Warum die Swarco Raiders Tirol dies aber gegen die Dodge Vikings nicht taten und noch dazu ganz gewaltig unter die Räder kamen erklärt ihnen ihr Schaffner Martin Pfanner.

‚Zug fährt ab‘ gefolgt von einem durch Mark und Bein dringenden Signalton. Fahrgäste der Wiener Linien fühlen sich hier angesprochen, diejenigen die sich am Sonntag zudem noch auf der Hohen Warte eingefunden hatten, noch viel mehr. Die beiden Expresszüge aus Innsbruck und Wien trafen sich nämlich in Wien XIX, um eine Fahrkarte Richtung Austrian Bowl auszuknobeln, nur einer fuhr schlussendlich ab. Wenngleich die Ausgangslage relativ simpel war (ein Sieg der Wiener bedeutete die Austrian Bowl-Teilnahme für Graz, ein Erfolg der Innsbrucker selbiges für sie), verlief das Spiel äußerst einseitig. Der Innsbrucker Express sollte nie aus den Startlöchern kommen und ähnlich wie unsere gelobten Bundesbahnen zu gemütlich vor sich hin dümpeln um die Wikinger zu irgendeinem Zeitpunkt gefährden zu können.

Das Spiel
Wenn das erste Play from Scrimmage überhaupt als gutes oder schlechtes Omen gewertet werden kann, dann in dieser Begegnung. Die Tiroler befanden sich offensichtlich noch im kollektiven Tiefschlaf (diverse Quellen sprachen von einer langen Samstagnacht auf einem Traiskirchner Dorffest), als Luke Atwood seinen Running Back Clinton Graham mit einem Pass wunderbar in Szene setzen konnte und letzterer dann gleich die Endzone besuchte. Ein 65-Yard Paukenschlag, der allerdings noch immer nicht jeden Spieler in schwarz und weiß zu wecken vermochte. Anders kann die ‚Antwort‘ der Raiders in Form eines 3&out nicht gewertet werden. Gutes Omen Vikings, schlechtes Omen für die Raiders.

Zu allem Überfluss bekam Marko Glavic, QB und Punter in Personalunion, noch einen viel zu niedriger Long Snap serviert, woraufhin die Special Teamer der Vikings genug Zeit hatten um durchzubrechen und den Punt zu blocken (Block Mike Latek). Bei dieser Vorarbeit wollte sich die Offensive natürlich nicht lumpen lassen, schritt zur Tat und Atwood vollendete gleich im nächsten Spielzug aus sieben Yards Entfernung zum frühen 14:0.

"Das geht ja einfach"
Zwei Spielzüge und ebenso viele Scores drücken die gnadenlose violette Effizienz nur bedingt aus. Die Hausherren dominierten den Gegner in dieser Phase des Spiels nach Belieben. So auch die nächste Angriffsserie der Innsbrucker. Ein weiteres 3&out wurde postwendend in die nächsten Punkte umgemünzt. Von der eigenen 22 arbeiteten sich die Vikings über die Achse Atwood und Graham in Windeseile in Richtung Endzone, abermals schloss die Nummer 1 sicher ab, diesmal aus vier Yards Entfernung. Auch die Partizipanten am inoffiziellen Vikings Family Day mussten sich da wohl verwundert die Augen reiben. Papa Pötzelberger (zum ersten Mal im Stadion), Mama Atwood und die vierköpfige Familie Rosier mussten ob der Wiener Überlegenheit sicherlich den ein oder anderen ‚Das geht ja einfach‚ Gedanken gesponnen haben. Immerhin handelte sich bei den Gästen ja gewissermaßen um die Angstgegner der Wikinger, wovon nicht zuletzt die zwei Spiele währende Siegesserie zeugte (43:19 in der Austrian Bowl XXII, 24:14 im Hinspiel).

Tiroler Lazarett
Dass die Serie an diesem Nachmittag beendet wurde lag einerseits an der perfekten Exekution von Shawn Olsons Team, andererseits aber auch an den zahlreichen Spielern, die die Tiroler vorgeben mussten. Das Fehlen von LB James Ellingson (Oberschenkelverletzung), TE Stefan Michalski (Radius-Fraktur), DL Hanspeter Hueter (berufliche Gründe) sowie dessen Backup Markus Hechenberger (Matura) und das frühe Ausscheiden von DB Thomas Eitzenberger (Wirbelverletzung, von hier aus wie immer alles Gute) machte sich angesichts der eklatanten defensiven Defizite schmerzlich bemerkbar.

Die Offensive hatte dem violetten Offensivfeuerwerk gegen Ende des ersten Viertels aber endlich etwas entgegenzusetzen. Glavic fand im folgenden Drive Florian Grein, der den Ball 39 Yards weit tragen konnte, bevor er schließlich von Josiah Cravalho zum TD saving Tackle ins Seitenaus befördert werden konnte. In Anbetracht dieser Szene konnte man sich jedoch des Gefühls nicht entledigen, dass ein 100% fitter Flo Grein den Ball bis in die Endzone getragen hätte. Die zahlreichen Verletzungen der Vergangenheit heilen eben nicht innerhalb einer Saison. Auch beim anschließenden 1&goal ereignete sich Ähnliches. Pitch zu Grein, der zwischen sich und dem gelobten Land nur Luft vorfand. Statt eines TDs wird der Star-RB aber von einem quer übers Feld sprintenden Roman Floredo gestoppt. Dass es dann aber doch klappte war einer Nachlässigkeit der Vikings Defensive zu verdanken. Diese spekulierte auf ein Laufspiel, stattdessen gab es einen Screen Pass auf Grein, der auf 6:21 verkürzen konnte (Extrapunkt Schnellrieder geblockt).

Hoffnungen und Makel
Einen weiteren Hoffnungsschimmer am violett-gelb eingefärbten Horizont bot da auch Luke Atwoods Interception im nächsten Drive (Damiano Grasso). ORF-Kameramann Alban Egger wog sich schon in der Sicherheit ‚das größte Comeback in der Geschichte der Hohen Warte‘ erleben zu dürfen. Dass daraus aber nichts wurde zeichnete sich aber schon während der kommenden Spielzüge ab. Zu harmlose Tiroler, viel zu abgebrühte Wiener. In Konsequenz bedeutete dies Anfang des zweiten Spielabschnitts das 28:7 für die Wikinger. Chris Rosier düpierte seine alten Weggefährten aus 29 Yards nach dankbarer Vorlage von Atwood.

Makel an der Wiener Leistung waren, wenn überhaupt, nur marginal auszumachen. Einer wäre allerdings die Anfälligkeit sich dumme Strafen aufzuladen und dem Gegner somit ausgezeichnete Feldposition zu bescheren. Jakob Dieplinger hatte seine Mannschaft mit einem 41 Yard Kickoff Return über die Mittellinie gebracht, eine Face Mask- sowie eine Roughing the Passer-Strafe brachten noch einmal 30 Yards ein. Dieplinger war es dann auch, der nach Pass von Glavic auf 12:28 stellte (2PC no good). Danach gab es für den (noch) regierenden Austrian Bowl Champion aber nichts mehr zu holen. Graham und Atwood zeigten durch ihre TDs vor der Halbzeit noch einmal klar auf, wie die Kräfte an diesem Tag verteilt waren. Das Halbzeitergebnis von 42:12 wusste in Graz gewiss zu begeistern, zumal niemand mehr ernsthaft an ein Comeback der Innsbrucker glauben wollte. So gut es dem Spiel auch getan hätte.

Die Katze
Denn sportlich war die zweite Hälfte quasi für die Katz. Die Wikinger taten nurmehr das nötigste, die dezimierten Raiders konnten nicht mehr. In Anbetracht der brütenden Hitze wenig verwunderlich. Zwei TDs sollten den Innsbruckern noch auf die Heimreise mitgegeben werden. Der an diesem Tag alles überragende Clinton Graham (155 Total Yards, 4 TDs) aus elf Yards und Luke Atwood aus vier Yards (nach Pass von Philipp Jobstmann) besiegelten bereits Mitte des dritten Viertels den Endstand von 56:12. Der Stimmung unter den geschätzten 3500 Zuschauern tat dies natürlich keinen Abbruch. Schnulze um Schnulze wurde die Menge angeheizt, dabei wurde beinahe darauf vergessen, dass sich nebenbei überhaupt noch eine Footballpartie abspielte. Retrospektiv betrachtet blieb den Gästen dann auch rein gar nichts erspart. Nachdem es acht Mal ‚Nellie the elefant‘ durchzustehen galt, wurde drei Sekunden vor Schluss noch ein Timeout genommen, was die Hausherren prompt dazu nutzten etwas verspätet noch zum "Vikings Dance" zu bitten. Fast überflüssig anzuführen, dass der darauf folgende Spielzug nichts mehr einbrachte.

Rückblick …
Der Zug ist für die Raiders endgültig abgefahren, die Saison somit vorbei. Nachdem die Fans in den letzen Jahren mit Titeln und EFL-Teilnahmen verwöhnt wurden, gibt’s dieses Jahr gar nichts von alledem. Im Endeffekt hat das Team tollen Football geboten, in den entscheidenden Momenten (zweimal Graz, einmal Marburg) aber bittere Pleiten einstecken müssen. Nicht dieses Spiel in Wien trägt die Schuld am, für die eigenen Ansprüche, enttäuschenden Abschneiden. Die beiden verjuxten Partien gegen die Grazer wiegen da schon wesentlich schwerer. Nun gilt es für die kommende Saison zu planen, das durchaus erfolgreiche Projekt ‚Touchdowns made in Austria‚ voranzutreiben und mit dem EFAF-Cup Vorlieb zu nehmen. Immerhin, ist man versucht zu sagen, kommen ihnen da weder Wikinger noch Giganten in die Quere.

… und Ausblick
Der Vikings-Express rollt, wenn er denn will. Dass es auch anders geht wissen gut informierte Zuschauer nicht zuletzt vom ersten Aufeinandertreffen mit den Innsbruckern oder dem knappen Sieg in Graz. Ein fehlerlos aufspielendes Team stellt eine schier unüberwindbare Herausforderung für jedes AFL-Team dar. Schleichen sich dagegen Fehler in die violette Angriffsmaschinerie ein, sieht die Sachlage wieder vollkommen anders aus. Im Finale der heimischen Liga warten nun also die Grazer, die sich ob der diesjährigen Schützenhilfe angesichts der Ereignisse vom letzten Jahr sicherlich ein wenig versöhnlicher zeigen werden. In dieser Form sind die Vikings klarer Favorit. Dass ein Finale aber durchaus seine eigenen Gesetze hat sei an dieser Stelle schon einmal erwähnt. Allzu euphorischen Anhängern der Wikinger sei ein Blick in die Geschichtsbücher angeraten. Die Lektüre der Endspiele der Jahre 2004 und 2006 wäre hierbei besonders zu empfehlen. (mp)

AFL
Dodge Vikings vs. Swarco Raiders Tirol 56:12
(21:6/21:6/14:0/0:0)
17. Juni 07 | 15:00
Stadion Hohe Warte, Wien
Officials: Müller / Berger / Bremser K. / Savicevic / Windsteig / Hofbauer

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