Was man an den vier Spieltagen in der Lavanttal Arena in Wolfsberg zu sehen bekam, ließ einem phasenweise den Atem stocken. Die Mannschaft von Rick Rhoades benötigte gerade mal ein Spielviertel, um ins Turnier zu finden (in dem fielen auch die einzigen Punkte gegen Österreich), danach wurden die Spiele nicht nur einfach gewonnen, sondern die Gegner der Reihe nach vorgeführt. Deklassiert – nicht nur von einer unglaublichen Defensive, sondern auch von einer Agenda, einem Spielplan und dem Spirit von Getriebenen einer Mission, die so die weiteren Teilnehmer zu Zuschauern degradierten.
Wie stark waren diese Gegner? 
Die Antwort ist recht einfach: es gibt nur mehr eine Handvoll stärkere Mannschaften in Europa. Die A-Gruppe eben, mit Frankreich, Finnland, Schweden, Deutschland und den Briten. Italien, ein dreifacher Europameister, mit US-Spielern aus beiden AFLs bestückt (Arena- & Austrian Football League), mit einem Head Coach, dessen Jersey auf seinem Division 1-College in Ehrerbietung retired wurde, schwimmt ja nicht gerade auf der Minestrone daher. Die halbe tschechische Mannschaft schlug 2008 die Danube Dragons, gewann 2009 den EFAF-Cup und hätte wohl auch ins Finale gefunden, wäre nicht Coach Budweiser ihr erster und schlechtester Berater gewesen. Diese Teams gehören bereits der erweiterten Elite des Kontinents an und Österreich war in der C- wie auch in der B-Gruppe eine Klasse für sich.

So wurde die Marschrichtung überraschend locker beibehalten und die Mission ist mit der Teilnahme bei der EM 2010 eigentlich schon erfüllt. Die EFAF konnte (und wollte?) Österreich nach ihren Statuten eine Weile von der großen europäischen Bühne fernhalten, dass wir aber nun ein Dauergast der A-Gruppe über das Jahr 2010 hinweg sein werden, ja daran zweifelt kaum einer.
Smartes Selbstbewusstsein
Was Bernhard Binstorfer als Cheftrainer im Jahr 2006 begonnen hat (wobei der Usrpsrung seiner Arbeit mit dem Juniorenteam zehn Jahre zurück liegt) und danach aus durchaus nachvollziehbaren Gründen wieder sein ließ, hat der US-Amerikaner Rick Rhoades aufgenommen, modifziert und zu etwas gemacht, was man ihm und der Mannschaft in der Form vorher kaum zugetraut hätte: Eine eingeschworene Truppe, schlagkräftig, smart und selbstbewusst. Wir müssen uns heute vor keinem Gegner im Jahr 2010 fürchten, auch nicht vor der deutschen Mannschaft, die personell aus einem acht Mal so großem Pool schöpfen kann und finanziell deutlich mehr Zuwendung von offizieller Seite erhält. Es ist jedoch der Schnelle, der den Langsamen frisst. Groß und klein sind schon lange keine Kategorien mehr in Football-Europa, weil was macht Italien (x-facher Euro Bowl-Gewinner und Europameister) denn dann noch in der B-Gruppe? Wo sie übrigens auch tatsächlich heute hingehören. Die absurdeste Wortspende der denkwürdigen Woche kam nämlich vom US-College Helden Brock Olivo (Head Coach Italien), ein noch junger Mann, dem sie in den USA rote Teppiche ausrollen, der stur die Meinung vertrat, Italien hätte sich bloß selbst geschlagen und die Defense von Österreich hätte damit rein gar nichts zu schaffen gehabt. Man sieht: Name schützt vor Torheit nicht.
Österreich als Europameister – warum nicht?
So kann man die Ziele durchaus noch höher stecken. Ein Europameistertitel als frecher Gedanke ist so unrealistisch wie er klingt nun nicht und – seien wir uns da ehrlich – konkreter als ein sechster Platz allemal. Also wozu jetzt klein denken, wenn das Team gar Großes zu leisten imstande ist? Wollen wir die EM gewinnen? Sicher doch! Können wir das auch? Ja. Das wird kein Wolfsberger Spaziergang, sondern eine Frankfurter Rallye mit Steilkurven und Schikanen. Es kommt Wahrheit auf den Tisch, bei dieser Nagelprobe. 

Kritik verstummt? Nicht ganz.
Der Schwachpunkt der Mannschaft, das ist ihre Passing-Offense. Das Gute daran: auch sie weiß das. Es neigt niemand dazu, diese offene Flanke schön zu reden oder gar zu ignorieren. Wir haben einen blutjungen Quarterback under center. Christoph Gross wird im kommenden Jahr aber wohl kaum schlechter werden und dass er das Potential zu einem echten Spielmacher hat, stellte er heuer mehrmals eindrucksvoll unter Beweis. Bei allen Fehlern, die ihm noch unterlaufen: er ist wohl der Mann, auf den Rhoades auch 2010 und 2011 setzen wird. Man kann nach dem Rücktritt von Philipp Jobstmann nur hoffen, dass er sich 2010 bei den Vikings nicht mit einem Amerikaner um die Position streiten muss, oder gar ‚Jobstmann-like‘ in der Backup-Rolle vermodert, bis er stinkig das Handtuch wirft. Er ist kein Champagner, den man nur lang genug lagern muss, damit er nach was schmeckt. Das Warten auf Bernd Dittrich ist in diesem Konnex wie das Warten auf Godot. Das ist kein Thema, weder für ihn, noch für das Nationalteam zur Zeit und, wie es aussieht, auch nicht über das Mittelfristige hinaus. 
Bleibt noch, die Performance des AFBÖ als Veranstalter zu beleuchten. Vier Spieltage – echte 6.000 Zuschauer – volles Haus bei Österreich-Spielen – gut bis sehr gut besucht bei allen anderen Spielen. Der Verband ist keine Event-Company, sondern traut sich – in dem Fall gemeinsam mit der Stadt Wolfsberg – als Alternative aufzutreten. Mit einer kleinen Gruppe an bezahlten und einer Schar an ehrenamtlichen Mitarbeitern. Wer sich in Wolfsberg einen kompletten Vikings-Gameday erwartet hat, ja der wurde vielleicht enttäuscht. Okay, mit den VIPs war auch was. Da stand etwas so nicht im Prospekt, wie es dann vor Ort war. Statt 4-Stern fix dann halt doch nur 3-Stern Roulette und der viel zu kleine Pool war auch nicht vorgeheizt. Wie schon bei der Austrian Bowl.

Wer sich allerdings ein vernünftiges Stadion, gute Stimmung, tolle Fans und nicht viel mehr als das erwartet hat, der wurde gut bedient.

meint Ihr 
Walter H. Reiterer

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