Wie sich die Bilder doch gleichen. Mistelbach, Fürstenfeld, Winden am See, Wiesen, Piesendorf, Steinakirchen am Forst, Würmla usw. usf.: Football auf Dorfsportplätzen lassen ansässige Fußballvereine ins Staunen geraten. In möglichen Neidgefühlen schlummert auch die einzige Gefahr. Schon mehrmals entdeckte man danach, dass der Rasen davon doch blitzartig kaputt wird und man daher bitteschön woanders Football spielen sollte. Auf der anderen Seite klingeln natürlich bei Platzbetreibern und Kantinenbesitzer die Kassen. 500-600 Zuschauer pro Spiel sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel und dass es dich dabei nicht um Einmaleffekte handelt, zeigt die jüngste Vergangenheit wie auch ein Zuschaueranstieg bei manchen arrivierten Vereinen im Unterhaus.
Die in den letzten Jahren entstanden neuen Vereine weisen aber noch andere Parallelen auf. Sie haben meist einen starken Auftritt nach außen, sei es die Webseite, Social Media oder klassisches Marketing. Ihre CI und ihr Merchandising sind stimmig, ihr Verein ist nicht auf einer Person aufgebaut und sie stellen sich auch bei der Sponsorensuche recht schlau an. Ein Vorteil der Jugend und auch der Provinz. Man hat im Verein nicht selten Grafiker, IT- und Marketingfachleute und man befindet sich in einem Umfeld, wo sich jeder kennt. Gibt die lokale Bank ein wenig Geld her, will das Fitnesscenter nicht als Spaßverderber dastehen. Und wenn dann noch der Sportplatz bei den Spielen gut gefüllt ist, dann sieht sich der Geldgeber gar nicht mehr so sehr als Spender oder Mäzen, sondern erhält tatsächlich einen Mehrwert im Gegenzug – als Sponsor. Das ist beim Fußball am Land so seit fast 100 Jahren. Ganz offensichtlich funktioniert das nun auch mit Football.
Hinschauen lohnt sich
Diese Entwicklung sollten sich auch bereits länger bestehende Vereine ganz genau ansehen, wenn sie daneben bestehen wollen. One Man-Shows, die ein „geht doch gar nicht“ als Credo vor sich hertragen, werden es in Zukunft ganz schwer haben zu reüssieren, da nebenan etwas Neues entsteht, das ein „Yes, we can!“ plakatiert. Wem wird der Trafikant, der Autohändler, der Versicherungsmakler eher zutrauen etwas zu bewegen und wer wird die Spieler für sich gewinnen? Diese und noch andere Fragen sollte man sich rechtzeitig stellen, bevor man einverleibt wird. Wobei auch das nichts Böses per se für den Sport ist, es ist eigentlich normal: Wer besser säet, der erntet mehr.
Jammern auf seltsamen Niveau
2014 war ganz oben ein durchwachsenes Jahr. Während die EM, mit 27.000 im Prater und 9.500 in der UPC Arena, Allezeit-Zuschauerrekorde knackte, lief es in der AFL nicht ganz nach Wunsch. Das Abholen der vielen Fans von der Europameisterschaft, um sie zu den Spielen der Bundesliga zu lotsen, klappte ganz und gar nicht. Das muss man schon mal sagen: Die Agenda ging nicht auf. Über die Gründe sich im Detail auszulassen, würden den Rahmen sprengen. Nur kurz: Zum einen glaube ich, dass das Ende der EM (mit diesen seltsame Schiedsrichtern am Feld) dem Sport einen Bärendienst erwiesen hat, zum anderen führte das auch zu einem allgemeinen Football-Völlegefühl. Man hatte einfach genug (gesehen). Wenn dann noch, der Seitenhieb muss leider sein, die Raiffeisen Vikings just im EM-Jahr beschließen, ihrem Gameday ein kleines Downgrade zukommen zu lassen, dann weiss ich leider auch nicht mehr so recht, was sie 2014 eigentlich wollten. 
Davon relativ unbeeindruckt scheinen mir lediglich die Raiders zu sein, denen zwar einen bereits bekannter Hang zur Aufrundung ihrer Zuschauerzahlen zu eigen ist, aber unterm Strich sehr gut bei Heimspielen besucht sind. Einen signifikanten Anstieg der Zuschauerzahlen kann ich lediglich in Prag ausmachen. Da begann man aber quasi bei Null und ist jetzt bei rund 500. Okay.
Dafür ging ein Plan auf, den man schon irgendwie, aber nicht in der ausdrücklichen Form am Papier hatte. Das sind eben diese mehr als gut besuchten Spiele abseits der Metropolen. Wenn man dann die neuen Klubs noch fragt, was sie eigentlich zur Gründung bewog, dann erhält man nicht selten diese zwei Antworten: 1.) Wir haben die NFL im TV gesehen und/oder 2.) Wir waren bei der WM (demnächst wohl EM) dabei. Es geht uns doch allen so: Wir sehen etwas, was uns sehr gefällt und überlegen, ob wir es selber auch machen können/wollen.
Federschmuck
Das heisst also, dass der Verband, der bei beiden kausalen Auslösern eine tragende Rolle spielt, sich eigentlich mit diesen Federn schmücken könnte. Das wäre nämlich gar kein fremder Kopfschmuck. Es ist ja leider nicht gerade die Norm, dass ein Footballverband in Europa solche Events, wie die EM 2014 war, in die Höhe ziehen kann und es ist auch nicht in Europa üblich, dass bei Live-Übertragungen der NFL im Free-TV, der Präsident des hiesigen Verbandes mitsamt seinem Medienmann „ganz zufällig“ als Kommentatoren über Tryouts, Nachwuchsmeisterschaften und Neugründungen von Klubs referiert. Im Vertrauen: Das war pure Absicht und das ist auch dem Sender recht, dass hier zumindest auf kommunikativer Ebene Basisarbeit geleistet wird. Funktioniert zudem ja auch beiderseits.
Er macht es aber (leider) nicht. Also der Verband sich damit schmücken, was er eigentlich geleistet hat. Das ist sicher auch mein Fehler, mit zu wenig mit Lob um mich zu schmeissen, wobei das deshalb schwierig ist, weil es dann auch ein wenig übel riecht. Bin da ja auch dabei, aber ich mach es eh jetzt und hiermit. Da schauen eben heute 550 Leute in Würmla bei einem Non-League-Spiel (!) zu. Das gäbe es, ohne diesen AFBÖ, davon bin ich zur Gänze überzeugt, nicht. Bravo Ladies und Bravo Gents. Wir sind so weit gekommen und das ist viel, viel weiter, als manche (Städter) jetzt glauben.
Alles AFL, oder was?
Nach der EM liegt der Fokus jetzt aber voll und ganz auf der Bundesliga, mit Zweitblick auf die Division 1. Die Aufstockung der AFL auf acht Teams (die ich selbst auch für wirklich wichtig erachte, dazu aber in ein paar Wochen mehr) ist das Kernthema und in Folge auch die Vermarktung und Präsentation des Produkts. Das ist als Ausrichtung auch völlig okay. Ginge es nach meinem Geschmack, hätte die AFL aber „nur“ Priorität 1B. Ich würde, allen ernstes, das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung des Sports in den Kommunen richten. Heisst: Die Neugründer bis zum Exzess fördern, sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, inhaltlich wie finanziell, zu unterstützen. Ich meine: „If you can make it in Würmla, you can make it everywhere.“ 
Denn ob bei den Vikings 200 mehr oder weniger zu den Spielen kommen, interessiert mich, wenn ich die Hundertschaften in der Provinz sehe, bei allem Respekt nur mehr am Rande.
Ich bin der Sohn von Karl-Heinz Reiterer, eines Wirten, der auch Fußballschiedsrichter war. Ich habe 40 Prozent meiner Kindheit im Wirtshaus und weitere 40 Prozent am Fußballplatz verbracht. Die restlichen 30 Prozent war ich in der Schule und versuchte mich u.a. in Prozentrechnung. Da lernt man trotzdem sehr viel. Über Menschen und Fußball. Das Kicken in Österreich ist nicht deshalb so groß, weil es international chronisch erfolglos ist, sondern weil es dem ganzen Land in den Genen steckt. Er ist omnipräsentes soziales Ventil am Freitagabend. Wenn man dort mit Football andocken kann, dann rennt der Laden eigentlich von selbst. Und die Menschen sind bereit dafür. Football ist Österreichkompatibel. Wir verstehen das, wir mögen das. Christopher Ryan hat sich anno dazumal nicht getäuscht, als er den ORF davon überzeugte, den Sport im TV zu zeigen. Da müssen wir hin, dieses Feld müssen wir beackern. Und wir stehen ja schon ante portas – jetzt müssen wir nur noch ganz eintreten.
Ich hatte letzthin eine gepflegte, wenn auch durchaus heftige Debatte mit Andreas Tatarski, dem Mitgründer und Head Coach der Mostviertel Bastards. Inhalt war das Tun des Verbandes und welche Vorteile er daraus als Verein ziehen, oder eben auch nicht ziehen kann, aber im zweiten Fall gerne ziehen würde. Also quasi eine Setlist für ein Wunschkonzert. Abgesehen davon, dass Herr Tatarski schon sehr gerne einer gewissen Weltfremdheit frönt und u.a. dabei die Meinung vertritt, dass der Verband ihm seine Trainer fix und fertig ausbilden soll, ist seine Stoßrichtung nicht ganz falsch. Dass der AFBÖ sich ganz besonders der Neuankommenden annehmen sollte, ist auch meine Überzeugung. Über den Umfang sind wir uns uneins. Übrigens wird Andreas Tatarski im kommenden Jahr Football-Austria aus privaten Gründen (Zeitmangel) nicht mehr zur Verfügung stehen. Was ich einerseits sehr schade finde, andererseits auch verstehe. Ich möchte mich auch hier nochmals bei ihm bedanken und hoffe, dass es bei seinem neuen Verein weiterhin so gut rennt.
AFL ist weder krank noch zu retten
Was die Bundesliga betrifft, ist die Mission viel schwieriger. Niemand bei Verstand kann denn Vikings und Raiders heute sagen, sie sollen doch endlich damit aufhören leiwand zu sein. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen mit mehreren Dingen umgehen lernen. Österreich hat rund acht Millionen Einwohner, beinahe ein Viertel davon lebt in einer einzigen Stadt. Neben Misstrauen und Missgunst erzeugt das auch Realitäten. Es wird immer eine Wien-Lastigkeit geben und der einzig mögliche Weg der Tatsache die Schwere zu nehmen, ist der, dass sich alle miteinander als Union präsentieren. Das gilt natürlich für beide Seiten. Das macht ja diese Kicker auch so stark, dass sie nicht andauernd auf ihren eigenen Pferden herum reiten. Bei allen Unterschieden und auch unterschiedlichen Interessen: Diese AFL ist weder krank, noch ist sie zu retten. Brutal gesprochen wären vermutlich die Pinzgau Devils, von ihrer Philosophie her, auf lange Sicht eher ein AFL-Kandidat als die Vienna Knights, aber den Gefallen kann den Knights der Sport einfach nicht machen. Und sie tun sich auch selbst keinen, wenn sie aufgeben an das zu glauben.
Wir werden für die Entwicklung des Unterbaus ein klar definiertes Oberhaus brauchen, welches, von mir aus (weil auch im Fußball Usus) aus erster und zweiter Liga besteht. Alle anderen Bedenken kann man haben, vortragen und auch mittragen. Man wird aber am Ende (und das ist auch zeitlich vorhersehbar) von einer Generation eingeholt und womöglich auch überholt werden, deren Angst vor den Großklubs und hohen Niederlagen kleiner ist, als ihr Streben nach oben. Es wird passieren. Wenn die Vienna und der Sportklub nicht in der Bundesliga spielen können/wollen, dann wird eines Tages der WAC oder gar Grödig ganz oben spielen. Überlegt euch, wir ihr dem gegenüber stehen und auftreten wollt.
Mein Ihr
Walter Reiterer
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