PRE GAME
Im Spitzenspiel der bisherigen Saison treffen mit den beiden noch verbliebenen ungeschlagenen Teams auch die Vorjahres-Finalisten im Kampf um die Austrian Bowl aufeinander. Die Vikings suchen nach einer Revanche für die letztjährigen Playoff-Niederlagen in EFL und AFL, die den Raiders den Weg zum Double ermöglichten, und bauen dabei auf einen Heimvorteil: Obwohl die Raiders letztes Jahr die Austrian Bowl im Wiener Ernst Happel Stadion erobern konnten, ist der letzte Sieg auf der Hohen Warte gut sechs Jahre her (Austrian Bowl XXII am 14.07.2006). Heuer treffen hier die zwei mit Abstand besten Defenses der Liga aufeinander: Beide erlauben im Durchschnitt weniger als 190 Yards und deutlich unter einem TD pro Spiel. Offensiv darf man also nicht zu viel erwarten. Die Vikings setzen mit Christoph Gross auf den besten QB der Liga: Er wirft als einziger mit einer completion percentage von über 60% (für durchschnittlich 217.5 Yards pro Spiel) und hat null picks seinen elf TDs gegenüberstehen. Die Raiders setzen hingegen primär auf ein Laufspiel, das bisher 16 TDs erwirtschaftet hat dank einer gut abgestimmten Rotation zwischen Andreas Hofbauer, Florian Grein und Lukas Miribung, sowie der ständigen Gefahr, die QB Kyle Callahan auch als Läufer darstellt. Da die Stärke der Vikings Defense dank konsistenter Pressure von Simon Blach in der Passverteidigung liegt (37.2 erlaubte Yards pro Spiel, und nein, das ist kein Tippfehler), könnte es hier ein mismatch geben. Gross wirft in eine Secondary, die mit Manuel Eisenführer den Interception-King der Liga stellt und bisher keinen Pass-TD erlaubt hat. Da die Raiders auch bei den Special Teams leicht die Oberhand haben, könnte man sie auf dem Papier – auch dank dem 6-3 record in den letzten neun Spielen gegen die Vikings – leicht favorisieren. Aber wie anfangs erwähnt: Auf der Hohen Warte sind die Wiener nie der Underdog.
1st QUARTER
Die Vikings eröffnen das regnerische Spektakel mit einem guten Kickoffreturn und Lauf und Kurzpassspiel, Gross wird aber beim ersten sich etwas länger entwickelnden Passspielzug von Markus Eitzenberger gesackt und verliert den Ball: Turnover gleich am ersten Drive. Es folgen zwei three and outs, die geprägt sind durch die WR-Drops des glitschigen Balls und ausrutschenden RBs. Die Vikings verstärken daraufhin die Pressure, was Callahan, der auch kämpfen muss, um Halt am Boden und Ball zu haben, mehr und mehr zu Rollouts oder in Sacks reinzwingt. Außer dem gelegentlichen, mittellangen Pass über die Mitte auf Talib Wise funktioniert in der Raiders Offense noch gar nichts. Es zeichnet sich ab, was im Vorfeld schon vermutet wurde: Special Teams werden bei einem knappen, Defense-lastigen Spiel entscheidend sein, und beide Teams zeigen, dass sie das Ernst nehmen. Keiner zeigte es aber entschlossener als Sebastian Daum, der bei 4th & 10 in der eigenen Hälfte bei einem Fake Punt das First Down erlief. Die Raiders waren kurz unkonzentriert und ließen sich danach vom Momentum der Vikings überrumpeln: Dusty Thornhill lief mit dem gefühlt ersten erfolgreichen Laufspielzug des Viertels zu einem 47-Yard-TD, der das erste Viertel mit dem Spielstand 7-0 Vikings beendete.
2nd QUARTER
Die Raiders eröffnen das zweite Viertel mit längeren Pässen, kommen dank zwei Pass Interference Flags gegen Daniel Auböck in die Red Zone der Vikings und spielen ein 4th & Goal an der 2 aus: Wise drückt die Wuchtel über die Linie, und Shuan Fatah überrascht dann nicht nur mit der Tatsache, dass er auf 2 Punkte geht, sondern auch mit einem Trickspielzug, der dann folgte: Florian Grein longsnappt den Ball zu Callahan und fängt den anschließend Pass selbst. (Da die Line unbalanced und er der äußerste Liner war, ist er ein eligible receiver.) Callahan rollt weiterhin von der Pressure der Vikings weg (im Regelfall dank Playcall, und nicht dank Improvisation) und findet mal zu mal Wise, der sich für die Vikings, wie schon in der Austrian Bowl letztes Jahr, als schwer zu covern herausstellt. Aber auch die Vikings Offense findet langsam ins Spiel, wobei Wise‘ Rolle hierbei Thornhill übernimmt. Dank dem beiderseits nicht funktionierenden Laufspiel und den ständigen 8-Mann-Boxen mit Cover 1 dahinter wird der mittellange Pass zum Import zum definierenden Spielzug der ersten Halbzeit. Callahan sucht zwar im Gegensatz zu Gross auch hin und wieder den langen Pass entlang der Sideline, aber der funktioniert nur, wenn die Flagge fällt, und gar nicht, wie ganz am Schluss der Halbzeit, wenn dank einer unnötigen no huddle-Offense (Fatah hatte noch alle drei Timeouts) der Wurf gestresst, unterworfen und von Benjamin Bublik abgefangen wird. Die Raiders gehen mit einem 8-7 in die Kabinen, und mit dem Wissen, auf diesem letzten Drive mögliche und vermutlich nötige Punkte liegengelassen zu haben.
HALFTIME
Bisher hängt die Partie wie erwartet von Defense und Special Teams ab, die bei beiden Teams fantastisch aussehen. Simon Blach ist immer am Ball, Manuel Eisenführers Spielfeld wird gefühlt nicht eines Blickes von Gross gewürdigt. Die Coaches müssen ihren Offenses also mit Tricks helfen: Chris Calaycay holt sich mehr oder weniger seine komplette Offensivleistung aus dem Verwirrungs-Fake Punt, der die Raiders gerade genug aus dem Konzept bringt. Fatah hingegen traut sich, die dominante Cover 1 Coverage hin und wieder mit mutigen, tiefen Pässen anzugreifen, was einen Drive lang funktionierte und 8 Punkte brachte – auch dank eines weiteren ausgefuchsten Trickspielzugs. Wir sehen keine sonderliche physische Partie am Feld, die Witterung ist dazu zu unfreundlich zu allen Beteiligten, diesmal sind es auch die Coaches, die alles geben müssen, um in diesem knappen Spitzenspiel das kleine Fünkchen Oberhand zu gewinnen.
3rd QUARTER
Beide Offenses kommen schwerfällig aus der Kabine, und nach mehreren three and outs wirkt es wieder so, als ob die Defenses hier wieder alles fest im Griff haben. Der Lauf hat gegen die 8er-Boxen noch immer keine Chance, Ideenlosigkeit macht sich langsam breit. Just in dem Moment dann aber die Überraschung: Gross geht mit play action tief auch Laurinho Walch, der von, man höre und staune, Eisenführer gecovert wird, dem selbigen aber für einen 50+ Yard gain entwischt. Mut wird also belohnt, und ein 29 Yards FG von Daum gibt den Vikings die erneute Führung mit 10-8. Gross fängt an sich wohler zu fühlen in der Pocket (leichte Ermüdungserscheinungen in der Raiders D machen sich bemerkbar), Fatah antwortet, indem er Wise als CB auf Walch abstellt. Alles ist vorbereitet für den großen Showdown.
4th QUARTER
Ein mögliches three and out der Vikings wird durch ein Offside von ausgerechnet Mario Rinner zunichte gemacht, und Gross nützt die Ungeduld der Raiders D brutal aus: Gegen einen Allout-Blitz findet er ganz souverän Thornhill auf dem Screen, der das halbe Feld zum 17-8 durchmarschiert. 11 Minuten sind noch zu spielen. Callahan findet Grein auf einem 20 Yards Screen, muss aber bei der Mittellinie das three and out hinnehmen. Clemens Erlsbacher puntet den Ball an die Vikings 1 und bringt somit Gross in eine sehr unangenehme Lage. Bei 3rd and 10 an der eigenen 1 geht er tief auf Stefan Holzinger, der in double coverage von Eisenführer und Martin Breitsching den Ball zum First Down an der eigenen 40 fängt. Drei Spielzüge später müssen aber auch die Vikings punten, 3 Minuten vor Schluss steht Callahan unter Zugzwang at midfield. Das Spiel wird von Flags zerfahren und nervös, Callahan findet aber immer dann, wenn es am dringendsten nötig ist, Wise über die Mitte mit dem mittellangen Pass. Ein fantastisches Adjustment von Julian Ebner führt zu einem schönen Catch (und 1st and Goal) an der Vikings 2, und 1:23 sind zu spielen, als Wise durch einen Option Pitch auf 17-15 verkürzt. Der darauffolgende Onside-Kick scheitert aber, und den Vikings gelingt die ersehnte Revanche gegen den Meister.
SYNOPSIS
Es siegte am Ende der Mut. Drei Big Plays auf Seiten der Vikings (der Fake Punt von Daum, die Play Action Bomb auf Walch und der Befreiungs-Pass auf Holzinger) waren high risk Playcalls, die sonst nur Außenseiter callen. Die Raiders waren, wie auf dem Papier vermutet, die leicht bessere Mannschaft: Ihnen gelangen die kleinen Sachen konsistenter (die Vikings pressure neutralisieren, immer wieder Wise über die Mitte frei werden lassen, etc.), und in einer offenen Partie hatten sie gewiss das Ruder in der Hand, hier als Sieger vom Feld zu gehen. Ihr Risiko (z.B. die two point conversion, oder der Allout-Blitz beim zweiten Thornhill-TD) war eines, das den Sack zumachen sollte – aus einer gefühlten Führung heraus, die sie nie Wirklich hatten. Die Vikings hingegen, leicht unterlegen und oft mit dem Rücken zur Wand, mussten wie alle Underdogs hin und wieder riskieren, um solche Spiele zu drehen. Gross‘ tiefer Pass war, wenn gebraucht, essentiell zum Erfolg, und auf der defensiven Seite war Blachs immenser Motor und seine konsistente Pressure ein Mitgrund, warum die Raiders nur 8 Punkte in 58 Minuten zustandebrachten. Insofern war der Sieg mehr als verdient, weil Calaycay wusste, wie er mit der Spielsituation umgehen musste. Der Heimvorteil erledigte den Rest: Die Nervosität und die Flags waren zum Teil der Stimmung zuzuschreiben und die Fans wollten klar machen, dass die Raiders ruhig noch weitere sechs Jahre auf ihren Sieg auf der Warte warten können. Die Fähigkeit, in Spitzenspielen seinen Willen so durchzusetzen, entscheidet selbige meist.
AFL
Raiffeisen Vikings Vienna vs. Swarco Raiders Tirol 17:15
Viertelergebnisse: 7:0/0:8/3:0/7:7
15:00 Uhr, Hohe Warte Wien
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