Der eine nennt den anderen auf Twitter „Bagdad Bob“, der wiederum ruft in regelmäßigen Abständen Gerichte an, um gegen Sitzungen und Beschlüsse des Weltverbandes anzukämpfen, der „seinem“ europäischen Verband die Zuständigkeit für eigentlich eh alles aberkannt hat und eigene Verbände und Bewerbe unter seinem Dach installieren will. Die Rede ist vom schwedischen IFAF Präsidenten Tommy Wiking und seinem deutschen EFAF Pendant Robert Huber. Während Wiking dafür Sorge trägt, dass das Niveau der Auseinandersetzung bloß nicht durch Sachlichkeit an Höhe gewinnt, nutzt der andere seine juristische Ausbildung und Kontakte, um damit Anwälte zu beschäftigen. Das Ganze auf dem Rücken und zum Schaden des Sports. Die Schuld läge – eh klar – beim jeweils anderen. Der eine führt einen langfristigen Olympia-Traum, der bei seiner kommenden Heim-WM 2015 so richtig heraus gearbeitet werden soll ins Treffen, der andere bemüht gar gleich die Friedensordnung Europas nach dem zweiten Weltkrieg, die ihn schließlich im Recht sähe. Starker Tobak zwischen Stockholm und Frankfurt.
Mittlerweile ist es sehr mühsam geworden diesem Konflikt, der sich nicht selten wie ein Streit unter Pubertierenden anfühlt, überhaupt noch mit der angemessenen Seriosität und Aufmerksamkeit zu folgen. Ebenso ist es unmöglich geworden herauszufiltern, wer der „good guy“ und wer der „bad guy“ in dem Film ist, von einer ernsthaften Möglichkeit einer Beurteilung, wer tatsächlich Recht hat und was eigentlich am Vernünftigsten wäre zu tun, mal ganz abgesehen, denn davon sind alle Lichtjahre entfernt. Weil es darum auch schon lange nicht mehr geht.
Flucht nach vorne
Das haben die Top-Teams aus der DACH-Region offensichtlich richtig erkannt, dass mit den beiden kein Staat mehr zu machen ist und ihre eigene Liga unter dem Namen BIG6 gegründet. Die vorerst einmal unter freundlichem Kopfnicken der EFAF stattfinden wird, wobei diese Zustimmung wohl nur eine Formsache ist. Ob Robert Huber die Wahlen bei der nächste EFAF-Generalversammlung überlebt, ob er überhaupt noch einmal antritt, ob die EFAF diese als Verband übersteht, das ist alles noch offen. In allen möglichen Fällen wird sie in der Form und für diese Klubs und ihr Ansinnen keine wesentliche Rolle mehr spielen können. Selbiges gilt für die IFAF, die gar nicht mal wirklich gefragt wurde und – neben den zumindest am Papier noch existierenden EFAF-Bewerben EFL, EFAF Cup und Regional Cup – einen eigenen, nach regionalen Kriterien ausgerichteten Klubbewerb in Europa etablieren möchte. Was davon am Ende gespielt wird, das steht noch in den Sternen. Man kann vermuten, dass nicht viel übrig bleiben wird, wenn man in die Gedankenwelt von Funktionären anderer Vereine oder Verbände eintaucht, was die so glauben, welche Kosten derlei Events verursachen könnten. So weit weg von der Realität, lässt sich dann alles mögliche am Reissbrett ganz entspannt entwerfen.
Angesichts dessen zogen sechs Klubs aus, um sich ein Turnier selbst zu organisieren. Die beiden Top-Teams aus der AFL, Raiffeisen Vikings und Swarco Raiders und der GFL, New Yorker Lions und Dresden Monarchs. Dazu gesellen sich und die beiden Euro Bowl-Halbfinalisten aus 2012, Berlin Adler und Calanda Broncos.
Das was böse Football-Zungen aus „Resteuropa“ schon die „Reich & Schön-Liga“ in diversen sozialen Medien und Foren nennen, hört sich im ersten Moment eigentlich gut an und sieht auch am Papier gar nicht übel aus. Erst beim genaueren Hinsehen werden veritable Schwächen erkennbar.
Das ist keine Liga!
Ich wurde kürzlich von einem an Football stark interessierten Vertreter eines in Österreich sehr großen Mediums gefragt, als er den Spielplan der Liga (da noch erfreut) sah: „Sag, wann finden eigentlich die Rückspiele statt?“ Gute Frage. Die gibt es nach wie vor nicht. Die BIG6 ist in Wahrheit beim alten EFL-Modus geblieben, sie hat nur ihre „unnötigen Spiele“ gegen Iberer, Skandinavier, Briten, Osteuropäer – name them – aus dem Schedule eliminiert. Man steigt quasi in einem Doppel-Halbfinale ein. Drei Siege (!) und du bist das beste Footballteam Europas. Echt? Echt! Darauf bekam ich ein: „Das ist dann doch keine Liga!“ Ich kann dem guten Mann nur schwer widersprechen und war selbst darüber erstaunt, dass man die Chance jetzt, eine europäische Top-Serie zu etablieren, die das auch inhaltlich widerspiegelt und lebt, einfach ungenutzt vorbeiziehen lässt und auf das alt- wie gleichermaßen schlecht bewährte System des „spielen wir halt irgendwie gegeneinander“ zurück greift. Auf zwei Gruppen konnte man sich einigen, aber wenn man dann noch weiss, dass eines der sechs Teams überhaupt nur unter den Bedingungen seines ganz persönlichen Lieblings-Schedules antrat, dann dreht sich das „Wünsch dir was“-Karrussel wieder mit voller Unwucht Richtung Beliebigkeit. Wie man sich’s halt ausredet, so spielt man dann auch.
Das kann und wird kein ernstzunehmendes Medium, so wie es ist, als zukunftsträchtige Vision bewerten, denn es handelt sich um die aufgewärmte und reduzierte Vergangenheit. Was hierzulande dann konkret vermutlich so aussieht, dass sicher weiter darüber Bericht erstattet werden wird, allerdings nur weil man bei Football so oder so nicht tiefer gräbt oder mehrmals nachfragt, einfach andere Maßstäbe anlegt. Nur genau da liegt der Hund begraben: Niemals würde man einer Mannschaftssportart so etwas als europäischen Top-Bewerb durchgehen lassen, wenn es sich bei ihr um eine aus der Sicht des Mediums tatsächlich relevante Sache handelt. Und weil Football diese Relevanz in den Köpfen und Schreibstuben eben nicht hat, kann und darf man auch machen was man will und wie man es will.
Der "Champions League des Footballs"-Hoax
Man will sich nach drei gewonnen Spielen (davon womöglich zwei Heimspiele) sogar hinstellen und sagen: Wir sind die Gewinner der Champions League des Footballs! Früher konnte ich noch, wissend dass nicht alles was hinkt ein Vergleich ist, schmunzeln, wenn das jemand so ganz stolz vortrug. Heute sticht es mich in der Milzgegend. Das ist so überlebensgroß vermessen, dass es körperliche Schmerzen verursacht, denn hat die Euro Bowl mit der UEFA Champions League inhaltlich ungefähr so viel gemeinsam, wie Bahnengolf mit dem Ryder Cup. Nichts gegen Bahnengolf, aber Sie wissen was ich meine. Kein europäischer Bahnengolfmeister nennt sich „quasi Ryder Cup Sieger“.
Und die Möglichkeit das zu ändern, die haben diese sechs Teams einfach nicht genutzt. Sie hätten dafür Sorge tragen können, sogar müssen, dass sie in einer Spielserie antreten, die nicht nur aufgrund ihrer Teilnehmer, sondern auch auf Basis ihrer Beschaffenheit, die Sportredaktionen und TV-Sender Europas überzeugt: Das ist jetzt „The Real Thing!“ Zumindest geht es in die Richtung. Das ist es so leider nicht und tendiert auch nicht dazu. Es ist das ganz alte Ding, halt ohne Helsinki, Barcelona, Søllerød usw., die man weg geschickt hat Richtung EFL oder sonst wohin, wo sie nicht stören können. Sie haben es verabsäumt dem europäischen Klubfootball ein jetzt tatsächlich ernsthaftes, weil kompetitives und dadurch inhaltlich nachvollziehbares Gesicht zu geben. Was im Mannschaftsballsport auf europäischer Ebene eben als Minimum einfach heisst: Hin- und Retourspiel. Nichts anderes gilt. Wir sind nicht in der NCAA. Da wären es noch weit mehr Spiele. Man hat in Summe die eine Hälfte („Jausengegner“ in der Talstation zurück lassen) erledigt, die andere (den Bewerb aufmotzen) offen und unangetastet gelassen. Weil man sich auch nicht mal mehr das Pensum von zuletzt noch antun will. Warum eigentlich nicht?
Inhaltliche Irritationen schlagartig verschwunden
Weniger schwer wiegt für mich der von einem Teilnehmer (Vikings) vollzogene Schwenk um 180 Grad, wer nun Partner und wer ganz sicher keiner sein kann. Aber erwähnen sollte man es schon. Waren vor zwei Jahren die Calanda Broncos für die Wikinger noch das Böse schlechthin, will man von ihnen heute, dass sie sich bitteschön wieder so aufstellen wie damals 2012. Keine Rede mehr von „fehlender Nachhaltigkeit“, „für den Sport unnötige Legionärstruppe“, „wettbewerbsverzerrend“ – ganz andere Töne werden angeschlagen. Gradmesser sollen sie jetzt auf einmal sein/spielen. Sieht man sich dann noch die beiden German Bowl Finalisten genauer an, dann ist deren System von unserem ebenfalls ein schönes Stück weit entfernt. Nachwuchsarbeit in Braunschweig findet de facto nur in homöopathischen Dosen statt. In Dresden setzt man bei der ersten Mannschaft in erster Linie auf Imports und umzugswillige Deutsche. Diese Teams will man nun plötzlich im Boot haben. Okay. Vor allem für Wien, die damals aus allen Rohren Gift und Galle Richtung Graubünden spuckten, sieht das nun doch ein wenig komisch aus. Aber so soll es halt sein.
Meine Ansicht dazu ist unverändert: Der Schweizer Football hat davon nicht profitiert und wird es auch nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Die Schweizer Nationalliga ist verramscht, befindet sich jenseits jeglicher öffentlichen Akzeptanz und das Nationalteam prolongierte kürzlich seine Letztklassigkeit. Das müss(t)en sie, die Schweizer, allerdings selbst erkennen und klären. Allerdings kann das auch für Europa kein gangbarer Weg der Zukunft sein, denn die Anzahl der sich engagierenden Millionäre, die gerne Football-Pokale sammeln, die wird weiterhin sehr überschaubar bleiben und daher gehören die Klubbewerbe dahingehend auch vernünftig reglementiert. Es sind ja gerade die, die nach „NFL Style“ schreien, die bei "Salary Cap", oder generell bei Beschränkungen, reflexartig Schwindelanfälle bekommen. Derzeit gelten für die BIG6 die aktuellen EFAF Regeln, ergo gibt es kein effektives Reglement diesbezüglich. Alles darüber hinaus fand innerhalb des Sextetts keine Mehrheit. Auch da befahren sie, wie beim Spielmodus, ganz alte Pfade.
Abzuwarten ist noch, wie sich die Vergabe des Finales, das ja wieder den Namen Euro Bowl tragen soll, gestalten wird. Das wurde noch nicht beschlossen und auch daran wird man abschätzen können, wie ernst die Sechs es meinen. Vergabe nach einem Bietverfahren? Losentscheid? Oder sichern sich die Österreicher mit einem Seeding-Regulativ fürs erste die „Euro Bowl dahoam“?
Alles in allem haben die sechs Klubs mit dem Schritt weg vom EFAF/IFAF-Theater sicher das Richtige getan, was dabei unterm Strich inhaltlich herausgekommen ist, ist aber doch sehr enttäuschend und wirkt so gar nicht wie „der Beginn einer neuen Ära“, was man ja selbst behauptet, sondern wie „less of the same.“ im nun elitäreren Kreis.
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