beobachtet wurden Läufe mit Ball entlang der Sideline, wo man von den sich nähernden Verteidigern nicht etwas ins Out floh (trotz eines bereits erlaufenen first downs), sondern nahm den Tackle (so fern er kam) wie ein gestandenes Mannsbild. Diese Kompromißlosigkeit war einer der vielen kleinen und auch größeren Unterschiede zwischen den ungleichen Kontrahenten.
Eine Strafe (roughing the passer) gab es für die Ukrainer kurz nach Wiederbeginn, als die Dragons ihre "stärkste Phase" hatten. Nach einer Interception folgte noch ein first down, aber ein erneuter Fumble brachte die Ukrainer wieder in Ballbesitz. Es folgte ein langer Drive den Nikolai Pristavka mit einem Touchdown zum 0-47 (PAT good) abschließen konnte. Das letzte Viertel war dann nur mehr eine Defense Schlacht. Die Klosterneuburger konnten vier Versuche in der gegnerischen Red Zone zu keinem Score nutzen, ihre Defense hielt jedoch allen weiteren Angriffen der Ukrainer stand. Was nicht fehlen durfte im vierten Quarter (weil quasi auch schon Tradition): ein Fumble der Dragons bei einem Returnversuch.
So desolat das Special Team der Drachen, so desorientiert ihre Offense. Einzig und alleine in der Defense sah man in der zweiten Halbzeit ein klitzekleines Licht am Ende eines langen und sehr dunklen Tunnels, auf dessen Einfahrt Division I geschrieben steht – die Beschriftung des Ausfahrtsschildes ist noch völlig offen. Es ist zwar noch sehr lange hin bis zum Saisonstart, aber in der Verfassung kann man den Dragons auch ein sehr schweres Leben in der Divsion I vorhersagen. Hier muß noch viel gearbeitet werden damit ein weiteres Abrutschen (anstatt eines direkten Wiederaufstiegs) verhindert wird.
Der sportliche Leiter der Dragons, Robert Katzmayer, war überraschender Weise nicht unzufrieden mit der Leistung seines Teams.
"Wir haben viele Rookies eingesetzt. Jetzt wissen wie wo der Hammer hängt, wenn wir wieder zurück nach oben wollen. Einige Spieler haben durchaus eine ansprechende Leistung gezeigt gegen einen physisch sehr starken Gegner.", so Katzmayer unmittelbar nach dem Match.
Zum Thema gute Leistung fallen dem Betrachter leider nur russisch klingende Namen ein. Wenn man seitens der Dragons daraus etwas Positives ziehen kann, dann soll es gut gewesen sein. Ob man dem österreichischen Football mit der Vorstellung nicht vielleicht auch einen Bärendienst erwiesen hat bleibt offen. Verlieren ist immer erlaubt. 7 Touchdowns gegen einen nun nicht gerade als Großkaliber bekannten Gegner zu kassieren, der zuvor noch 2 Tage in einem Reisebus saß und dabei selbst nicht ein einziges Mal zu scoren, dann schon eher nicht mehr. Man sollte solche internationale angehauchte Schocktherapien gegen mittelklassige Gegner vielleicht in Hinkunft unterlassen, denn mit dem Schaden geht bekanntlich auch der Spott einher. Der Auftritt war mir persönlich peinlich und ich stand mit diesem berührenden Gefühl tatsächlich nicht alleine da.
Überrascht angesichts des Siegs war Donetsk Head Coach Sergey Nepogodin.
"Wir sind natürlich keine 40 Stunden im Bus gesessen um zu verlieren. Wie haben uns zwar ein kleine Chance ausgerechnet, aber doch mit weit mehr Gegenwehr gerechnet. Da war aber nichts da was uns aufhalten hätte können. Wir hätten durchaus noch höher gewinnen können und haben in der zweiten Halbzeit einige neue Spieler gebracht. Ich verstehe nicht ganz was man sich von uns erwartet hat – das wir mit angezogener Handbremse gegen ein Team spielen mit diesem Namen? Hätten wir tatsächlich so Foul gespielt wie behauptet, dann hätten wir ja weit mehr Strafen bekommen müssen."
Diese gab es dann auch am Tag darauf beim Spiel gegen die Invaders. Trotzdem konnten die Ukrainer auch ihre zweite Partie deutlich mit 8-26 gewinnen und sind damit der absolute Gewinner dieser Bowl. Von diesem Match gibt es auf Grund der zusammenfallenden Termine mit den Nachwuchsmeisterschaften keinen Bericht. Laut Augenzeugen vergaben die Invaders dabei zahlreiche Chancen auf Punkte, ein Shut Out der Varangians Defense blieb ihnen erspart.
Autumn Bowl
Danube Dragons vs. Donetsk Varangians Polytechnic 0-47

(0-27/0-13/0-7/0-0)
Invaders Stadium, St. Pölten, 22.10.2005, Kickoff 15:00h
Referees: Zwicker / Müllner / Zemsauer E. / Hölbling / Kreimel
Football-Austria.com Spielbewertung (max. 10 Balls)
Spielniveau:
Ambiente:
Unterhaltungswert:
Krautfleckerln Test:
Football-Austria.com MVP:
Nikolai Pristavka

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