Im Tivoli Stadion – in der Wirkungsstätte des neuen Headcoaches der Swarco Raiders – wurde Shuan Fatah heute den Medien vorgestellt. Walter Reiterer sprach mit dem 42-jährigen Berliner über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

WAR: Wie gefällt es ihnen hier in Tirol und vor allem am Tivoli?
Shuan Fatah: Das Tivoli Stadion ist ein Prunkstück, welches in Football Europa einzigartig ist. Ich bin auch von den Tiroler Football Fans schwer beeindruckt, vor allem darüber wie viel sie über Football wissen. Als ich mit den Adlern hier war, haben sie in den entscheidenden Momenten genau gewusst, wann man mit der Mannschaft lautstark mitgehen muss.

Hat am Ende nicht gefruchtet für die Raiders…
(lacht) Nein, ich hatte mit den Adlern zwei sehr erfolgreiche Saisonen mit dem Gewinn der German Bowl und dem Euro Bowl. Ich hoffe zweites nimmt man mir nicht allzu übel in Österreich, aber das musste mal sein.

Die Berlin Adler spielten 2010 eine extrem lange Saison. Fluch oder Segen?
Manche Spieler der Adler absolvierten 27 Spiele. Das ging an die Grenze des Machbaren und ist fast nicht toleriebar als Trainer.

Die GFL ist aber gerade dabei ihre Liga quantitativ zu erweitern. Zwei zusätzliche Vereine, zwei Spiele mehr…
Die GFL geht meiner Meinung nach hier in falsche Richtung. Das ist kein Dienst am Athleten, für den ich als Trainer sprechen muss. Ich verstehe, dass mehr Spiele gut für das Marketing und die Sponsoren sind, aber man darf nicht vergessen, dass es Amateursport ist. Wie gesagt absolvierten manche mit der Vorbereitung, der GFL, der EFL und der EM 27 Spiele. Das ist bereits viel zu viel.

War das mit ein Grund für die Niederlage gegen Kiel in der German Bowl?
Mit ein Grund ja, der Grund nein. Kiel hat viel Geld, starke Spieler und sind sehr gut gecoacht. Es wäre daher unfair, unsere Niederlage daran festzumachen. Aber sicher waren wir nicht so frisch nach der langen Saison, wir haben den Preis dafür am Ende bezahlt und der Ausfall eines Import Quarterbacks, der kommt im europäischen Football natürlich einem Supergau gleich.

Nun ist die AFL deutlich kleiner und wird mit der EFL quasi ‚verlängert‘. Ist das der bessere Weg?
Die AFL könnte durchaus mehr Spiele vertragen. 13-15 Spiele europäisch und national, ohne eventuelle Einsätze im Nationalteam, würden für mich eine kalkulierbare Belastung darstellen. In der Kürze liegt die Würze, aber zu kurz darf es auch nicht sein.

Die Wahrheit liegt also in der Mitte?
Aus meiner Sicht ja. Die GFL ist viel zu lang und kräfteraubend, die AFL ein wenig zu kurz. 2010 hat noch eine GFL Mannschaft europäisch gespielt, eben die Berlin Adler. Die Verlängerung der GFL wird nicht helfen, dass mehr deutsche Mannschaften international sich engagieren wollen. Eher das Gegenteil wird eintreten. Auf der anderen Seite spielten fünf AFL Teams in der EFL mit. Ein Mittelweg daraus würde mir sinnvoll erscheinen.

Fangfrage: Ist die GFL oder die AFL stärker?
Das kann ich in genau einem Jahr beurteilen. Derweilen bin ich der Meinung, dass eine Mischung der beiden Ligen die stärkste Liga ergebe.

Haben die Adler vom Wechsel ihres Cheftrainers vor der German Bowl gewusst?
Der Verein wusste, dass ich danach eine Entscheidung treffen werde, aber nicht welche. Von den Spielern haben wir das komplett fern gehalten.

Wie haben die darauf reagiert?
Die Spieler waren natürlich enttäuscht. Nach der Niederlage in der German Bowl dann auch noch so eine Nachricht. Der Verein hat versucht mich zu halten, am Ende mein Ausscheiden aber abgenickt. Ich will mit meiner Familie jetzt, wo wir so etwas noch machen können, auch durchziehen. Es ist eine riesige Herausforderung für mich.

Der Erfolgsdruck in Innsbruck ist hoch. Spüren sie ihn bereits?
Ja, aber daran bin ich gewöhnt. Wir wissen, dass wir unser Handwerk verstehen, wollen daher sicher nicht outcoached und outworked werden, aber am Ende des Tages ist nicht alles beeinflussbar, was auf einem Footballfeld passiert.

Ihr Vorgänger Santos Carillo gewann ein Jahr keinen Titel und wurde gefeuert. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?
Nein. Das ist ‚the nature of the beast‘. Ich habe einen Dreijahresvertrag in Innsbruck und ich werde diesen auch erfüllen.

Ist das Double – Austrian Bowl und Euro Bowl – als Ziel von ihren neuen Arbeitgebern ausgegeben worden?
Wir haben kurzfristige und längerfristige Ziele definiert. Das Double ist ein Traumziel am Ende des Weges, aber meine wichtigste Aufgabe in Innsbruck wird sein den bevorstehenden Generationswechsel bei den Raiders in den nächsten zwei Jahren erfolgreich über die Bühne zu bringen. Klar fehlt in mir in meiner Titelsammlung noch eine Austrian Bowl. Aber das Wichtigste für mich als Coach sind nicht die Titel, sondern die Entwicklung der Spieler. Wenn man einen jungen Spieler zu einem Starter heranformt, aus einem Starter einen Nationalteam-Spieler macht, dann hat man gute Arbeit geleistet. Wenn im Coaching Staff gut gearbeitet wird, man die Hausaufgaben macht, kommen auch die Titel.

Sie hatten heute ihre ersten Meetings mit Coaches und Spielern. Wie verliefen die?
Sehr positiv nach meinem Empfinden. Es ist alles noch neu, wir haben uns mal kennen gelernt und ich meine Vorstellungen präsentiert. Es folgt ein Testing aller Spieler, um zu sehen wo sie stehen.

Wann folgt der Umzug von Berlin nach Innsbruck?
Ich werde zunächst pendeln, spätestens ab 1. Januar 2011 werde ich mit meiner Familie in Innsbruck leben.

Was wissen sie über die Konkurrenz in der AFL?
Ich kenne natürlich die Vikings, da wir diese gespielt haben mit den Adlern. Ich habe Kontakt zu den Danube Dragons und kenne auch die Prague Panthers als sehr unangenehmen Gegner aus der EFL. Die Graz Giants sind mit Coach Rhoades und dem Quarterback Chris Gunn ebenfalls eine bekannte europäische Größe für mich. Unbeschrieben sind für mich noch die Blätter der Black Lions, Salzburg Bulls und der Invaders St. Pölten. Ich weiß, dass es Überraschungen gab letzte Saison, im Detail werde ich mir das aber noch anschauen.

Sie haben ihren Offense Coordinator Lee Rowland mitgenommen. Wird ein neues System installiert?
Wir werden eine spread offense spielen, eine Variation der pistol offense. Das ist unser Steckenpferd, damit arbeiten wir und das ist auch kein großes Geheimnis. Es wird einige Veränderung geben, allerdings keine allzu großen, da auch Raiders die spread zuletzt spielten. In der Defense wollen wir eine 4er Linie installieren, wenn es personell im machbaren Bereich liegt.

Stichwort Personal: Gibt es Wunschspieler bei den Legionären? Es gibt das Gerücht, dass Adler RB Talib Wise auch nach Innsbruck kommen könnte.
Es gibt Wunschspieler: Ich will sehr gute Imports! (lacht). Ich will vor Weihnachten die Verträge unter Dach und Fach bringen und von Februar weg hätte ich dann gerne die ganze Mannschaft schon zusammen im Training. Das ist mein Wunsch wie gesagt. Zu Talib Wise: Er ist wie viele andere eine Option, wenn er in das System passt. Es ist hier noch gar nichts entschieden.

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