Eine Aktion spaltet die (Football) Nation. Ist der Wechsel der Bulls Leistungsträger richtig oder falsch? Gut oder schlecht (für den Football – mit Zusatz – in Österreich)? Und für wen hat er Vor- bzw. Nachteile? Lesen Sie mehr dazu im Kommentar von Walter H. Reiterer.

Thomas Simmeit erläutert und erklärt die Situation aus seiner Sicht. Jene von Bulls Präsidenten Alexander Narobe ist bekannt; Er steht bußfertig da und findet es ebenso schrecklich wie verständlich. Die Wildcats sehen die Sache, wenig überraschend, realistisch und nüchtern. Ihnen fielen 4 Top Spieler fast gratis in die Hände. Nicht die ersten ‚Beute Ösis‘ die in Deutschland ihrem Handwerk nachgehen.
Football-Austria.com: Was sind die mittelfristigen sportlichen Pläne der Wildcats?
Thomas Simmeit: Unsere Planungen gehen definitiv in Richtung GFL. Wir haben nach dem Umzug von Simbach nach Kirchdorf und dem damit verbundenem Bau einer überdachten Tribüne die letzten drei Jahre finanziell etwas kürzer treten müssen. In dieser Zeit haben wir sehr viele Nachwuchsspieler in den Kader integriert und weiter entwickelt, jetzt wollen wir mit einem gereiften Kader wieder an die Spitze der 2. Bundesliga Süd wo wir bereits 2003 waren. Wir stehen finanziell auf einem gesunden Fundament und haben eine sehr gute Jugendarbeit, die jedes Jahr gut gecoachte Spieler in die Seniorenmannschaft bringt. In dieser Saison stellen die Wildcats Juniors mit 14 Spielern über ein Viertel der Spieler in der Bayernauswahl.

FA: Welche Rolle werden die österreichischen Spieler aller Voraussicht nach in der Mannschaft spielen und wie schätzt man deren Spielstärke ein?
TS: Unsere Neuzugänge aus Salzburg werden mit Sicherheit eine tragende Rolle spielen. Die Jungs waren ja schon öfters bei uns im Training und konnten uns Coaches wirklich beeindrucken. Andi und Lukas werden uns in der Offense wesentlich stärker machen, Johannes und Toby geben uns in der Defense zusätzlichen Speed, der eine schon länger geplante Systemumstellung ermöglicht. Alle Vier sind vollkommen footballverrückt, interessiert und sehr gut zu coachen, sie arbeiten hart an sich, Andi und Hans zeigen nach bereits kurzer Zeit schon absolute Leaderqualitäten. Über die Spielstärke braucht man glaube ich nicht reden, man kennt die Jungs ja und österreichischer Nationalspieler wird man ja auch nicht einfach nur so.
Unser Team besteht sowieso zu einem Viertel aus Österreichern, darunter auch zwei Jungs die den Cut der Nationalmannschaft geschafft haben (WR Sammy Farghali, RB Mario Nerad) und ehemalige Juniorenauswahlspieler (LB Paul Wiesbauer, WR Michael Pfeffer).

FA: Gelten Spieler aus Österreich in Deutschland als Legionäre?
TS: Österreicher gelten bei uns als Legionäre und müssen die ersten 5 Jahre ein ‚E‘ tragen, es spielt dabei keine Rolle ob der Spieler in der Jugend oder bei den Senioren spielt. Nach 5 Jahren gilt ein Österreicher als ‚Footballdeutscher‘. Amerikaner müssen ein ‚A‘ tragen, auf dem Feld sind folgende Kombinationen erlaubt: 3 E, 2 E 1 A, 1 E 2 A.
FA: Welche (finanziellen) Leistungen werden den Spielern seitens des Vereins geboten?
TS: Football ist in Kirchdorf wie in Salzburg kein Profisport, wir helfen generell unseren auswärtigen Spielern mit einer Anreise von mehr als 35 km durch Benzingeldzuschuß. Nach Möglichkeit sollen Spieler mit einer weiten Anreise bei uns mit möglichst wenig eigenem finanziellen Aufwand spielen können, das bieten wir in dieser Richtung. Auf sportlicher Seite bieten wir eine gut ausgebildete Coaching Staff und wie vorher schon erwähnt ernsthaft Aufstiegsambitionen. Ich glaube der wichtigste Grund warum die Jungs zu uns wechseln ist neben der neuen Herausforderung einer anderen Liga einfach die sportliche Perspektive mit einem ’shot‘ auf die GFL.

FA: Wie kam der Kontakt zu den Spielern zu Stande?
TS: Die Spieler haben sich bereits letzte Saison schon Spiele angeschaut und haben uns nach dem diesjährigen Heimspiel gegen die Plattling Black Hawks nach den Trainingszeiten gefragt um sich eventuell eine Einheit anzusehen. Der anfänglich lockere Kontakt wurde gehalten und intensiviert, nach ein paar gemeinsamen Trainings wurden die ersten ernsthaften Gespräche geführt. Beiden Seiten war dabei sehr wichtig daß erst die Saison der Bulls anständig zu Ende gespielt werden sollte. Danach ging alles seinen Weg und jetzt sind wir stolz und froh diese Spieler in unserem Team zu haben.

FA: Gab es im Vorfeld Kontakt zwischen den Vereinsverantwortlichen der Bulls und Wildcats bezüglich der Wechsel?
TS: Es gab weder im Vorfeld noch jetzt Kontakt zwischen uns und der Führung der Bulls, jedoch bedanke ich mich auch auf diesem Weg für das sportlich faire Verhalten von Herrn Narobe, der den Spielern ohne zu zögern die Freigabe zusicherte und ihnen keine Steine in den Weg legte.

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Kommentar: Pro und Contra – um bei dir zu sein?
Alexander Narobe wird es vermutlich noch schlechter gehen als es das schon tut, jedesmal wenn er den aktuellen Werbejingle eines Mobiltelefonnetzbetreibers hört, der uns derzeit medial böse terrorisiert. Frau Stürmer intoniert sich die Seele vom Leib um bei uns zu sein. Schade um den Song, der ohne dieser 3-er Vergewaltigung sein Potential als deutschsprachiger Weltschlager wesentlich schöner entfalten hätte können. Mit der Ablutschung wird es schwer, aber das ist Musik und wir wollen uns mit American Football befassen.

Vielleicht war es mein Fehler, doch du kannst nicht einfach gehn‘. (C. Stürmer)
Klar können sie. Die gestandenen und auch stolzen Bulls Spieler Andreas Diwald, Lukas Miribung, Hansen Geser und Tobias Khilian verlassen die Salzburger und begeben sich ins nicht unweit (~60 km ) entfernte Kirchdorf um dort in der 2. Bundesliga in Deutschland für die Wildcats zu spielen. Das ist oberflächlich betrachtet gut für sie und schlecht für die Bulls, die den Spielern, auch nach Aussage ihres Präsidenten, keine Perspektiven mehr bieten konnten. Narobe ist enttäuscht aber Realist. Ihm die Fehler der Vergangenheit vorzuhalten (schlechte Nachwuchsarbeit, dezentes Marketing, Innovationsallergie etc.) ist wie Eulen nach Athen tragen. Narobe weiß das, alleine konnte er es nicht verhindern. Man hat es probiert, bei der Probe blieb es. Es gibt keine AFL Premiere bei den Salzburger Festspielen – der Verein muß daher zurück zum Start. Vermutlich ohne Narobe. Diesen Dienst wird er seinem Verein noch erweisen. Ein großer Mann in dem Sinn, vielleicht bleibt er aber dann doch noch der Sache verfügbar. Angeblich ist der Mensch ja lernfähig und Narobe alles andere als dumm. Ja, man hat sie belogen und ja, man hat sie getäuscht mit dem Mittel zum Zweck; man würde 2007 in der AFL spielen. Eine Notlüge, denn vermutlich hätten genau diese Spieler bereits im Vorjahr die Fronten gewechselt. Nicht weit von der Wirklichkeit entfernt, hatte die Realität dann aber doch ‚wieder Division I‘ als Losung ausgegeben. Es geht nicht anders. Das Geld fehlt. Die AFL ist mittlerweile ein (selbst)mörderisches Projekt was den finanziellen Aufwand betrifft. Noch einmal alle besiegen, noch einmal in die Silverbowl. Miribung und Diwald sind Mid-20er – es gilt keine Zeit zu verlieren. Und wer soll das bezahlen? Insofern der Wechsel der Spieler verständlich, gerecht und auch vernünftig erscheint. Die Wildcats wollen in die GFL. Ehrlicher Weise muß man aber genau hier anfügen, daß sie derzeit in der 2. BL Süd nur eine Statistenrolle einnehmen. Vierter Platz in der Bundesliga Süd. Doch recht weit entfernt vom Ziel GFL. Wo wir auch beim Contra sind.

Laß mich nicht so stehen – denn alles was ich kann, was mir möglich war, hab ich immer nur gemacht um bei dir zu sein. (C. Stürmer)
Die Wildcats können den flüchtigen Bulls Spielern ganz sicher eine vernünftigere Perspektive was das Coaching betrifft bieten. Was die Zukunft des Vereins betrifft, dürften die Kirchdorfer sportlich aber nicht viel besser dastehen als die Bulls. Die höchste Liga als Ziel ist für die Bayern ca. so realistisch wie für die Salzburger die AFL. Wenn überhaupt. In der Gruppe Süd ist man hinter Weinheim, Plattling und Wiesbaden Nummer 4, der Norden ist mit Kiel, Hamburg (Eagles) und Langenfeld auch nicht gerade schwach besetzt. Keinesfalls dürfen sich die Ösi-Neuzugänge erwarten, daß die GFL eine ausgemachte Sache sei. Sicher wurde das als Ziel ausgegeben – nur davon ist man im Moment noch ein Lichtjährchen entfernt. Ein frommer Wunsch daß sich das ändern wird nur weil ein Andi Diwald (übrigens statt Ex-Dragons Brian Caler?) die Bälle verteilen und ein Lukas Miribung sie tragen wird. Gut möglich und gar nicht unwahrscheinlich, daß die Wildcats, ähnlich wie die Bulls, auch samt den österreichischen Legionären ihrerseits (und zwar sportlich) an der Mauer des Anspruchs zerschellen werden. Was machen die Spieler dann? Abbitte leisten? Zurück kehren? Es ist am Ende schon enttäuschend, daß sich die Herren keinen ‚besseren‘ Verein gefunden haben. Nur weil er ums Eck ist? Kirchdorf wird, so unsere Prognose, sehr lange keinen Fuß auf GFL Boden setzen. Der gute finanzielle Background in aller Ehren – nur woher leitet sich dieser Anspruch sportlich ab?

Noch ein Punkt
Devils Präsident Christoph Piringer zeigte sich recht unentspannt was das (österreichische) Gentleman Agreement bezüglich Abwerbung heimischer Spieler angeht. Hintergrund: Den Blue Devils wurden, anderthalb Jahre vor dieser Sache, Spieler nach Deutschland ‚entführt‘. Seither sind die Emser der Meinung ihr Recruting Gebiet habe sich auch auf dieses Land ausgeweitet. Wenn die Deutschen uns Spieler stibitzen, dann machen wir das aber auch! Gleichzeitig wurde dieser Pool seitens der Vorarlberger auch auf Österreich ausgeweitet, bis Vikings Präsident Karl Wurm, als es die Floredo Twins betraf, laut und deutlich STOP rief. Die Devils stellten sich wissend dumm – Ja weil warum nicht? Weil ich (Wurm) das sage. Wenn Karl Wurm jetzt aber A sagt (Nein zu Transfers innerhalb Österreichs), dann müßte er angesichts des EU Beitritts Österreichs vor mehr als 10 Jahren auch B sagen = Nein, zu Transfers innerhalb der EU. Oder nicht? Grundlage waren finanzielle Versprechungen – die Bulls Spieler werden mit Benzingeld ‚gefördert‘. Wo ist hier das NJET seitens des Vizepräsidenten des AFBÖ? Oder mißt man hier mit zweierlei Maß – dem der Vikings und jenem des europäisch-deutschen Gesamtwohls?
Zu guter letzt: Läßt man diese Transfer zu (was vermutlich passieren wird), dann legitimiert man gleichzeitig auch jeden anderen innerhalb der EU. Die Floredos dürfen dann spielen wo immer sie auch spielen wollen. Auch in Hohenems, oder liegt das etwa nicht in Europa?

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