Sie meinen ich übertreibe? Möglich, aber Güssing gegen Stallhofen kann diesem überlebensgroßen Vergleich zumindest in Detailfragen definitiv standhalten. Was die Gladiators und Stallions den knapp 300 Besuchern in Punitz gezeigt haben, kann man getrost als eine „wider allen Wetterteufel beseelte Herzensangelegenheit“ nennen.

Denn nur dort, wo man die renitente Schneedecke des Märzen entfernen muss, um auf dem darunter zum Vorschein kommenden Fleckchen Erde (genannt: Spielfeld) spezifische Männerfragen in vier Vierteln zu klären, schwebt der wahre Geist dieses Sports als Erzengel darüber.

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mag ihnen keine Messe lesen, aber eine kleine – und wie wir meinen feine Geschichte aus dem südlichen Ende des österreichischen Footballs erzählen.
 
Für beide Teams war dieses Match von enormer Bedeutung. Die Styrian Stallions wollen 2006 in den Ligabetrieb einsteigen und brauchen solche Partien um die Vorraussetzungen dafür zu schaffen. Die Güssing Gladiators, in der zweiten Division am Werke und heuer mit jeder Menge Rookies im Roster, suchen diese Herausforderung schon in der Vorsaison um ihre Neulinge vor bösen Überraschungen zu bewahren.

Die scherzhafte Ankündigung der steirischen Hengste im Vorfeld (Wenn man schon nicht gewinnen könne, wird man wenigstens den Gladiators den Rasen ruinieren) sollte sich als Differenz zwischen Tatsache und Vorstellung erweisen – nämlich als hochkarätige und vorhersehende Ironie.

Der Boden nämlich glänzte an diesem Sonntag als Rasenbelag mit Abwesenheit und schickte seinen Vetter, den ordinären Untergrund ins Südburgenland. Dieser war von seinem Einsatz derart überrascht, so er völlig angetrunken als Matsch zum Anpfiff erschien. Knöcheltiefer Morast am Randes des Spielfeldes, welches auch noch um einige Yards zu schmal war. Das Spiel fand wetterbedingt auf dem Trainingsplatz statt.

Darauf basiert auch die erwähnte Brutalität des Aufeinandertreffens (als Sportsmänner blieb man durchwegs fair), denn auf diesem Terrain ein Footballmatch durchzuführen, ist als ob man versucht die Streif mit Langlaufskiern zu bezwingen. Nicht gänzlich unmöglich, aber schon ein bisschen gefährlich. Die Referees erklärten den Platz jedenfalls für bespielbar. Ganz sicher auch deshalb, weil beide Teams absolut gewillt waren anzutreten. Die Entscheidung sollte sich als richtig herausstellen, da sich in Folge kein Spieler ernsthaft verletzten und sich, gemessen an diesen grausigen Bodenverhältnissen, ein durchaus interessantes Footballmatch entwickeln sollte.

Beide Teams konzentrierten sich von Beginn an auf ihre Stärken. Im Falle der Stallions: die Defense. Diese war in der ersten Hälfte durchwegs in der Lage der Gladiators Offense standzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt noch eine böse Überraschung für die favorisierten Burgenländer. Dem kraftvollen Gladiatoren Laufspiel wurde fast der Riegel vorgeschoben. Nur ein einziges Mal konnten die Güssinger punkten. Halbzeitstand 6:0.

Der Extrapunkt, in diesem Fall Punkte (2 Point Conversion), wurde wie alle PATs in Folge vergeben. Eindeutig zur Verantwortung zu ziehen ist der Sumpf, welchen sie Spielfeld nannten. Exquisiter Höhepunkt: ein Extrapunktversuch der Güssinger landete „wide right“ und auch „slightly short“ – sprich der Ball kam nach dem Versuch in der rechten Ecke zwischen Endzone und Sideline in einer Pfütze zu liegen. Platsch! Uns fällt dazu nur eine Regel aus dem Golfsport ein: „Der Spieler hat kein Recht darauf den Ball zu sehen.“ Es schaut natürlich komisch aus wenn ein Kicker beim Extrapunktversuch den Ball unbehindert fast ins Out befördert, aber nur dann, wenn er nicht hauptsächlich damit beschäftigt ist herauszufinden wo dieser sich in der Schlammasse überhaupt befindet. Hauptaufgabe aller an der Sideline stehenden Personen war daher auch: Bälle putzen. Footbälle in Neonfarben – eine Marktlücke?

So stark die Defense der Steirer – so schwach bis zu diesem Zeitpunkt ihre Offense. Das Laufspiel wollte und sollte nicht auf Touren kommen. Bis zum letzten Viertel sahen die Quarterbacks beider Teams auch von langen Pässen ab. Es war ein harter Arbeitstag für Running Backs und Line Backer. Ende des letzten Viertels forcierten jedoch beide Mannschaften das Passspiel.

Der Stallions Quarterback Dominik Reinweber, welcher bis dahin fast nur als natürliches Hemmnis seiner eigenen O-Line in Erscheinung trat, warf aus heiterem Himmel lange und vor allem auch vernünftige Pässe. Anfangs noch zögerlich, bis Headcoach Steve Zundl der Geduldsfaden riss (We gonna hook on this play!) und der Stallions Spielmacher seine Wurfhand entdecken sollte. Die Versuche blieben zwar denkbar knapp erfolglos und unbelohnt, doch hätte man von Beginn an Passes in das berechenbare Angriffsspiel einbauen können. Den Einwand, die Güssinger Defense würde auf solche lange Pässe geradezu warten, kann man angesichts der Wurfleistung der letzten Spielminuten auch anders sehen. Das hätten sie u. U. zu befürchten gehabt. So kam es, wie es kommen musste. Der sich im Dauereinsatz befindliche Stallions Defense ging am Ende die Luft aus. Die Güssinger scorten noch zwei Mal zum hochverdienten Entstand von 18:0.

Kampfponys

Bemerkenswert mit wie viel Emotionen diese Begegnung von beiden Seiten geführt wurde. Nicht nur mit Taten, sondern auch mit Worten schenkte man sich ein. Ein Schreiduell der beiden Headcoaches quer über das Feld degradierte die Spieler zu Tennismatch Beobachter (die typische links-rechts Kopfbewegung) und sorgte für Lacher im Publikum. Zwar mussten die Refs zwischendurch mal so manchen Sprücheklopfer beruhigen, doch blieben diese Verbalduelle am Rande im Großen und Ganzen so fair wie das Match selbst. Der Spruch des Tages kam eindeutig von einem Gladiator in Richtung eines etwas untergroßen Stallion Sportskollegen: „Du bist ja gar kein Hengst, sondern ein Kampfpony!“. Bitte mehr davon und auch dem Spielruf „Pink 69“ können wir einiges abgewinnen. Die wenigen Herren, welche es mit der rüden Gangart versucht haben, sollten gemeinsam mit den Könnern ihres Fachs an ihrer Syntax feilen. Ansonsten war es auch ein durchwegs gelungener Kabarett Nachmittag.

Spies like us

In Schafspelzen gehüllt schlichen sich Wölfe auf den Platz. Ein vierköpfiges Rudel aus Budapest verfolgte, bewaffnet mit Videokamera und gespitzten Bleistiften, das Spielgeschehen. Von Football-Austria.com entdeckt, führten wir ein Domestizierungsgespräch mit Alphatier Attila Árpa, seines Zeichens Obmann und Tight End der Budapest Wolves. Scheinbar bereiten sich die Herren sehr sorgfältig auf ihren Eintritt in die Division II in diesem Jahr vor. Was wir sonst noch von den Wolves in Erfahrung bringen konnten werden wir ihnen in Bälde erzählen. Die Magyaren haben einiges vor.



Resümee:
Beiden Teams gebührt Respekt. Die Verantwortlichen der Gladiators haben es geschafft unter widrigsten äußeren Bedingungen ein Footballmatch zu veranstalten. Sportlich haben sie ab der zweiten Hälfte gezeigt, was man von ihnen erwarten durfte. Die Stallions haben sich als starkes Team in der Defense präsentiert. Die Marschrichtung stimmt und man wird bei dieser Schrittfrequenz die Stallhofner wohl im kommenden Jahr in der Division 2 willkommen heißen dürfen. Dass ein Vorbereitungsmatch eines Drittligavereins auf einem ehemaligen Maisacker am unteren Ende der bekannten Welt unter internationaler Beobachtung steht, spricht wohl Bände über den Stellenwert des österreichischen Football.

Friendly
Güssing Gladiators vs. Styrian Stallions 18:0

(0:0/6:0/6:0/6:0)
13. März 05 | 14:00
Sportanlage | Punitz, 300

Referees: Christian Steiner (Headreferee), Franz Koller (Umpire), Ernst Zemsauer (Linesman), Sissy Koller (Linejudge), Hannes Praher (Backjudge)

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Spielbewertung:
Spielniveau:
Ambiente:
Unterhaltungswert:
Burgertest: ausgefallen, weil nicht auf der Speisekarte

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MVPs:
Pepi Rosenecker (LB/FB Gladiators) hat im Übrigen zur Halbzeit den Endstand exakt vorhergesagt
Andreas Ruhry (LB Stallions)

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