Denn noch nie hatte ein afroamerikanischer Head Coach ein Team in die Super Bowl geführt – diesmal sind es mit Lovie Smith (Chicago Bears) und seinem Freund und Mentor Tony Dungy (Indianapolis Colts) gleich zwei.
Derzeit gibt es unter 32 NFL-Head Coaches ganze sechs schwarze – und das ist Rekord. Denn in der Geschichte der Liga bekamen erst zehn Afroamerikaner die Chance, sich als Head Coach zu beweisen. Das Duell der zwei herausragenden Coaches Dungy und Smith, die überdies auch als absolut integer gelten, hat in den USA sozialpolitische Signalwirkung über den Sport hinaus. Hinzu kommt, dass Lovie Smith in der Dungy-Ära bei den Tampa Bay Buccaneers als Linebackers Coach tätig war. Die beiden kennen einander in- und auswendig und sie auf der defensiven Seite des Balles Proponenten der „Cover 2“.
Diese Verteidigungsvariante sollte in einem klassischen Duell einer spektakulären Offense (Indy) mit einer dominanten Defense (Chicago) kein Nachteil für Superstar Peyton Manning sein. Der Colts-Quarterback, zweifacher MVP der NFL, hat es in seinem neunten Jahr endlich ins Endspiel geschafft – ebenso wie Dungy, der in 11 Jahren als Head Coach, neunmal die Playoffs erreicht hat, hochverdient. Wenngleich auf dramatische Weise: noch nie hat ein Team in einem Conference Final einen Rückstand von 18 Punkten (3:21) umgedreht – Indy schaffte es und besiegte die New England Patriots mit 38:34.
Entwarnung bei Manning
Manning bewies gegen New England, dass er auch dann erfolgreich passen kann (349 Yards), wenn sein Topreceiver Marvin Harrison nicht ganz fit ist (Handgelenksverletzung). Der Spielmacher selbst, der in seiner gesamten Karriere noch kein Spiel, ja nicht einmal wesentliche Spielzeit, verpasst hat, verletzte sich im AFC Championship Game am Daumen – aber die Entwarnung folgte bei der Röntgenuntersuchung am Montag (nichts gebrochen). Sein wertvollster Passempfänger war gegen die Patriots Tight End Dallas Clark (6 Catches für 137 Yards).
Die von Midlinebacker Brian Urlacher (Defensiv-Spieler des Jahres 2005) angeführte Bears-Defense spielte im NFC Championship Game beim erstaunlich deutlichen 49:14 gegen die New Orleans Saints so stark wie zu Saisonbeginn, erzwang vier Turnovers (davon drei Fumbles) und erinnerte endlich wieder an die legendären „Monsters of the Midway“. Eine ähnliche Performance wird Chicago bei der ersten Super Bowl seit 21 Jahren (damals 46:10 gegen New England) benötigen, um die Indy-Offense mit fünf Pro-Bowlern zu bremsen. Aufpassen müssen die Bears auf die Indy-Linemen: Center Jeff Saturday und D-Liner Dan Klecko erzielten gegen New England Touchdowns für die Colts-Offense!
Fragezeichen: Die Bears Offense mit Quarterback Rex Grossman.
Bei ihm wechseln immer Licht und Schatten – ob im Schnee von Chicago oder in der Sonne Miamis. Gegen die Saints beging er keinen entscheidenden Fehler (keine Interception), komplettierte aber nur 11 von 26 Passversuchen. Sollte Grossmans Risikobereitschaft (z.B. bei Rückstand) steigen, würde sich wohl die Rolle der Bears als Außenseiter bestätigen. Das Laufspiel wird für die in der Regular Season inferiore, in den Playoffs dank Rückkehr von Safety Bob Sanders deutlich verbesserte Run Defense der Colts sicher ein harter Prüfstein – gegen New Orleans wurden 196 Yards und drei Touchdowns erlaufen. Die Stärke der Colts-Verteidigung wird immer noch bezweifelt: sie war Sonntag nicht mehr ganz so firm wie in den ersten zwei Playoffpartien, hielt das Team aber während der Aufholjagd im Spiel.
In einem Punkt aber sollte Chicago einen (vielleicht spielentscheidenden?) Vorteil besitzen: bei den Special Teams. Indy muss Devin Hester (6 Touchdowns in der Regular Season!) besser in den Griff bekommen als Patriots-Kick Returner Ellis Hobbs, dessen 80-Yard-Return das Conference Final beinahe nochmals zugunsten der Pats gekippt hätte. An den Kickern sollte es keinesfalls scheitern: Neo-Colt Adam Vinatieri hat in den Playoffs inzwischen nicht nur der NFL-Field-Goal-Rekord pulverisiert (37 in 20 Spielen!), sondern auch die Punktebestleistung an sich gerissen. Sein Gegenüber Robbie Gould ist in seinem zweiten Jahr in die Pro Bowl gewählt worden.
Wie erwähnt ist es für den ORF die 10. Super-Bowl-Liveübertragung. Mein persönliches Ranking der bisherigen neun Finalspiele:
1. Denver-Green Bay 31:24 (1998 / Super Bowl XXXII)
„This one’s for John“ – Elway holt endlich seine erste Super Bowl. Außenseiter Denver besiegt den Titelverteidiger nach unheimlich spannendem Spielverlauf dank drei TDs von T.D. (Terrell Davis). Eine emotionale Explosion am Ende … nach zahlreichen Blowouts war unsere erste Super Bowl gleich die beste!
2. New England-Carolina 32:29 (2004 / Super Bowl XXXVIII)
Shootout statt Blowout – völlig unterwartet. Eine 2-Point-Conversion nach Direct Snap zu RB Kevin Faulk, ein Kickoff out of bounds und Adam Vinatieris Field Goal entscheiden nach punktelosem ersten Viertel und Punktelawine danach.
3. St. Louis-Tennessee 23:16 (2000 / Super Bowl XXXIV)
Vom Super-Markt-Hilfsarbeiter zum Super-Bowl-MVP: Kurt Warner wirft den entscheidenden 77-Yard-Touchdown Pass, und am Ende fehlt Tennessee ein Yard zur ersten Super-Bowl-Verlängerung.
4. New England-St. Louis 20:17 (2002 / Super Bowl XXXVI)
Eine der größten Überraschungen der NFL-Geschichte: Bill Belichicks Patriots stoppen die Rams-Offense. St. Louis holt einen 3:17-Rückstand auf, aber statt sich in die Verlängerung zu retten, führt Jungstarter Tom Brady die Offense zum ersten Super-Bowl-Winning Field Goal bei auslaufender Uhr durch Adam Vinatieri.
5. New England-Philadelphia 24:21 (2005 / Super Bowl XXXIX)
Spannend, aber fehlerhaft. Wenn Donovan McNabb neben drei Touchdowns nicht auch drei Interceptions geworfen hätte und Terrell Owens zu 100% fit gewesen wäre …
6. Pittsburgh-Seattle 21:10 (2006 / Super Bowl XL)
„Bus“ Jerome Bettis fährt mit Super-Bowl-Ring in die Garage, Pittsburgh holt Dallas und San Francisco als Super-Bowl-Rekordsieger ein. Fehlerhafte Seahawks und Refs verhindern mehr Spannung.
7. Tampa Bay-Oakland 48:21 (2003 / Super Bowl XXXVI)
Die „Gruden Bowl“ – Oakland rettet sich im Jahr 1 nach Gruden mit Jerry Rice und Tim Brown in die Super Bowl, Jon Gruden gewinnt sie im Jahr 1 nach Tony Dungy mit den Bucs. Defense wins championships – diesmal mit drei Interception Return TDs.
8. Denver-Atlanta 34:19 (1999 / Super Bowl XXXIII)
Denver mit MVP Terrell Davis und Super-Bowl-MVP Elway bei der Titelverteidigung. Nach Leider-Nein-„perfect season“ zu abgeklärt für die „Dirty Birds“ aus Atlanta. Hättiwari: Hätte sich das beste Team der Regular Season, Minnesota, nicht auf unnötige Weise von den Falcons im NFC Championship Game überraschen lassen ….
9. Baltimore-NY Giants 34:7 (2001 / Super Bowl XXXVI)
Punt Festival, im 3. Viertel unterbrochen von drei Touchdowns binnen weniger Sekunden: Interception Return Baltimore, Kickoff Return Giants, Kickoff Return Baltimore.
Bleibt zu hoffen, dass das Duell Bears gegen Colts weniger öd verläuft als die bisherigen Endspielauftritte der beiden Klubs. Anmerkung dazu: Für die Colts ist es die dritte Teilnahme (immer in Miami!), nicht die erste – aber die erste seit Super Bowl V und somit die erste seit der Übersiedlung von Baltimore nach Indianapolis).
Super Bowl III (1969): NY Jets-Baltimore Colts 16:7
Immerhin eine Sensation: der Vertreter noch selbständigen AFL besiegt den NFL-Champ – nach der legendären Garantie von Jets-QB „Broadway Joe“ Namath. Aber eine großteils unansehnliche Defensivschlacht.
Super Bowl V (1971): Baltimore Colts-Dallas Cowboys 16:13
Immerhin spannend: Jim O’Brien kickt das entscheidende Field Goal fünf Sekunden vor Schluss. Aber Miami erlebt die schwächste Super Bowl aller Zeiten mit 11 Turnovers! Sogar der einzige Touchdown Pass des legendären Johnny Unitas wurde zweimal abgefälscht…
Super Bowl XX (1986): Chicago Bears-New England Patriots 46:10
Immerhin hinterlässt die von QB Jim McMahon angeführte Bears-Combo der Nachwelt den „Super Bowl Shuffle“. Aber New England ist schlichtweg zu schwach, erläuft gegen die von Mike Ditka gecoachten Bears und die beste Defense der Liga ganze 7 Yards. In Erinnerung bleibt, dass sich „Refrigerator“ William Perry in einer Goalline-Situation in die Endzone wuchten durfte und nicht die inzwischen leider verstorbene Allzeitgröße Walter Payton.
Miami ist zum neunten Mal Schauplatz des weltgrößten Einzelsportevents 2007 – und egalisiert damit den Rekord von New Orleans. Für nichtsportliche Unterhaltung wird wie immer gesorgt: der sechsfache Grammy-Award-Gewinner Billy Joel singt (übrigens zum zweiten Mal!) die Hymne, in der Pre Game Show tritt der Cirque du Soleil auf, und zur Halbzeit gibt Prince einiges zum besten. In den Werbepausen zeigt der ORF wieder die besten Commercials der letzten Super Bowl.
NFL Live im ORF-Sport
Sendezeiten (OSP = ORF Sport Plus)
SO 04.02.2007 Super Bowl XLI (Miami)
ORF1: 23.55-04.00 (Wh OSP MO 05.02.07, 20.15-22.45)
ORF-Kommentatoren: Christopher Ryan & Michael Eschlböck
NFL Blast (ORF1)
FR 26.01.2007 02.25-03.00
FR 02.02.2007 02.25-03.15 / 50-Minuten-Super-Bowl-Ausgabe