Knalleffekt beim SK Sturm Graz. Eine Meldung, die in aller Regel bei mir eine gehobene Augenbraue hervorruft. Es könnte ja sein, es gibt schon wieder ein Foda’sches Rasenproblem, verursacht durch den Football. Doch dann lese ich das: Christopher Houben ist zum neuen Geschäftsführer des steirischen Vereins bestellt worden. Mit einem unbefristeten Vertrag. Ja saß ich nicht eben noch mit ihm in der Albert-Schultz-Eishalle beim Spiel der Caps gegen Zagreb?! Damals wusste er selber noch nicht, was passieren sollte. Er erzählte mir von Sturm12.at, seinem Blog, der seit der Gründung in ungeahnte Höhen schoss. Eine Parallele zu Football-Austria. Und er hatte Ideen, wie man den Verein weiter führen sollte. Ich hielt es „nur“ für die Gedanken eines befreundeten Journalisten. Ein Blogger, Fan, Sport-Afficionado, wie es einige in meinem Freundeskreis gibt, deren Ansichten mich natürlich brennend interessieren, wenn es mal nicht um Football geht. Ich ahnte nicht, dass es ein paar Wochen später schon so „ernst“ werden könnte. Er damals wohl auch noch nicht.
Die Wege von Christopher und mir kreuzten sich in den letzten zehn Jahren oft und nicht selten waren diese Begegnungen wegweisend. Schicksalshaft könnte man durchaus sagen. Ich behaupte, dass es Football-Austria vielleicht gar nicht, sicher aber nicht so schnell gegeben hätte, wäre mir „Turbo-Houben“ nie begegnet.
2003 veröffentlichte ich einen Artikel über das Eurobowl Halbfinale (Vikings vs. Bergamo), schrieb unter das Titelbild: Der Coach der Italiener gratuliert Tom Smythe zum Sieg. Tags darauf läutete mein Telefon. Es meldete sich: Christopher Houben, Pressesprecher des AFBÖ und (wie ich später erfuhr) ehemaliger Spieler der Graz Giants. Er freute sich über den Artikel, wies mich aber darauf hin, dass der Gratulant nicht der Coach der Bergamo Lions, sondern Michael Eschlböck gewesen sei. Und der wäre relativ neuer Präsident des Verbandes in Österreich. Hoppala, wird ausgebessert. Können wir uns mal treffen?
Wir trafen uns in Folge sehr oft. Die anderthalb Jahre, die er beim AFBÖ war, die haben den Verband bis heute grundlegend verändert. Er verpflichtete die Bundesligavereine per Wettspielordnung zur proaktiven Pressearbeit, was einigen Klubs damals ganz und gar nicht gefiel. Heute ist vieles vom damaligen „Wahnsinn“ wöchentlich gelebte Normalität. Und seine durchaus hartnäckige, bisweilen sogar sture Haltung beim Thema Pressearbeit, welche ihm viel wichtiger war als noch vielen Vereinen, die besiegelte am Ende u.a. auch seinen Abgang. Denn gescheit war der AFBÖ damals selber schon. Da ich in der Zeit zuhauf Material angesammelt hatte, fragte ich Christopher, was ich damit weiter tun soll. „Mach doch einen Blog. Du wirst sehen, die Leute wollen das lesen. Football wird sich in den nächsten Jahren zu einem echten Thema in Österreich entwickeln“. Ich höre es noch, als wäre es eben gesagt worden.
Student Houben ging dann nach New Orleans und wir verloren uns vorerst aus den Augen. Es kam Katrina, er zog via Washington um nach Austin und wurde an seinem Jahr an der University of Texas zu einem Mitglied der „Burnt Orange Nation“. Es waren die ganz guten Tage der Texaner, als Vince Young noch ein Held war und er (Christopher) war auch dabei, als er die National Championship holte. Er kam als Longhorn zurück nach Österreich und begann für Football-Austria ("War doch gar keine so schlechte Idee mit dem Blog, oder?") zu schreiben. Ein Jahr lang, dann konzentrierte er sich auf den Abschluss seines Studiums, startete seine berufliche Karriere bei einem Telekom-Konzern und wir verloren uns, bis auf spärliche Treffen, wieder aus den Augen.
Dank facebook registrierte ich, dass er einen Blog für Sturm Graz ins Leben rief und in Folge dieser eine rasante Entwicklung durchmachte. Christophers unbändige Leidenschaft für den Sport war immer genreübergreifend. Football, AFL, NFL und College, Baseball, Eishockey und eben auch Fußball, wo sein Herz eindeutig pechschwarz gefärbt war und ist, trieben ihn an. Zuletzt verabredeten wir uns wie eingangs erwähnt beim Eishockey und er wirkte da so entspannt, wie auch gestern am Telefon. Es ist auch kein Zufall, dass er in Agenturmeldungen als ehemaliger Footballspieler und Pressesprecher des AFBÖ ausgelobt wird, denn das wollte er so auch alle wissen lassen. Sein Tellerrand endet nicht beim Kicken.
Jetzt ist aus dem Jungspund von damals ein Mann mit 31 Lebensjahren und neuer Geschäftsführer des regierenden Meisters in Österreich geworden. Für mich immer noch schwer greifbar, gleichzeitig aber auch wieder logisch, denn er kann Agenden entwerfen und verfügt über das Talent, andere von seinen Plänen zu überzeugen.
Er selber nimmt die Inthronisierung locker, aber (ganz Footballer) bleibt er dabei auch fokussiert ("Erst analysieren, dann Aussagen treffen") und das ist angesichts der Tatsache, dass er nun in einer der vorderen medialen Auslagen Österreichs steht, auch das Beste was er tun kann. In den Medien kann er sich jetzt schon Fragen anhören, ob er nicht zu jung und zu unerfahren für den Job sei. In Foren wird er von den einen als Zukunftshoffnung gefeiert, von anderen als „Fan-Geschäftsführer“ hinterfragt. Mit dem gestrigen Tag zog er sich auch völlig von seinem gegründeten Blog zurück. Der wird auch ohne ihn prosperieren.
Was Sturm Graz hier gemacht hat, das ist jedenfalls sehr bemerkenswert. Einen kritischen, eloquenten und gebildeten jungen Mann, der aber gleichzeitig von der Fanbasis kommt, dort einen für den Fußball in Österreich gar nicht so unwichtigen Weblog ins Leben rief, zum Geschäftsführer ohne Ablaufdatum zu machen, das ist nicht nur mutig, sondern dem heftet auch der Geruch der Vereinnahmung an. Eventuell handelt es sich sogar um ein geplantes Manöver, um eben dieser Basis vor Augen zu führen zu, dass sie es ja gar nicht selber heben kann. Zuletzt gab es heftige Debatten um den Sponsor im Vereinslogo, ein Zustand der sich nach der Generalversammlung mit knapper Mehrheit hielt. Hört sich von außen wie eine Kleinigkeit an, für viele Fans ist aber klar, dass Puntigamer niemals auch nur annähernd die Rolle von Red Bull spielen darf. Wie steht Houben dann dazu, wenn er Geschäftsführer ist und plötzlich ganz andere Interessen Vorrang bekommen? Spannend. Es kann aber auch etwas ganz anderes dahinter stecken, etwas viel Simpleres: Die Führung von Sturm Graz ist einfach zur Überzeugung gekommen, dass Christopher Houben der beste Mann für den Job ist und diesen auch dementsprechend gut erledigen wird. Und darum hat man ihn geholt. Punkt.
Was auch immer die Motivation ist und uns die Zukunft bringen mag: Christopher, ich wünsche dir alles Gute für deine kommenden Aufgaben und lade doch Coach Foda mal zu einem Footballspiel ein. Es wird ihm sicher gefallen.
Walter
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