Ein wenig Zeit bleibt ja noch bis zum ersten Kickoff in der NFL, darum setzt Football-Austria.com mit der allseits beliebten Serie fort: „Wie schlage ich die Off-Season tot, oder manche behaupten, dass sogar Lesen irgendwie urcool sein soll“.
John Grisham ist als nicht gerade unbekannter Schreiberling für so manchen Bestseller verantwortlich, der oft auch noch in Hollywood durch eine Verfilmung ganz groß abräumen konnte. Wir kennen diese Titel alle und lesen sie alle zwei, drei Wochen in einer anderen Spalte des Fernsehprogramms: Die Firma, Die Jury, Die Akte, Der Klient, Das Urteil und wie sie noch alle heißen mögen.
Bei Der Coach handelt es sich aber nicht um eine typische Grisham-Story, in der sich die gefinkeltsten Anwälte Fakten und Indizien gegenseitig um die Ohren schleudern, und es gibt auch keine undurchsichtigen und konspirativen Gruppen und Organisationen die weiß der Herr welche hundsgemeinen Verschwörungen planen, nein – mit der „Der Coach“ liefert Grisham eine sehr ruhige und, wie es so schön heißt, auch persönliche Erzählung ab, bei der zwar fast die ganze Zeit von American Football die Rede ist, bei der es aber eigentlich nicht um American Football geht.
Worum geht´s dann?
Neely Crenshaw war in seinen Highschool-Jahren der ultimative Star-Quarterback der football-verrückten Kleinstadt Messina. Er führte die Spartans unter den harten, ja fast brutalen Trainings-Methoden des Headcoaches Eddie Rake von Sieg zu Sieg, und ihm wurde zu Recht von allen Seiten die allerrosigste Karriere vorausgesagt, wobei die Heisman-Trophy nur ein kleiner Zwischenschritt zum NFL-Superstar sein sollte… Nun hat es aber das Schicksal so an sich, dass es mit seinen Protagonisten mitunter ein paar andere Pläne hat als diese sich das Leben so vorstellen. Im Falle von Neely Crenshaw ist das in seinem zweiten College-Jahr ein schwerer (late?) Hit ans Knie mit der Diagnose: Schluss, Aus, Vorbei! Das Knie ist hin. Nie wieder Football. Kein Heisman, kein Draft, keine NFL. Out for lifetime!
Hätti-Wari – so könnte man als gelernter Österreicher die Stimmung zusammenfassen, der sich Neely fortan bereitwillig hingibt und sich dabei mehr schlecht als recht durchs Leben frettet. Als etwa 15 Jahre nach dem schellen Ende der Karriere der alte High-School-Coach Eddie Rake im Sterben liegt, kehrt Neely Crenshaw, der bedauernswerte Leider-doch-nicht-Football-Star das erste mal zurück in seine Heimatstadt Messina und gerät dabei in einen Strudel von Erinnerungen an seine glorreiche Highschool-Football-Zeit, in der die Zukunft noch rosig war. Mit Hilfe von alten Teamkollegen und der vertrauten Umgebung beginnt er langsam sein Selbstmitleid aufzuarbeiten, und er bemerkt, dass auch das komplexeste Regelwerk des Footballs nicht das ganze Leben abdeckt. Alles kreist dabei um Coach Eddie Rake, diesen höchst streitbaren Mensch und Trainer, der über Jahrzehnte hinweg nicht nur Generationen von Highschool-Abgängern geprägt hat, sondern als graue Eminenz in Messina mehr zu sagen hatte als alle Bürgermeister und sonstigen Würdenträger zusammen.
John Grisham schafft es, über die gesamte Erzählung eine dichte Atmosphäre zu kreieren, in der es hauptsächlich um Themen und Begriffe wie Zukunftsträume, Scheitern, Schicksalsschläge, Aufrappeln und um das Akzeptieren von unumstößlichen Gegebenheiten geht. Die Kernaussage dabei lautet wohl, dass keiner irgendwelchen versäumten Möglichkeiten und Chancen nachtrauern und sich dadurch für den Rest seines Lebens selbst blockieren sollte. Anzumerken ist, dass dem Herrn Grisham die Erzählung mitunter ein wenig zu pathetisch geraten ist, aber darüber wollen wir jetzt einfach mal großzügig hinweg sehen.
Wie bereits angemerkt, geht es in der Erzählung im eigentlichen Sinn nicht um American Football und man würde dem Buch wohl auch folgen können, wenn man von diesem Sport keine Ahnung hat – aber schaden tut es auf keinen Fall! Es gibt etwa ein großes Geheimnis um ein Meisterschaftsfinale, das von den Spartans unter sehr mysteriösen Umständen gewonnen worden ist, und über dessen Hintergründe sich alle Beteiligten ewiges Schweigen auferlegt haben. Als sich die alten Helden 17 Jahre später zum Ableben ihres Trainers auf der Längstribüne des Spielfeldes treffen, werden auch diese Ereignisse an Hand des Spieles durchgegangen. Und da dabei sehr viele Spielzüge und Game-Situationen höchst spannend beschrieben werden, ist ein wenig Fooball-Fachwissen sicher nicht von Nachteil. Überhaupt stellt dieses legendäre Spiel und das Geheimnis dahinter eine zentrale Rolle in diesem Roman dar, aber mehr wird jetzt nicht mehr verraten.
Da sich der Umfang mit 182 Seiten auch sehr überschaubar darstellt, ist das Büchlein gemütlich in zwei Nachmittagen auszulesen. Dies wurde vom Autor dieser Zeilen am wunderschönen, mondänen Strand von San Sebastian erfolgreich ausprobiert woraufhin hier die vertauensvolle Empfehlung abgegeben wird: Kaufen und Lesen!
John Grisham – Der Coach
Heyne Verlag, München 2005
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