Sollte ab dem kommenden Wochenende eine Partie in die Nachspielzeit gehen, dann sieht es wie folgt aus: Jene Mannschaft, welche als erste den Ball empfängt, kann das Spiel nur dann in seinem ersten drive für sich entscheiden, wenn es einen touchdown (sechs Punkte) erzielt. Ein fieldgoal (drei Punkte) reichen dafür nicht mehr aus. Das Team muss einen Kickoff ausführen und der Gegner bekommt das Angriffsrecht (Kicks onside sind natürlich weiterhin erlaubt). Sollte es nach den ersten beiden drives Unentschieden stehen (0:0, 3:3), dann beenden die nächsten Punkte die Partie (wieder sudden death). Damit bekommt auch jenes Team, welches den ersten Kickoff ausführt, die Möglichkeit mit ihrer Offense zumindest ein mal aufs Feld zu kommen. Wohlgemerkt nur dann, wenn dem Gegner davor kein touchdown gelungen ist.
Damit kämen im Falle völlig neue strategische Varianten ins Spiel. Häufig sah man bisher das Team mit dem ersten Ballbesitz mit Läufen und Kurzpassspiel agieren. Warum? Der Gegner kann sich nie gewiss sein, dass nicht der tiefe und alles entscheidende Pass kommt, den man zwischendurch mal einstreut. Hauptsächlich versucht man aber mit dem Lauf und Pässen „underneath“, also zwischen Linemen/Linebacker und dem defensiven Backfield, in Stückarbeit sich vor zu tasten. Wird man dann, sagen wir mal an der gegnerischen 30 gestoppt, so der Plan am Papier, kommt der Kicker aufs Feld und versenkt ein fieldgoal aus 46 yards. Das Spiel wäre gewonnen. Sah man oft. Die Strategie kann man sich nun von der Backe putzen, denn sie führt zwar zu drei Punkten, aber auch zu einem Ballbesitz des gegnerischen Teams.
So gesehen Teams mit einer passstarken Offense einen Vorteil genießen, jene die mehr Laufen einen kleinen Nachteil haben. Das alles natürlich in der grauen Theorie, denn ein 70 yards touchdown Lauf, na der beendet die Sache natürlich auch. 
Betrachtet man das Wild Card Spiel zwischen den New York Jets und Indianapolis Colts, dann hätte hier Indy in einer overtime aber doch einen Vorteil, betrachtet man wie die Mannschaften bisher mit ihrer Offense voran gekommen sind. Die Colts sind mit quarterback Peyton Manning in der Lage mit nur wenige Spielzügen das gesamte Feld zu überqueren und mit vollen Punkten abzuschließen. Die New Yorker bevorzugen in der Regel „smash mouth“ Football. Kräftige Läufe, häufig durch die Mitte oder als draw play lanciert, die ab vier yards Raumgewinn als erfolgreich abgeschlossen gelten. Auch der screen pass ist dort kultiviert und wesentlicher Teil des offensiven Gesamtkonzepts. Natürlich ist Jets Spielmacher Mark Sanchez auch in der Lage tief zu gehen, er tut es nur wesentlich seltener als sein Gegenüber, und die Gefahr einer interception ist hoch. Natürlich auch bei Manning, der heuer bereits 17 picks warf. Nicht außer Acht lassen darf man hier natürlich auch, dass mit den Jets so nebenbei die sechstbeste Passverteidigung als ungutes Hindernis am Feld steht. Wie eben schon gesagt: graue Theorie. 
Eine ganz andere Möglichkeit täte sich für eine starke Defense auf. Gehen wir, rein zum Vergnügen, in die overtime des Spiels Kansas City Chiefs – Baltimore Ravens. Die Ravens, eine der stärksten Laufverteidigungen der Liga, könnten bei einem gewonnen Münzwurf eine auf den ersten Blick zwar wild anmutende, aber dann auch eventuell sehr smarte Entscheidung treffen: Sie lehnen das Angriffsrecht ab und hoffen mit ihrer Defense die Chiefs zu stoppen. Damit ergäbe sich für sie die Möglichkeit das Spiel mit einem fieldgoal zu beenden, da ja jedes Team schon einen Ballbesitz hatte. Ob sich das Baltimore head coach John Harbaugh (der gegen diese Neuregelung gestimmt hat) auch traut, das kann ich nicht beurteilen. Ich gehe aber davon aus, dass er über eine solche Variante zumindest schon mal nachgedacht hat. Dabei ist ihm sicher auch der Gedanke gekommen, dass die Herren Matt Cassel, Dwayne Bowe und Tony Moeaki in der Lage sind, diesen Plan am Ende auch als völlig absurd dastehen zu lassen.
Alles in allem ist die Neuregelung spannend. Die Intention der NFL (für mehr Gerechtigkeit zu sorgen) ist dabei gar nicht so sehr das Wesentliche, mehr die beschriebenen und noch weiteren strategischen Möglichkeiten.
Lesen Sie dazu auch diesen interessanten Artikel von Judy Battista in der New York Times, in der besagter Harbraugh dem zweiten drive besonders hohen Stellenwert zuspricht.

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