… Blitzlichtgewitter. Fotoapparate, Fernsehkameras; kreischende Kids, wo man nur hinsieht. Die Menschen saugen mich auf, Sicherheitsbeamte bahnen mir den Weg durch die Masse, und spucken mich am anderen Ende der Welt wieder aus. Ich bin gelandet, und Russel Crowe ist zurück. Einem halben Jahr American Football in Neuseeland steht nichts mehr im Weg, das Abenteuer kann beginnen…
Kia Ora – Welcome to Southern Hemisphere Football Obwohl ich nicht Russel Crowe bin, wird mir ein herzlicher Empfang bereitet. Chris Ellison, Vize-Präsident der North Harbour Pride, überreicht mir noch am Flughafen T-Shirt und Kappe in den Vereinsfarben, Rot und Weiß, dazu einen Präsentkorb voll Süßigkeiten. Während wir bei geöffnetem Chassis durch Stadt brausen, vorbei am Sky Tower, entlang der Harbour Bridge, plaudern Chris und ich über Football, was sonst. Zunächst muss man wissen, Football kann in hierzulande vieles bedeuten. Fußball (Soccer), Australien Rules (Aussie Footy genannt), oder International Rules (eine Mischung aus Australien und Gaelic Football). Zudem gibt es noch das Lieblingsspiel der Kiwis, Rugby, wobei auch hier zwischen Rugby League und Rugby Union unterschieden wird.
American Football, Gridiron, findet sich eher am unteren Ende der sportlichen Nahrungskette, irgendwo zwischen Unterwassercricket und Walweitwurf. Das Klima (Trainingssituation, Qualität der Spiele, usw.) ist wechselhaft, wie das Wetter in Neuseeland.
Zur Historie: American Football ist den Neuseeländern bereits seit dem 2.Weltkrieg ein Begriff, als das Land der Maoris noch strategischer Stützpunkt der Amerikaner im Konflikt mit Japan war. Die erste Liga, die GNZ (Gridiron New Zealand), wurde allerdings erst Anfang der 80er Jahre gegründet. Nachdem es in den vergangenen Jahren quasi zu einem Fegefeuer in Gods Own Paradise gekommen war, in Form von politischen Differenzen, der Abspaltung einiger Teams, der Gründung einer Konkurrenzliga (NZAFA), sowie einigen unschönen Szenen bei Spielen, scheint man nun wieder auf den rechten Weg gefunden zu haben. Die Ligen proben eine Fusionierung, zum Wohl des Sports ist man um Zusammenarbeit bemüht. Heuer spielen erstmals 9 Teams um die Kiwi Bowl: Waitemata Titans, Papatoetoe Wildcats, South Auckland Raiders, Manukau Chiefs, Carlton Demons, Metro Lions, Hamilton Hawks, Tamaki Lightning, und mein Team, North Harbour Pride; welches 1999 gegründet, bereits 2003 den ersten Titel erringen konnte. (Mit dabei: Graz Giants Imports Roland Horn und Christoph Schreiner.) Leider war das Team seither nicht in der Lage diesen Erfolg zu wiederholen, im Gegenteil, nach dem Abgang des amerikanischen Trainers Joe Ashfield (derzeit GA in Stanford), sowie dem Karriereende einiger Schlüsselspieler, folgte 2004 der Absturz. (Sieg-Niederlagen-Verhältnis: 0-10; letzter Tabellenplatz.) Heuer befindet man sich also in einer Aufbau-Saison, einem Jahr des Neubeginns, lässt mich Chris Ellison wissen, aus diesem Grund habe man sich besonders um erfahrene Spieler aus dem Ausland bemüht; um meine Wenigkeit, und um einen Mann aus Minnesota, der auch in Europa kein Unbekannter ist.
Der Wagen hält vor einem ansehnlichen Apartment-Komplex in Albany, einem Suburb von Auckland. Neil Hall, 25, QB aus Minneapolis, öffnet die Türe zu meiner neuen Bleibe. Er hat mehrere Jahre in Europa verbracht, unter anderem in Norwegen, Deutschland und der Schweiz, wo er mit den Landquart Broncos 2003 den Titel gewinnen konnte und 2004 als League MVP geehrt wurde. Er führt mich durchs Haus. Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad; alles vom feinsten. Fernseher, Internet, vor der Garage parkt unser Auto; und hüpft man über einen Zaun, hat man sogar ein kleines Jacuzzi; halblegal. Noch am selben Abend fahren Neil und ich zum ersten Training.
Das North Cote Rugby Field, die Spielstätte der Pride, ist in etwa vergleichbar mit der Schmelz; mal abgesehen vom Naturrasen. Rund 35 Spieler sind anwesend; kunterbunt gemischt, was Alter und Fähigkeiten betrifft. Neil und ich versuchen Ordnung ins Chaos zu bringen, wir suchen das Licht, bei all dem Schatten, und meinen es am Ende des Tages tatsächlich gefunden zu haben. Heureka!… Zwei Tage später, zum nächsten Training, erscheinen wieder rund 35 Spieler; doch, so ein Pech, 80% unterscheiden sich zu 100% Prozent von ihren Vorgängern, sowohl durch Namen, als auch Aussehen. Es sollte eine lange, schattige Woche werden; zuletzt blieb folgende Erkenntnis: Will man hier erfolgreich sein, muss man – Ihr verzeiht – den Kiwi an den Eiern packen. Ohne ins Detail zu gehen, wie wir dies taten, sei folgendes verraten: Mit Hilfe von Langzeitcoach Mike Patumaka, sowie Ex-NFL-Spieler Marc Nua (Detroit Lions, San Diego Chargers) ist es gelungen in wenigen Wochen so etwas wie ein Team aus diesem Häufchen Chaos zu formen, inwieweit dieses fragile Etwas allerdings konkurrenzfähig sein sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt keiner sagen. Die Antwort folgte mit dem ersten Spiel.
Gleich zu Saisonbeginn kam mit dem Titelverteidiger, Tamaki Lightning, ein schwerer Brocken auf uns zu. Wenn ich sage schwer, dann meine ich schwer; alleine 6 Mann in den Reihen Tamakis wiegen 130 kg, und mehr. Interessant nur, dass gerade Tamaki den Ruf eines technisch anspruchvollen Teams genießt; was mag da noch auf uns zukommen? Die Vorzeichen das erste Spiel betreffend schienen jedenfalls alles andere als günstig. Von Anfang an wurden uns von Beobachtern nur geringe Chancen auf einen Sieg zugestanden. Sie sollten eines besseren belehrt werden. Im Nachhinein muss man sagen: Wir hatte KEINE Chance… auf einen Sieg; wohl aber auf einen Erfolg im Sinne unserer sportlichen Entwicklung. Die 7-28 Niederlage muss im Großen und Ganzen positiv gewertet werden. Das gesamte Team konnte mit dem scheinbar übermächtigen Gegner mithalten und hat sich zu keinem Moment aufgegeben. Im Gegenteil, die Freude am Spiel wuchs von Play zu Play. Unsere Defense konnte die vermutlich explosivste Offense der Liga mehrmals stoppen, das Highlight des Spiels war ein 99 Yard Drive unserer Offense, der schließlich zum einzigen Touchdown unserer Mannschaft, einem 7 Yard Run durch QB N. Hall, führte. Dennoch, eine Niederlage bleibt eine Niederlage. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir bereits im nächsten Spiel für eine kleine Überraschung sorgen könnten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Flamme, die mit dem ersten Spiel zu brennen begonnen hat, sich nicht gleich wieder von den wechselhaften Winden Neuseelands verblasen lässt. Sollte es uns gelingen Kontinuität und Effizienz im Training zu steigern, ist vieles möglich.
Ich persönlich kann nach dem ersten Monat in der Fremde nur sagen, dass ich meine Entscheidung hierher zu kommen nicht bereut habe. Das Land ist tatsächlich, welch Wunder, der prognostizierte Traum. Die Erfahrung ist der Entbehrungen wert. Zudem weiß ich jetzt, wie sehr mir das kalte Österreich abgehen kann, von Zeit zu Zeit.
Kia Ora Euch allen,
Euer Danny Fettner

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