Eldon Cunningham ist nachweislich ein besserer Coach als B.B. King und legt seine Gitarrensoli diffiziler an als Bill Cowher. Es geht eben auch umgekehrt.
Unschlagbar ist er allerdings als Homöopath, der seine Präparate in jährlichen Dosen und im Laufe einer „Coaches Clinic“ von wesentlich bekannteren Kollegen verabreichen läßt. Diese Ausgabe findet auch heuer wieder statt. Allerdings in München. Zu Risken oder Nebenwirkungen fragen Sie ihren Präsidenten oder Nachwuchstrainer. Ein Kommentar von Walter H. Reiterer.
Kaum ist er weg ist er auch schon dort. Trällert seinem neuen Team (wie schon dem alten zuvor) ein Liedchen, würgt dabei seine halbakustische, sexseitige „Lucille II“ und schon sind wir (wieder) ganz Paradiesvogel. Den Münchnern legt es zur Zeit die Ohren an, wenn Cunningham redet oder besser gesagt: intoniert. Denn der Ton macht bekanntlich die Musik und derart umgarnt von lieblichen Melodien ist das Abnicken ein lockeres. Yes Sir, we can boogie!
Cunningham ging oder wurde gegangen in St. Pölten bei „seinen“ Invaders. Das Thema ist soweit durch und interessiert weder ihn und scheinbar nur mehr im Detail seinen ehemaligen Verein. Also interessiert es faktisch eh keinen mehr. Lassen wir ihn also in Frieden ruhen? Kaum ins Münchner Exil verfrachtet meldet er sich aber wieder zu Wort. Die Coaches Clinic, eine gar nicht so uninteressante Veranstaltung des Vorjahres in St. Pölten findet seine Fortsetzung. Natürlich nicht mehr in St. Pölten, sondern dort wo er nun seine neue Heimat gefunden hat – in München. Jetzt wird also Bayern kuriert.
Völlig unabhängig davon was man vom Texaner persönlich hält, war sein Event im Vorjahr inhaltlich ein definitives Highlight für Trainer und Football Interessierte. Die Hall of Fame aller Ligen zu Gast im niederösterreichischen Seehotel. Jack Pardee (NFL), Bill Yeoman (NCAA) und Pat Donohoe (Nebraska) zogen als Magneten die Creme der heimischen Trainerszene an. Von Tirol bis Wien und von Bergamo bis Stockholm wanderten sie in die Landeshauptstadt. Den Vorschußlorbeeren folgte eine noch positivere Manöverkritik. Tolles Ding, so die einhellige Meinung danach. Ganz entzückt waren damals auch noch die Invaders, denen der Spaß zwar einiges gekostet hat, aber Lustigkeit läßt sich bekannter Weise nur schwer in Zahlen fassen.
Günter Zanker, der zu jener Zeit noch nicht bei den Invaders präsidierte, sagt heute dazu: „Das war in Ordnung. Wenn uns die gute Nachrede etwas Geld kostet, muß man abschätzen wie viel Euro für wie viel (auch medialen) Effekt steht. Das war soweit eine gute Geschichte für alle.“ Schön gesprochen, denn so oft kommt es nicht vor, daß sich Coaches der Vikings und Raiders für eine Veranstaltung der Invaders anmelden. Doch Zanker merkt an: „Heuer wäre das bei uns sicher nicht mehr gegangen. Der Business Plan war löchrig und die Finanzierung stand auf waghalsigen Beinen.“
Wie auch immer, nahm Cunningham es im Vorjahr mit Genugtuung zur Kenntnis die Welt zu Gast bei Freunden zu haben, sah sich selbst aber nur als Mentor, oder präziser gesagt als Initiator dieser Geschichte. Das Oberlehrerimage streifte er schnell wieder ab. „Ich wollte nur zeigen was möglich ist. Wenn es den Trainern hier gefallen hat, sie etwas Positives mitnehmen konnten, na dann bin ich auch froh. Genau das wollte ich.“
Es gab allerdings auch Kritik an dieser Veranstaltung. Schreiberlinge verbinden diese gerne mit dem Verbum „hageln“. Weil es Kritik eben nicht nur geben soll, oder geäußert, angemerkt, angebracht und vorgetragen werden darf, sondern vorzugsweise im gehagelten, so be- und geschriebenen linguistischen Aggregatzustand vorgefunden werden muß. Ist Pflicht, alles andere gilt nicht oder wäre zumindest eine glatte Untertreibung! Ein Feueropfer an Phonetik der journalistischen Outrierung. Es hagelte also Kritik. Und wie sah diese aus?
Es war im Februar des Jahres 2005 als in mir auch erste leise Zweifel an den Motiven jener aufkam. Angesichts so mancher Wortmeldung, auch durchaus bekannter Zeitgenossen, die tiefere Tümpel elegant umgehen, wurde einem beim Zuhören schon leicht unwohl. Gegipfelt hat diese meteorologische Kleinkatastrophe in der rhetorischen Frage „Dort wird aber eh nichts Unbrauchbares gelernt?“
Was die Besucher am Ende daraus gelernt haben, lag jeweils an ihnen. Gelehrt wurde jedenfalls von Menschen denen die Frage ob sie denn nicht einer gewissen Unbrauchbarkeit zeitlebens ausgesetzt gewesen wären in ihrer Heimat weitgehend erspart geblieben ist. Sie mußten schon nach Österreich reisen um sich derart von „Profis“ durchleuchten zu lassen, denn gleichzeitig hat man in hierzulande ja seine eigenen Kliniken, wo nachweislich, weil von Amtswegen geprüft, ausschließlich Brauchbares gelehrt wird. Diese Einstellung ist dumm, provinziell und kleingeistig. Sie ist aber leider nicht für jeden Funktionär in dem Land atypisch. Es gibt weit mehr als genug solche „Bauchmenschen“ denen ihr schlechtes Gefühl einflüstert was ihnen der Verstand alles vorenthält. Es ist zumindest nicht bar jeder Logik, wenn Leute, deren Kernkompetenz darin besteht Dinge zu verhindern, gerade dann aktiv werden wenn die Welt um sie in Bewegung gerät. „Legitimieren Sie sich ihnen! Was haben Sie denn schon geleistet?“ Angst ist ein Wort welches ins Englische übernommen wurde. So wie Dirndl und Neandertaler. Wem wir es wohl zu verdanken haben, daß auch der Zeitgeist und der Bildungsroman dort Einzug gefunden haben?
Es besteht für mich kein Zweifel daran, daß der Österreicher (und die Österreicherin) an sich ein schier unheimliches Talent dafür entwickelt hat aus grundsätzlich positiven Entwicklungen in Bestzeit etwas „ur“ Negatives zu machen. Dieser Kurs heißt „Teaching how to turn good things down by talking bullshit“ und sollte in jedem Programm einer gestandenen VHS schon demnächst angeboten werden. Der Erfolg ist garantiert, weil solche Techniken sich immer noch verfeinern lassen. Cunningham ist das damals schon aufgefallen. In seinem unmittelbaren Umfeld wurde er damit verschont, aber er fragte mich zu jener Zeit zu solchen Stimmen „Kannst du mir bitte erklären worüber diese Menschen mit mir sprechen wollen?“ Die Antwort war zwar simpel, kam aber nie bei ihm an. „Sie wollen nicht mit dir reden, sondern über dich.“ Bis heute ist dem Texaner nicht klar ob es sich bei dabei um ein Kompliment oder eine Drohung handelt. Er wird uns nie verstehen.
Wenn ich ihnen jetzt noch einiges über den Menschen EC erzählen darf, dann werden sie mir schnell auf die Schliche kommen, daß ich den Mann mag. Das ist nichts persönliches, wobei ich ihn auch sympathisch finde, sondern es ist die pure journalistische Vernunft, die mir sagt, daß in jede gute Suppe eine Brise Eldon gehört. Er war verantwortlich für die allerbesten Geschichten, hatte zudem Erfolg und stand nie mit beiden Beinen in der Gegenwart, sondern mit einem stets im nächsten Monat. Was dahinter passierte war oft fatal für diejenigen welche nachjustieren mußten, aber ich bin zum Glück ja kein Vereinspräsident, sondern der Schreiberling „am Puls der Zeit“, also dort wo sprichwörtlich die Musik spielt und niemals da wo Aufräumarbeiten stattfinden. Ich kann Günter Zanker sehr gut verstehen, wenn er heute die Stirnfalten runzelt. Er versteht mich, wenn ich sage, daß es schon „cool“ war. Wenn er (der Zanker) in sich hört, dann sieht er das gewiß auch so.
Auf der Fahrt von Flughafen zum Quartier in Houston, gab es ein Cunningham Ansprache an alle im Bus. „Welcome to Houston“. Danach nahm er neben mir Platz, legte seinen Arm um meine Schulter (!!), zeigte mit den Finger auf die vorbeihuschende Landschaft vorm Fenster und flüsterte mir ins Ohr (!!!): „Das ist der Platz wo ich geboren wurde, die Gegend wo ich aufwuchs, die Stadt wo ich meine erste Liebe traf und der Boden wo ich eines Tages begraben sein werde. Ist es nicht herrlich?“ „Es ist furchtbar öd und scheinbar eine endlose Autobahn mit Fast Food Burgen!“ war meine Antwort darauf. „Was ich dir eben gerade gesagt habe. Es ist einfach herrlich!“
Was machen Sie in so einem Fall? Ich hatte ja schon zuvor etliche „Cunningham Erlebnisse“ solcher Art, aber diese hat mich sprachlos gemacht. Ich hab beschlossen, daß der mein Freund sein muß, dem ich sage daß seine Heimatstadt, die er über alles liebt, ein langweiliges Metropolendasein inmitten einer Fettfresserwüste fristet und mich trotzdem nicht aus dem fahrenden Bus wirft.
Den Abend des Barbecues in der Baptisten Kirche von Conroe wollte ich schwänzen und lieber im benachbarten Hooters ein wenig Football und in Eulenaugen schauen. Er sagte das ginge nicht, weil er extra für mich Stevie Wonder zum Bankett bestellt habe. Sehr witzig. Cunningham ließ nicht davon ab und sagte er schwöre beim Augenlicht seiner beiden Hunde, daß er die Wahrheit spricht. So fuhr ich mit. Von Stevie Wonder war dort natürlich weit und breit nichts zu sehen und als ich ihn fragte wo der „sunshine of my life“ nun bliebe, entgegnete er: „Oh, das habe ich ganz vergessen.“, drehte sich zur Seite, rief „Steven, kannst du kurz mal herkommen! Darf ich vorstellen: Walter Fish – Steven Wonder.“ (Cunningham glaubt übrigens mein Name wäre Walter Fish. Ich lasse ihn in dem Glauben.) Jedenfalls hieß der Mann Stevie Wonder, war weder blind und so weiß wie die Wand der Kirche. Seien Sie also stets vorsichtig wenn sie sagen Cunningham lügt. Es gibt sehr viele Emmitt Smiths auf dieser Welt. Wobei diese Geschichte eine urbane Legende ist, deren Urvater Urväter sind. Es ist wie mit der Spinne in der Yucca Palme. Kennen Sie jemanden der ihnen unter Eid bestätigen würde, daß Eldon Cunningham ihm gesagt hätte Emmitt Smith kommt zur Coaches Clinic? Nein? Aber sicher kennen Sie jemanden der jemanden kennt dem er das gesagt hat? Alles klar!? Das stimmt insofern nicht ganz, als Cunningham schon durchblicken ließ mit dem Gedanken zu spielen Smith zu dieser einzuladen. Definitiv gesagt hat er es (mir zumindest) nie. Bewußt wurde es mir aber erst zu dem Zeitpunkt, als er mich fragte wann er mir das gesagt hätte? Magic Eldon – auch damit spielt der Herr seine Spielchen. Suggestion.
Zuletzt darauf hineingefallen sind die Dragons, bei denen nach der traurigen Vorstellung im Vorjahr die „neue Lustigkeit“ auf ihrer Webseite Einzug gehalten hat. Jetzt wird weggelacht. Die Vermutung liegt nahe, daß wir sie mit unserer Machart zu diesem „aus dem Fenster lehnen“ auch noch inspiriert haben. Also jetzt brauchen wir auch mal eine Portion Ironie! Wir sind nicht mehr FC Überraschung, sondern Kabarett e.V. Man kann sich eigentlich gar nicht mehr an jene Zeiten zurückerinnern, wo dort sogar öffentliches Schmunzeln strengstens verboten war. So weit aus dem Rahmen gepellt wird das während der Saison sicher noch viel „witziger“.
Aber zurück zu Cunningham und seinen Wurzeln. Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) verlor ein Soldat der Südstaaten sein linkes Bein und einer der Nordstaaten seinen rechtes Bein. Also ganz sicher verloren dort sehr viele Menschen verschiedenste ihrer Gliedmaßen, aber es geht nun mal um die zwei hier. Tragisch genug. Sie trafen sich zufällig in einem Schuhgeschäft in Corpus Christi (TX) und erkannten, daß sie eine Einkaufsgemeinschaft bilden sollten. So verabredeten die beiden sich ein Mal im Jahr um genau dort ein Paar Schuhe zu kaufen. Der eine hatte einen Sohn, der andere eine Tochter. Als die Kinder älter wurden fuhren sie mit den Vätern mit zum Schuhkauf. Die beiden Teenager lernten sich kennen und lieben. Ende des 19. Jahrhunderts traten die Großeltern von Eldon Cunningham vor den Traualtar. Lassen Sie das mal wirken.
Diese Geschichte erzählt er vorzüglich vor einem Lagerfeuer, aber die schummrige Beleuchtung der Lobby eines Houstoner Hotels tut es auch. Dabei sitzt er wie Opa Petz vor seinem Enkel, in seinen Händen das Buch mit dem schaurigsten Gruselgeschichten, seine Nickelbrille liegt allwissend am Nasenrücken und über deren Rand spähen kleine funkelnde Augen, die wissen wollen ob die Geschichte seine Wirkung auch nicht verfehlt hat. Wir sitzen gespannt und fragen uns: Ja ist es denn wahr?! Einer weint sogar. Armin Schneider ist nah am Wasser gebaut und heult sofort los wenn er so etwas „Liebes“ hört. Na Schmäh, er hatte nur Tränen in den Augen, aber das hat ihn nicht daran gehindert „den Coach“ immer wieder zu persiflieren. Falls Sie jemals einen Alleinunterhalter für einen lustigen Football Abend brauchen, nehmen Sie den Armin Schneider. Der liefert ihnen Parodien auf Eldon Cunnigham und Tino von Eckardt, wo sie flach liegen vor Lachen. Und die sind deshalb so „böse“, weil man merkt, daß Schneider als Künstler diese Menschen mag.
Wenn Sie noch mehr und wesentlich Footballspezifischere Geschichten hören wollen, dann können Sie das demnächst in München tun. Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn Sie nicht schon heute bereits alles besser wissen, denn dort sprechen lediglich ehemalige Coaches der Washington Redskins, New Orleans Saints, Houston Oilers und Teneesee Titans zu ihnen und die haben allesamt keine staatliche Lehrwartausbildung vorzuweisen. Aber sie sind noch jung und haben daher die Chance das in Zukunft nachzuholen.
Eldon Cunningham und die Munich Cowboys präsentieren:
„American Football Hall of Fame Coach’s Clinic”
mit Jack Pardee, Bum Phillips und Gene Stallings
10.-12. März 2006, Holiday Inn Hotel, München.
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