Eine noch undefinierte Kluft zwischen Kristallwelten und Holzverschlägen, zwischen Rave-Lines und Grave-Lines tut sich auf, meint Walter H. Reiterer.
Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass alles beim Alten ist. Bis auf den Doping-Vorfälle in der Austrian Bowl, aber so neu ist das Thema nun auch wieder nicht. Das gab es schon zuvor.

Es ist (schon wieder) Offseason und das ist die Zeit der ‚harten‘ Ansagen. Manfred Mocher tritt zurück und dann wieder hin, Christoph Piringer will die Vikings kaufen, dann doch ’nur‘ die Floredo-Brüder, das Burgenland marschiert in Serbien und in Ungarn ein und bekehrt die Polit-Heiden zur Monarchie und der Rest tut so, als wäre er vermisst in Caorle oder an der türkischen Riveria. Nur die Wichtigen und Tüchtigen sind um die Zeit tatsächlich beschäftigt.

Heuer ist das anders. Manfred Mocher trat nicht zurück, Christoph Piringer kauft sich Trainer, keiner der beiden droht mit Abstieg, gesagt wird es trotzdem. Gehandelt soll auch werden. Dieses Mal aber wirklich!

Die Herren machen ernst, wie es aussieht. Einer will, der andere muss, bzw. einer will nicht mehr, der andere kann gar nicht mehr. Der Ofen ist aus, der letzte Holzscheit verbrannt – auf zur Kernenergie!

Die Wahrscheinlichkeit ist so hoch wie nie, dass diese Ansagen auch Folgen haben werden. Keine guten für die Bundesliga.

Wir stehen vor einer AFL 2009 mit vier Teilnehmern. Oder fünf. Oder drei. Oder zwei?

Das bedarf einer näheren Betrachtung und Erläuterung. Die Entwicklung zweier Vereine in der höchsten Spielklasse ist ebenso spannend und interessant, wie auch gefährlich. Das Duo hat hier Großes geleistet, womöglich stellt es sich am Ende aber als zu groß für eine doch sehr kleine Liga dar, da der Rest dem Geschehen offensichtlich nur mehr unter Ächzen folgen kann, bzw., das gar nicht mehr will.

Das ist die vereinfachte Form. Brechen wir sie herunter.

Karl und die Amateure

Karl Wurm, Mitte 50, seit Anfang der 90er-Jahre Präsident der Vienna-Chrysler-Dodge-Raiffeisen-?-Vikings, Werbekaufmann, Inhaber einer kleinen aber feinen Agentur, eloquent, gescheit, bauernschlau, fleißig, zielstrebig und ehrgeizig. Er führte die Wikinger vom sportlichen Großstadtsumpf zum x-fachen Euro Bowl-Gewinn, von einer muffigen Bio-Wiese im Prater in ein High-Tech-Footballzentrum am Stadtrand. Eine Erfolgsgeschichte seinesgleichen. Er hat den Erfinder des intellektuell-formalen Ösi-Footballs, Dr. Stefan Herdey, in seine Schranken gewiesen, besiegt und eines Besseren belehrt. Wien ist net deppert, Herr Doktor!

Vor einiger Zeit rief Wurm das Amateur-Dogma aus. Alle müssen Amateure bleiben, speziell seine Spieler, weil ist das nicht so, dann zieht er sich sofort zurück, würde er dann keinen Weg mehr sehen, den Betrieb wirtschaftlich rentabel aufrecht erhalten zu können.

Anlass war damals, dass Hohenems einigen Spielern der Vikings mit Geld winkte, was PKW als Anfang vom Ende bezeichnete. Dass zuvor schon ein Spieler (in Urzeiten sozusagen) für böses Geld von vor dem Arlberg nach hinter den Wienerberg gewechselt war, sparte er aus, denn das Böse ist nicht Wiener und überall, sondern dieser allemanische Versicherungs-Bursche! Sei es, wie es war. Heute jedenfalls ist die Sache mit dem Amateur-Dasein immer noch omnipräsent, steht sogar irgendwo in der Wettspielordnung – was Spieler betrifft.

Sehen wir uns mal den ‚Amateur-Betrieb‘ der Vikings genauer an.

Die Vikings haben zwei Vereine und betreiben derzeit eine Kampfmannschaft, eine zweite Kampfmannschaft, ein Flag-Team, ein Damen-Team, Junioren, Jugend, zwei Schüler und eine Minis-Mannschaft, dazu Cheeleader verschiedener Altersklassen.

Echt fett und ziemlich gut. Bemerkenswert und auch erfolgreich, klammern wir dieses Jahr mal aus.

Dazu gehören natürlich auch Trainer und die stehen im Amateur-Bereich (sprich gratis), will man auch etwas gewinnen, nicht mehr ganz so inflationär zur Verfügung. Daher bezahlt man einige von denen auch. Das sind dann die ersten Halb-Amateure oder auch mal Vollprofis. Selbstverständlich sind auch die Legionäre zu bezahlen – acht waren es in Wien heuer, einer davon auch Coach.

Die Agentur von Karl Wurm hat fünf ständige Mitarbeiter und noch ein Dutzend Freie. Einer der Kunden sind die Vikings.

Das neu erschaffene Footballzentrum Ravelinstraße wird von einer ebenso neu gegründeten Firma betrieben. Auch diese haben Mitarbeiter.

Also kann man sagen, dass die Raiffeisen Vikings zwei Vereine sind, denen eine halbe und eine ganze Gesellschaft noch zuarbeitet. In Summe (als quasi Mini-Konzern) das Ganze also einen Klein/Mittelbetrieb mit vielen Ehrenamtlichen darstellt, gepimpt mit mit rund 600 Freiwilligen (Sportlern), einer Handvoll bezahlten Sportlern, einer Handvoll bezahlten Trainern, einer Handvoll bezahlten Mitarbeitern die Titel, Umsatz und Glanz generieren. Perfekte Welt also?

Um mich nicht falsch zu verstehen: ich will das nicht bewerten mit dem „?“, bzw. schon – nämlich grundsätzlich positiv. Das ist nicht böse, das ist nicht illegal, das ist Wirtschaft, das ist Business, das ist Marketing, das ist einfach super, was hier passiert. Für diesen Verein eben.

Ex-Spieler und FA-Kolumnist Jason Galanos meint dazu, dass es (nur) so geht. Alle müssen sich stetig vorwärts bewegen, weil Stagnation, das wäre der Tod. Man merkt dem immer noch jungen Mann an, dass er seine beruflich Herkunft nicht verleugnen kann. Wächst du nicht, bist du weg vom Fenster. So ist die Welt, so war sie schon immer. Die der Wirtschaft, wohlgemerkt.

Denn so beschränkt die Haftungen der Betreibergesellschaften sind, so beschränkt ist auch der Impuls dieser Entwicklung auf andere Vereine, womit wir zum nächsten Klub kommen, der als einziger vom Vikings-Virus infiziert die Fieberkurve entlang laufen konnte – oder wollte.

Vom Copy-Shop zum Europameister

Lange Zeit haben die Papa Joe’s-Swarco-?-Raiders den Wienern nachgeeifert. Und sie haben kopiert. Ihr habt einen Burger King? Wir auch! Ihr habt eine Super Bowl Party? Wir auch! Ihr trainiert öfter und härter? Wir auch! Ihr gewinnt die Austrian Bowl? Wir auch! Ihr habt ein Trainingszentrum? Wir auch! Ihr gewinnt die Euro Bowl? Wir auch!

Als heuer die Vikings (viel beschäftigt damit, einen Teil von Simmering mit einem Kunstrasen zu verlegen) Fehler unterliefen und Pech sie zugelich verfolgte, wurden sie erstmals von Tirol überholt. Auf mehreren Ebenen. Die Raiders schufen sich ein schlagkräftiges Mediennetz und eine sehr nützliche Selbstdarstellungsplattform, gingen Kooperationen ein, welche die Vikings so noch gar nicht kannten oder eingehen konnten. Man ist in Tirol im Bunde mit dem NFL-Team und Namensvetter in Oakland, Swarovski öffnet die ganz großen Türen zur Welt und man gewann die Euro-Bowl nicht nur Live im ORF, sondern auch auf dem eigenen Raiders.Live-TV-Websender.

Auf den restlichen Ebenen sieht es ähnlich aus wie in Wien. Das Trainingszentrum Sieglanger ist bei weitem nicht so glamourös wie die ‚Rave Line‘, erfüllt aber seinen Zweck ebenso. Auch im heiligen Land führt kein Weg an der Payroll vorbei. Coaches und Legionäre verdienen ihr Geld, darunter auch eine Anzahl an Österreichern, seien es Spieler in anderen Funktionen, seien es Trainer oder auch Manager. Von irgendetwas müssen die Leute schließlich leben.

Wie schon bei den Vikings ist diese Entwicklung, rein oberflächlich betrachtet, ausschließlich positiv zu bewerten. Was die Raiders hier erschaffen haben, ist beeindruckend und gut – für sie.

Jetzt könnten wir uns eigentlich zurück lehnen und uns alle super fühlen. Zwei Vereine sind da auf dem Weg, sich jeweils ihr Imperium aufzubauen, der Sport wird dadurch prosperieren, Milch, Honig und Sponsorengelder werden fließen.

Nur die anderen rücken nicht auf, sondern zieren sich, rücken sogar ab. Wer hat das denen erlaubt, Jason? Kennen sie die Gesetze der Wirtschaft nicht? Sie werden alle sterben!

Der Verband befindet sich seit Jahrzehnten auf der Suche nach einem Ligapsonor, hat als Handicap bei der Akquisa aber gar keine definierbare und damit herzeigbare Liga bei der Hand, weil jeder darin machen kann, wozu er gerade lustig und fähig ist.

Karl Wurm sagt ein Ligasponsor würde ja gar nicht alle Probleme lösen. Stimmt. Aber manche wohl doch, weil wenn dieser für nichts zu Nutze wäre, wozu sucht man dann überhaupt?

Geisterfahrer auf der Jetset-Avenue

Einen kleinen Zwischenfall gab es dann aber doch noch – sozusagen ein winziger Irrtum der Vorbestimmung. Als die Raiders den Vikings auf der Überholspur bye bye winken wollten, kam ihnen am Pannenstreifen der AFL noch ein Geisterfahrer entgegen. Immer diese Steirer! Haben nichts verstanden von alldem, leben weit außerhalb der Kristallwelt Oaklands in einem ganz einfachen Holzverschlag nebst Schloß Eggenberg, weit weg vom Rave, ganz nah beim Grave und gewinnen halt noch ein Mal (das letzte Mal freilich) den Staatsmeistertitel als Trostspreis vor ihrer endgültigen Beerdigung.

Dann ist er endlich weg, der lächerliche und lästige Rekordmeister-Käfer, der partout nicht zur Heuschrecke werden will!

Konnten Sie mir bisher folgen? Ich hoffe so.

Ich sage ihnen allen jetzt etwas.

Der derzeitige Staatsmeister und Rekordmeister im heimischen American Football, die Graz Giants, werden in Zukunft weder Marketing-Partner der New York Giants sein, noch werden sie in Gries ein Footballzentrum bauen. Sie werden keine Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen, sondern sich auf ihrem Level auf natürlichen Wegen fort, nach oben oder geradeaus bewegen. Möglicher Weise eines Tages auch rückwärts. So ist das im Amateursport halt. In der Wirtschaft ist es anders.

Sie finden das schlecht? Weil nicht progressiv genug?

Dann sage ich Ihnen noch etwas.

Was die Giants tun, ist genau das von Karl Wurm skizzierte und beschworene Aufrechterhalten des Amateur-Levels.

So wäre es hoch an der Zeit, ein paar unangenehme Wahrheiten bei der kommenden Sitzung an- und auszusprechen. Das sollte am besten der tun, der sein eigenes Konzept nicht verfolgt hat.

Burschen, es tut uns leid, aber wir verfolgen andere Ziele als ihr. Die Sache mit dem Amateursein, das war früher einmal. Ihr hättest einfach mehr zwischen den Zeilen lesen müssen.

Auch der Präsident des Verbandes sollte vom Jubel über wöchentliche Erfolgsmeldungen des Football Dow-Jones-Austria nicht erblinden und wieder zu jener, seiner Ruhe finden, die es einem ermöglicht, den Schatten des gleißenden Lichts zu erfassen. Der ist nämlich so lang wie breit.

Denn nicht nur die Giants werden den Vikings und Raiders nicht folgen können.

Auch die Dragons, Black Lions, Blue Devils, Invaders, Bulls, Steelsharks, Knights, Gladiators, Titans, Stallions, Tunder, Hammers, Rams, Red Lions, Patriots werden als Zuschauer einer glanzvollen Oakland-Raiffeisen-Swarowski-Ravelin-Hyperbowl-Party zu gegen sein, wenn Dr. Stefan Herdeys Visionen Realität werden und er sich einen Ast weint, wie Recht er behielt.

Operation gelungen – AFL tot

Sportlich mag man in Korneuburg und Graz den kommenden Jahren noch mithalten können, aber spätestens, wenn die große Maschine komplett angedockt hat, die Jahres-Budgets 7-stellig werden und die ersten Practice-Squad-Cuts in Österreich aufschlagen, sollte dem Naivsten klar geworden sein, dass es endgültig vorbei ist mit dem Amateur-Dasein in der obersten Liga.

Denn da beginnen dann erst die jetzt fleißig montierten Rädchen so richtig ineinander zu greifen, da werden sich dann schlaue Manager doppelt und dreifach bezahlt machen, da wird dann die Kluft zur Schlucht. Derzeit ist das ja noch eine Vorbereitungsphase – man probt das Profitum, aber Pssst! – sagt es dem Präsidenten nicht, sonst reißt ihm die Hutschnur.

Das ist der wahre Grund für den Rücktritt der beiden Vereine aus Vorarlberg und Kärnten. Sie haben erkannt, dass sie dort nichts mehr verloren haben und gewinnen können. Deswegen gehen sie, weil es wird nicht ihr Weg sein.

Gibt es eine Lösung?

Die Frage ist, ob es eine solche überhaupt braucht. Bewegen sich alle so weiter wie bisher, dann wird Dr. Herdey Recht behalten und zwei Vereine werden ganz oben stehen. Allerdings haben ihre Gegner in Österreich sich dann in eine Division 1 verflüchtigt, wo der Bär steppt – oder auch nicht. Die beiden werden sich also in zwei, drei Jahren um Gegner umsehen müssen; Euro-Liga, Colleges einfliegen lassen, oder halt „Best of 10“ spielen wie Herdey das vorschlägt – irgendwas wird ihnen einfallen, bzw. werden sie wohl selbst schon erkannt haben, wohin das alles führt und einen Plan B in der Schublade haben.

Will man das unterbinden, warum auch immer, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Einführung eines Budgetlimits und/oder eines Salary Caps, eine weitere und echte Verringerung der Klasse-A-Spieler, Abschaffung der Dual-Passport-Schwindelei (auf europäischer Ebene), Abschaffung der Umgehung von vollständigen Anmeldungen, Gehaltsstufenprinzip für bezahlte Spieler, ein echtes Belohnungsprinzip für den (tatsächlichen) Einsatz von Österreichern, weg mit einem Belohnungsprinzip, welches einem für Minis [sic!] Import-Slots öffnet. Nur, um ein paar zu nennen.

Förderst du Österreich, bekommst du USA

Betrachtet man die Nachwuchsregelung in diesem Licht (für Nachwuchsklassen bekommt man Import-Slots), dann kann einem ganz anders werden.

Angedacht oder vorgehalten wird ja, so der ehrenhafte Gedanke des Michael Eschlböcks, dass man dadurch mehr Österreicher zum Footballsport als Aktive hinführt.

Indem man denen Vereinen als Belohnung für Nachwuchsarbeit mehr Ausländer in ihrer Kampfmannschaft in Aussicht stellt!

Hallo? Schrillen da nicht bei allen, die keinen andere Gedanken als den braven Grundgedanken dazu hatten, alle Alarmglocken, wenn man das so mal gesagt bekommt? Weil so ist es.

Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen.

Sie betreiben mehr Nachwuchsarbeit und bekommen danach die Möglichkeit diesen die Plätze in der Kampfmannschaft mit zusätlichen Legionären zu blockieren. Das ist paradox. Auch auf den zweiten Blick.

Ich sage einem Übergewichtigen nicht, dass er nach seiner Diät eine fette Sachertorte fürs brave Hungern bekommt. Das stimmt also etwas nicht an dieser hübschen Regelung, deren Erfinder, das unterstelle ich ihnen ganz frech und frei, zum Teil auch von anderen Motiven vorangetrieben werden.

Im heimischen Fußball bekommt man Prämien dafür, wenn möglichst viele Österreicher spielen. In der Kampfmannschaft. Für A-Knaben gibt es einen feuchten Händedruck vom ÖFB, vor allem für jene, die zehn Jahre später an der Sideline den Jungs aus Kalifornien ja eh nur im Weg herum stehen.

Nachwuchsarbeit ist generell das Problem der Vereine. Man macht es noch mehr zu deren Problem, wenn man nicht Nachwuchsarbeit einfordert, sondern mehr Österreicher in der Kampfmannschaft. Weil die müssen ja dann von wo herkommen. Vom Himmel fallen sie nicht. Warum beginnen die Black Lions nun mit Schülern und die Blue Devils mit Minis? Zusätzliche Import-Slots werden sie in nächster Zukunft wohl keine brauchen, aber Spieler.

Für die Division 1, der Liga, die wir dann insgeheim Bundesliga nennen werden.

Meint Ihr

Walter H. Reiterer
Umag/Strand

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