Wie weit die Schere zwischen Anspruch und Realität im österreichischen Football auseinandergehen kann, bezeugt auf ungewollt ironische Art und Weise der heutige Fan-Newsletter der Chrysler Vikings. In diesem sucht der Verein, der immerhin regierender Europa- und Staatsmeister ist, kostenlosen Stauraum in Wien und Umgebung. Im Weg herum stehen vor allem die Einrichtungsgegenstände der Importspieler (das ist kein Scherz!), die man gerne bis zum März beim Anhang ins Trockene stellen würde.
Temporäres Möbelasyl also für Lance Gustafsons Alibert! Schlagen Sie zu so lange noch was da ist!
Ob man, ausser den Vikings Fans, noch anderen zutraut auf das Inventar der Imports ein winterliches Auge zu werfen, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Sollten Sie aber länger schon den Wunsch gehegt haben die Tiffany Nachttischlampe von Charley Enos, den stabilen Eichentisch mit Stahlbeton verstärkten Verstrebungen von Daniel Nwangwu, den leicht beschädigten Lattenrost von Michal Latek oder das Sushi Gedeck im Helsinki Design von Neil Maki sich ein halbes Jahr gratis auszuborgen, dann sollten Sie sich rasch bei Alfred Neugebauer melden. Der hat das alles! Wobei das Geschirr von Herrn Maki ein wenig unter Hitze gelitten hat. Der Amerikaner mit finnischem Zweitpass hat heuer in der Gemeinschaftswohnung in Wien Favoriten unabsichtlich Feuer gelegt. Enos und Latek konnten aber einen kompletten Wohnungsbrand noch verhindern. Wer weiss, eventuell haben Sie ja Glück und einer der Spieler kommt im März nicht wieder. Dann gehört das Zeug vielleicht schon demnächst ihnen!
So seltsam sich diese Anfrage anhört, so ernst ist sie aber gemeint. Die Vikings nutzen seit Jahren solche synergetischen Effekte und die Treue ihres Anhangs. So kam man bisher schon unentgeltlich an brauchbare Alltagsgegenstände für die Besucher aus Amerika ran – bis hin zu kompletten Second Hand Wohnungseinrichtungen. Jetzt muss das Zeugs irgendwo gelagert werden. Und wo bitte ist es besser aufgehoben als beim Erstbesitzer? Eben – Nirgendwo! Wir finden das ziemlich schrill, aber vom Prinzip her in Ordnung. Böse Zungen werden nun den Vikings peinliches Geizen unterstellen, doch ist dem auch so? Kann man einem Verein, der Hunderte Mitglieder hat, keinen Selbstversorger-Status zumuten? Weil wie wir ja alle wissen bringt ein Europacuptitel Millionen an Euros, ein superschönes Gratis-Stadion und die volle Unterstützung von Stadt und Land. Es fliesst Milch und Honig, welche man sich in der Verbindung nur mehr mit heftigem Kopfschütteln aus den Haaren machen kann – denn es ist alles ganz anders.
Never do a charity!
Natürlich verdienen bei den Wikingern, wie auch anderswo, einige Leute Geld. Nicht ganz unwichtig – und das wird gerne vergessen – für Arbeit. So richtig reich ist aber wohl noch niemand mit Football in Österreich geworden und dass sich hier jemand gar unehrenvoll und masslos bereichert hätte, wäre uns im Falle wohl aufgefallen. So ist die ganze Diskussion um die Einnahmen bei der Charity Bowl der Vikings von einer Scheinheiligkeit geprägt, die nur mehr dazu geeignet ist, jedem Verein DRINGEND davon abzuraten für einen guten Zweck ein Spiel zu veranstalten. Alles was man dafür bekommt ist üble Nachrede. Milchmädchenrechnungen bestätigen Unwissende in ihrem Glauben hier würde jemand das grosse Geld machen. Diese naiven Gleichungen haben leider einen Fehler – es fehlen Variablen bei der Division und Subtraktion.
Wurzel allen Übels ist hier die Namensgebung. Charity Bowl impliziert: alle arbeiten gratis. Dem ist nicht so. Drucker, Layouter, Grafiker, Stadionbetreiber, Werbeagenturen, Security Firmen – eine ganze Liste von Firmen und Privaten – sehen in der Chartity Bowl eine völlig normale Veranstaltung. Auf gut Deutsch gesagt: denen ist das „Charity“ im Namen schlicht und ergreifend völlig egal. Einige wenige verzichten auf ihr Honorar, erst daraus ergibt sich der zusätzliche Benefit für den guten Zweck. Das waren in den letzten Jahren zwischen 6000 und 8000 Euro. Natürlich könnten es theoretisch 20.000 oder gar mehr sein, wenn…
Wenn was? Wenn alle sagen: es ist total in Ordnung für mich einen Tag, eine Woche oder zwei Monate umsonst zu arbeiten. Sagen sie eben nicht und so zahlt sich auch der Veranstalter selbst (der böse Wurm) ein Honorar aus, denn wie erklärt er seinen Mitarbeitern, dass sie ihr Gehalt so eben gespendet haben?
Er sollte das bleiben lassen. Statt Charity Bowl heisst sie ab jetzt Cash Bowl. Es kommen deshalb nicht weniger Leute, jeder eingenommene Euro kommt dem Verein und Betreiber zu Gute, niemand muss sich mehr aufregen, bis auf die Institutionen die bisher Spenden bekommen haben. Die bekommen diese nicht mehr, weil sonst war alles zu wenig was gespendet wurde. Damit sind dann alle glücklich bis auf einen. In Ordnung!?
Sie sehen also – es ist nicht ganz so einfach. Auch wir sind ungläubige Skeptiker, haben bezüglich der Charity Bowl mit den Vikings heuer einige Sträusse ausgefochten, allerdings sind wir auch für Gegenargumente empfänglich, wenn sie sich nicht gänzlich von uns ausräumen lassen. Trotzdem unser Tipp an die Wikinger: keine Charitys mehr in Zukunft = kein Geschrei mehr. Sollen sich das doch andere antun.
So betrachtet ist die Anfrage der Vikings nach einem Gratis Abstellplatz für Importmöbel fast logisch. Wo man Ausgaben sparen kann, tut man es auch. Ganz abgesehen davon, dass der Aufruf einen ziemlich hohen Unterhaltungsfaktor besitzt. Stellen Sie sich vor die New England Patriots fragen ihre Fans ob jemand das Bücherregal von Tom Brady in der off-season bei sich stehen haben will? Was bringt so was auf ebaY? Oooch….
Fussballfans am Rande der Verzweiflung
Etwas verwirrt zeigen sich die Fans der Vienna. Football-Austria.com ist die einzige Plattform, welche regelmässig neue Fotos vom Umbau der Hohen Warte bereit stellt. Irgendwie bekommen die Fussballer das selbst nicht wirklich gebacken. Warum auch immer – das können sie nicht bereitstellen. So verlinkt die Vienna (ein Verein den wir sehr ins Herz geschlossen haben) direkt auf uns, wenn es darum geht eine Ansicht der Baustelle zu liefern. Es finden sich daher auch regelmässig viele Fussballfans auf unserer Seite ein, um die neuen visuellen Einsichten zu begutachten. Was uns Redakteure, als Football- und Fusballfans nur Recht ist. Wir outen uns hiermit als Dauerkartenbesitzer des Wiener Sportclubs, der Vienna und des SC Neudörfl (Burgenlandliga).
Trotzdem sind die Beiträge der Fans am Austrian Soccer Board so weit von jeglicher Realität entfernt, wie die Vienna vom Gewinn der Champions League. Billiarden Lichtjahre – das alles für einen guten Sager? Jedenfalls sind dort einige der ernsthaften Auffassung die Chrysler Vikings, als zweifacher Europacupsieger, sollten sich ein eigenes Stadion bauen (mit Bagger und Schaufel) und die armen, weil unterklassigen Fussballer der Vienna doch in Ruhe lassen. Da lacht der Schelm, wenn er solchen Unfug liest.
Der einzige Sportverein der es geschafft hat die Hohe Warte regelmässig mit Zuschauern zu füllen ist (leider) eben kein Fussballverein, sondern waren in jüngster Vergangenheit die Chrysler Vikings. Gleichzeitig der einzige Gewinner eines europäischen Titels, welcher von der Stadt Wien mit der größt möglichen Ignoranz bestraft wird. Der Sportpreis der Stadt Wien, als Wiedergutmachung für nicht verfügbare Stadien für einen Europameister, hat sich dann aber doch nicht vermeiden lassen. Vizebürgermeisterin Grete Laska wird die frustrierten Wikinger am 13. September im Wiener Rathaus ehren. Stadion gibt es dafür freilich trotzdem kein Vernünftiges. Dazu später mehr.
Abgesehen von Lokalderbys mit dem Sportclub spielt die Vienna vor einer eher sehr traurigen Kulisse, also vor ein paar Hundert Zusehern. Jetzt weiss man nicht ob es der Neid, oder nur die pure Verzweiflung einiger weniger ist, welche manche dazu anspornt derart auf eine andere Ballsportart hinzuhauen. Würde man dem ebenso polemisch entgegnen wollen, könnte man auch sagen, dass es den meisten Fussballfans einfach an Eloquenz und Hirnschmalz mangelt um das ganzheitlich zu kapieren. Das können wir allerdings nur einer Minderheit der Vienna Fans anlasten, denn die meisten wirken recht vernünftig. Womöglich nutzen gerade diese die Vielfalt des Internets nicht so sehr, wie ein Handvoll Halbgebildeter, deren Stressresistenz beim Anblick eines shoulderpads bereits endet. Abgeschmeckt wird der prickelnde Augenschmaus mit dem Vorwurf, die Vikings würden ihre Zuschauerzahlen künstlich hochpushen. Dem lässt sich wenig entgegensetzen, denn auch wir glauben den Zahlen nicht immer. Trotzdem ist der Vergleich unzulässig, denn bei 300 Zuschauern – die man einzeln abzählen kann – lässt es sich einfach weit schwerer schummeln wie bei 3000, wo man nicht mehr jede Nase alleine an ihrer Form wiedererkennen kann. (Wetten dass?)
Problemfall Hohe Warte
So euphorisch unsere Berichterstattung der ersten Umbauphase auch war – und auch den Tatsachen entsprochen hat – so drastisch verschlechtert hat sich die Situation in den letzen Wochen. Man hinkt dem Entwicklungsplan hinterher und entwickelt neue Strategien. So soll es auf der Südtribüne in Zukunft, statt einer Sitztribüne, 1000 neue Stehplätze geben. Insgesamt soll die Warte ein Fassungsvermögen von 4000 Zuschauern bekommen. Die IG Immobilien hat uns diesbezüglich ein Interview verwährt. Wie auch anderen Medien. Mit einer „Alles ist sehr super“ Pressemeldung versucht man lästige Fragesteller abzuspeisen und verweist auf mobile Zusatztribünen, die man ja zusätzliche aufstellen könnte. Schaut nicht allzu gut aus.
Jetzt könnten die Vienna Fans Richtung Vikings unken: viel zu wenig Fassungsvermögen für diese Footballer – die haben ja das Doppelte an Zuschauer! In der Tat wäre ein ordinärer Würstelstand (denn auf das läuft es anderen Orts hinaus) weit zu wenig für einen Football Event. Vikings Präsident Karl Wurm bewahrt die Ruhe, obwohl auch anderswo bereits neue Saiten aufgezogen wurden. „Wir regeln das schon“, so ein betont gelassener Vikings Chef. Dem Caterer Cäsars wurde indessen der Pachtvertrag seitens des Stadionbetreibers nicht mehr verlängert – die Footballfans sollen sich in Hinkunft mit Knacker, Wurstsemmel und anderen Angeboten des dort ansässigen Lokalversorgers laben. Das hat natürlich alles einen unappetitlich politischen Hintergrund, da der lokale Futterlieferant der Vienna hervorragende familiäre Kontakte zur Betreiberfirma pflegt. Nur was tut der mit seiner One-Woman Würstelbude wenn 3000 Leute nach Burger, Hot Dogs und American Food gieren und die seine Extrawurstsemmeln zum Teufel schicken? Wieder heimgehen? Die Besucher zwangsernähren? Sich beschweren bei der Wirtschaftskammer? Das wird sicher noch sehr delikat. Die Vienna wird jedenfalls Anfang Februar in einer halbfertigen Umbruchbude ihr erstes Heimmatch absolvieren müssen. Da die zuständigen Architekten zu keinem Gespräch bereit sind ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Baustelle noch länger eine solche sein wird.
Wir bleiben da natürlich am Ball, egal ob rund oder eiförmig.
Um auf den Ursprung zurückzukommen: braucht jetzt jemand diese Möbel?
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments