Bereits lange vor dem Saisonstart am ersten September-Wochenende drehen sich die Gespräche der Menschen fast ausschließlich um die Befindlichkeit ihres jeweiligen Lieblingsteams. Ab dem heutigen Tag wird Football-Austria.com seinen Lesern die Faszination College Football näher bringen.
Manch amerikanische Sportplattform konnte es sich zuletzt nicht verkneifen, eine Diskussion darüber loszutreten, ob nun College Football der NFL vorzuziehen wäre oder eben umgekehrt.

So sehr ich seit Jahren die gemeinsamen Sonntage (traditionellerweise der NFL vorbehalten) mit Freunden genieße, so sehr mich der amerikanische Profi-Football auch fasziniert, das College Football-Fieber hat mich schon seit einiger Zeit gepackt. Dies dürfte in erster Linie darin begründet sein, dass mich Sportarten mit besonders fanatischen Fans und besonders intensiv gelebten Rivalitäten stets besonders angezogen haben. Jeder der so wie ich schon die Möglichkeit hatte, die College Football-Atmosphäre mit der durchdesignten Inszenierung eines NFL-Spiels zu vergleichen, wird verstehen, warum ich die Duelle der Universitäten denen der hochbezahlten Profi-Söldner vorziehe.

Sicher, es steht außer Frage, dass die NFL besseren Football mit größeren, schnelleren und schwereren Spielern bietet, wem allerdings Tradition, Loyalität und Spaß etwas bedeutet, sollte sein Interesse auch auf College Football ausdehnen. Nicht umsonst trägt die NFL auch den scherzhaften aber wohl nicht ganz falschen Beinamen ‚No Fun League‘. 110.000 schreiende, in orange gekleidete Fans in Tennessee, die Abneigung, die sich Michigan- und Ohio State-Fans jeden November – oder eigentlich das ganze Jahr über – entgegenbringen oder die atemberaubenden Auftritte der Marching Bands, die man vor jedem Spiel und in jeder Halbzeitpause zu sehen bekommt – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – gepaart mit hochklassigem Sport kann aus meiner Sicht nur eine Sportart bieten – College Football.

Aus genau diesen Gründen haben wir uns von Football-Austria.com dazu entschlossenen unseren Lesern ab Herbst 2006 auch das Spiel der Universitäten in unsere Berichterstattung aufzunehmen, um unseren Lesern die Möglichkeit zu geben, in die wunderbare Welt des College Footballs einzutauchen.

Da College Football aufgrund seiner dezentralen Verwaltung und seines Traditionsbewusstseins (gepaart mit ein wenig Geldgier der Universitäten) wohl über das komplizierteste System in der gesamten Sportwelt verfügt, einen Champion (oder manchmal auch derer zwei) zu ermitteln, werden wir in den kommenden vier Monaten und darüber hinaus versuchen ein wenig Licht und das verworrene Dunkel dieser faszinierenden Sportart zu bringen.

Bereits heute möchten wir auf ein paar grundlegende Fragen eingehen, die vor allem Neuligen den Einstieg in den College Football deutlich erleichtern sollte.

Wie viele College-Mannschaften gibt es eigentlich?
In der höchsten Spielklasse, der Division I-A (auch unter dem neuen etwas holprigen Namen NCAA Football Bowl Subdivision bekannt), tummeln sich nicht weniger als 119 Mannschaften, von denen ein Großteil Mitglied einer der insgesamt elf Conferences ist. Nur Army, Navy, Temple und die berühmte University of Notre Dame sind als so genannte Independents ohne Conference-Zugehörigkeit und können ihren Spielplan völlig unabhängig gestalten.

Wie gestalten die Colleges ihren Spielplan?
Ab dieser Saison erlaubt die NCAA (National Collegiate Athletic Association – Dachverband über mehr als 30 College-Sportarten) allen Mannschaften der Division I-A 12 Regular Season-Spiele auszutragen (eines mehr als bisher). Für Conference-Mitglieder bildet der Spielplan innerhalb der Conference den Rahmen. Zusätzlich können die Colleges dann über vertragliche Abkommen mit anderen Universitäten zusätzliche Spiele vereinbaren und in ihren Spielplan aufnehmen. Independents wie Notre Dame gestalten ihren gesamten Spielplan auf diese Art.

Wie wird der National Champion ermittelt? Was ist die BCS? Die BCS?
Könnt Ihr uns nicht eine einfachere Frage stellen? Na gut, wir versuchen es, dieses doch äußerst komplizierte und eigenwillige Gebilde, das sich hinter den drei berühmten drei Buchstaben verbirgt, zu erklären. Traditionell wurden (und eigentlich werden noch immer) der oder die National Champions durch ein Wahlverfahren ermittelt. Wer auch immer am Saisonende an erster Stelle der Associated Press Top 25 (von Journalisten gewählt) oder der Coaches‘ Top 25 (wie der Name schon sagt, zeichnen sich hierfür die College-Head Coaches verantwortlich) lag, konnte sich National Champion nennen. Da sich aber Journalisten und Coaches auch in dieser Frage nicht immer ganz einig waren, kam es immer wieder dazu, dass es in einem Jahr zwei Meister gab. Um diesem Problem Herr zu werden und um endlich ein richtiges Endspiel zuschaffen – bisher war es nur im Optimalfall zu einem Showdown der besten beiden College-Mannschaften das Landes gekommen – (und zudem noch Millionen Dollars in die Kassen der großen Colleges zu spülen) entschieden sich die Verantwortlichen dazu, die Bowl Championship Series (BCS) der vier größten Bowls zu gründen.

Die Rose Bowl (Pasadena, California), die Fiesta Bowl (Phoenix, Arizona), die Sugar Bowl (New Orleans, Louisiana) und die Orange Bowl (Miami, Florida) sollten alternierend das neu geschaffene National Championship Game austragen, während in den jeweils anderen BCS-Bowls die restlichen Top-Mannschaften des Landes aufeinander treffen. Die beiden Finalgegner werden seit der Einführung der BCS durch eine komplizierte Formel (in die auch die zwei bereits beschrieben Top 25-Polls einfließen) ermittelt.

Die Probleme waren damit aber noch immer nicht gelöst, da sich nur die Coaches dazu verpflichteten, den Sieger des National Championship Games auch als National Champion anzuerkennen. So kam es 2003 abermals dazu, dass sich mit USC (Associated Press) und LSU (BCS) zwei Mannschaften National Champions nennen durften. Aufgrund der großen Anzahl an College-Teams (insgesamt 119 in der Division I-A) wird die Vergleichbarkeit der einzelnen Teams immer problematisch bleiben, eine Auswahl von zwei Teams für ein National Championship Game fast jedes Jahr zu heftigen Diskussionen führen.

Aber nicht nur das National Championship Game sorgte immer wieder für Kontroversen. Da die Teilnahme an einem BCS-Bowl mit einer großen Summe Geld verbunden ist, gleichzeitig aber die Champions der sechs großen Conferences (ACC, Big 12, Big East, Big Ten, Pac-10, SEC) bereits einen Großteil der acht BCS-Plätze zugesprochen bekamen und auch die zwei verbleibenden At-Large-Nominierungen meist an Teams aus den großen Ligen vergeben wurden, wuchs vor allem unter den kleineren Colleges (den so genannten Mid-Majors) der Unmut.

So wird ab dieser Saison das National Championship Game von den Bowls losgelöst und als zusätzliches Spiel alternierend in Phoenix, New Orleans, Miami und Pasadena ausgetragen. Die Anzahl der verfügbaren BCS-Plätze erhöht sich damit auf insgesamt zehn. Auch den Mid-Majors wurden mehr Rechte zugesprochen. Für Mannschaften der Conference USA, der Sun Belt Conference, der MWC, der MAC sowie der WAC reicht mittlerweile ein Platz in den Top 12 der finalen BCS-Rangliste (oder eine Platzierung in den Top 16, sollte man höher rangieren als ein Champion aus einer der großen Conferences) um sich für einen der begehrten Bowls zu qualifizieren. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass dies für die besten Teams dieser Kategorie ein durchwegs realistisches Szenario darstellt.

Was? Die Final-Teilnehmer werden gewählt? Warum gibt es keine Playoffs?
Gute Frage, die ich selbst nur schwer (wenn überhaupt) beantworten kann. Ja, die Finalteilnehmer werden gewählt und errechnet (wobei den beiden Top 25-Polls – wie bereits erwähnt – eine große Bedeutung zukommt). Die Diskussion über die Schaffung eines Playoffs, wie es in allen anderen College-Teamsportarten sowie auch den unteren College Football-Divisionen bereits seit langem üblich ist, wird in den USA bereits seit Jahren geführt. Traditionsbewusstsein, Machtabsicherung der großen Universitäten und ihre Geldgier, langfristige TV-Verträge sowie (fadenscheinige) akademische Gründe dürften die Ursachen sein, dass sich die Verantwortlichen bisher nicht durchringen konnten, diesen von der amerikanischen Öffentlichkeit vehement geforderten Schritt zu tun. Hierbei sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass der jetzige Modus auch seinen besonderen Reiz hat. Bereits eine Niederlage ist in den meisten Fällen schon zu viel, um im Rennen um die National Championship zu verbleiben. Für die Top-Mannschaften mit Titelambitionen bekommt dadurch praktisch jedes Spiel Playoff-Charakter.

Ihr schreibt immer wieder von Student Athletes, aber sind das eigentlich nicht ohnehin Profi-Footballer, die sich als Studenten tarnen?
Zwar mag der außenstehende Beobachter ob der immer wieder auftretenden Skandale den Eindruck bekommen, dass sich weder die Spieler selbst noch die Universitäten wirklich um den akademischen Erfolg der Footballer kümmern, so entspricht dieser Eindruck nicht ganz der Realität. Selbstverständlich stehen Student Athletes eine Menge (legaler) Hilfsmittel zur Verfügung, um ihren akademischen Erfolg sicherzustellen, dennoch sind sie neben ihren sportlichen Aktivitäten in erster Linie Studenten, die so wie ihre Kommilitonen Hausübungen, Tests und Prüfungen zu bewältigen haben. Ob ein Student Athlete den Unterricht auch tatsächlich besucht und die ihm bescheinigten Leistungen auch wirklich erbringt, wird regelmäßig und unangekündigt von der NCAA überprüft. Ebenso hat die NCAA in den letzten Jahren den Druck auf die Universitäten und damit auch auf die Sportler deutlich erhöht. So verlangt der Verband von seinen Mitgliedern regelmäßige Berichte über die akademischen Leistungen ihrer Athleten. In den nächsten Jahren wird sogar die Einführung empfindliche Sanktionen erwartet, wenn nicht ein bestimmtes Mindestmaß akademischer Leistungen erbracht wird. Fans sollten sich auch immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass nur ein äußerst geringer Prozentsatz der College-Spieler es tatsächlich auch in die NFL schafft. Für die meisten ist es die letzte Gelegenheit den von ihnen geliebten Sport auszuüben bevor sie das Erwachsenen-Leben bewältigen müssen. Und dafür ist eine gute Universitätsausbildung mit Sicherheit sehr hilfreich.

Wie viel verdient so ein College-Spieler eigentlich?
Mit Ausnahme seines Stipendiums, das für Studiengebühren, Bücher, Unterkunft und Verpflegung aufkommt, gar nichts. Der Amateuer Status der College-Sportler wird von der NCAA wie ein Heiligtum behütet. So darf ein Student Athlete während der Saison auch keine Jobs annehmen, um sich ein Zubrot zu verdienen. Selbstverständlich versuchen Spieler und sogenannte Booster (reiche Unterstützer der Colleges) diese Regeln immer wieder zum umgehen. Selbst ungerechtfertigte Vergünstigungen (z.B. Gratis-Essen für Footballer in einem lokalen Burger-Lokal) werden aber von der NCAA hart bestraft und können für das jeweilige Football-Programm und den betroffenen Spieler schwerwiegende Folgen haben. Manch großes Football-College hat in der Vergangenheit fast ein Jahrzehnt gebraucht, um sich (wenn überhaupt) von den Strafmaßnahmen der NCAA (geringere Anzahl der zur Verfügung stehenden Stipendien, Ausschluss von der Teilnahme an Bowl-Spielen, etc.) zu erholen.

Wie lange kann ein Spieler eigentlich College Football spielen?
Grundsätzlich dauert die College-Karriere eines Footballspielers vier Jahre. In manchen Fällen besteht die Möglichkeit die Verweildauer auf dem College um ein Jahr verlängern. Dies geschieht durch das so genannte Redshirt. Dieser Terminus wird dann verwendet, wenn ein Student Athlete über eine gesamte Saison zwar Lehrveranstaltungen besucht und als Teil der Mannschaft am Training teilnimmt, in den Spielen aber nicht zum Einsatz kommt. Dadurch verlängert sich seine Spielberechtigung um maximal ein Jahr. Oftmals wird dieses Mittel eingesetzt, um jungen Spielern, die frisch von der High School kommen, die Zeit zu geben, die sie benötigen um sich an das Tempo und die Härte des College-Spiels zu gewöhnen. Eine zweite Art des Redshirts ist das Medical Redshirt, das im Fall von schweren Verletzungen zur Anwendung kommt. Spieler, die sich vor oder kurz nach Saisonbeginn schwer verletzen und für eine ganze Saison ausfallen, bekommen so die Möglichkeit das verlorene Jahr nachzuholen. In besonders extremen Fällen (mehrfache schwere Verletzungen) kann es sogar passieren, dass die NCAA dem Spieler ein sechstes Jahr am College zuspricht.

Muss ein Spieler überhaupt aufs College oder kann er gleich in die NFL wechseln, wo das große Geld auf ihn wartet?
Während ein Spieler im Regelfall maximal vier Saisonen am College verbringen kann, sehen die Regulative der NFL vor, dass zwischen dem Highschool-Abschluss und dem Beginn der NFL-Karriere eines Spielers zumindest ein Zeitraum von drei Jahren liegen muss. Theoretisch muss ein Spieler diese Zeit nicht am College verbringen, aber nur in den seltensten Fällen schafft es ein Footballer ohne College-Erfahrung in die NFL. Diese Regel der NFL wurde im Übrigen auch vom obersten Gerichtshof der USA abgesegnet, nachdem zwei Spieler (Maurice Clarett und Mike Williams) 2004 Klage gegen die Liga eingebracht hatten.

Klingt alles toll, was Ihr da über College Football erzählt, aber wo kann ich das sehen?
College Football-Fans in Europa haben es wahrlich nicht leicht. Nur sehr wenige Sender übertragen die College-Spiele. Einer davon ist der North American Sports Network (NASN), der aber in Österreich nach wie vor nicht (auf legalem Wege) empfangbar ist. Leider nicht mehr im Programm von NASN sind ESPN Sendung wie der berühmte College Gameday. Unseres Wissens zeigt das Wiener Lokal Billy’s Bones die auf NASN übertragenen Partien jeden Samstag auf einer Großbildleinwand.
Eine andere Möglichkeit College-Spiele zu sehen bietet das Internet. ESPN bietet seinen College GamePlan auch online (gegen Bezahlung) an. Das Paket zum Preis von rund 110 Euro bietet pro Saison rund 150 Live-Spiele in durchwegs ansehnlicher Qualität. Noch nicht getestet haben wir das All Access XXL-Paket von CSTV. Hier sollten vor allem Spiele der Mid Major-Conferences online zu sehen sein.
All denjenigen, die die Spiele gerne über das Radio verfolgen möchten, können wir die Yahoo! Sports College Broadcasts empfehlen. Grundsätzlich bieten fast alle Teams ihre Radioübertragungen auch über das Internet an. Sollte das gewünschte Team nicht bei Yahoo! zu finden sein, empfiehlt sich ein Besuch der offiziellen Website der jeweiligen Mannschaft.

Und wenn ich es schon kaum sehen kann, wo kann ich wenigstens darüber lesen? Welche Websites könnt Ihr empfehlen?
Hier auf Footbbal-Austria.com natürlich. Um aber einen noch größeren Überblick über das College Football-Geschehen zu bekommen empfiehlt sich mit Sicherheit ein Besuch auf den großen amerikanischen Sportseiten. Persönlich bevorzuge ich SI.com und ESPN.com. Die Kolumnisten Stewart Mandel (Sports Illustrated) und Ivan Maisel (ESPN) gehören für mich zu den lesenswertesten und bestinformierten College Football-Journalisten Amerikas. Für den interessierten Fan lohnt sich auf jeden Fall der Besuch von CollegeFootballNews.com. Wer noch tiefer in die Materie eintauchen will, sollte einen Blick auf die besten College Football-Blogs riskieren. Besonders empfehlenswert aus meiner Sicht ist der unglaublich humorvolle, aber auch informative Weblog Every Day Should be Saturday, dessen Namen wir uns auch für die Überschrift unseres ersten College Football-Artikels ausgeborgt haben.

Christopher Houben

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