Liest man die Tiroler Gazetten dieser Tage – nach dem frühzeitigen Ausscheiden der Raiders im Kampf um die Austrian Bowl – dann werden einem allerlei Begründungen für den sportlichen Suizid der Raiders aufgetischt. Mittendrin in der jüngsten Vergangenheitsbewältigung: die Referees der Partie.

Raiders-Head Coach Santos Carillo wird in der Tiroler Tageszeitung mit den Worten zitiert, dass ‚das wohl die All Stars der schlechtesten Schiedsrichter waren‘. Redakteur Marco Heinrich selbst hat ‚rätselhafte Entscheidungen‘ während des Spiels ausgemacht, die Vikings seien ‚unglaublich schwach‘, die ‚mit dem Mute der Verzweiflung zu passen begannen‘ und als Zusatz in Klammern: ‚was sie eigentlich nicht können‘.

PENG! Da fallen die Wiener sicher tot um. Vor Lachen allerdings.

Eine Woche zuvor noch las man im selben Blatt ein Interview mit Raiders-Manager Daniel Dieplinger, der da meinte, dass die Strategie der Wiener (in Bezug auf österreichische Quarterbacks) in die Hose gegangen ist.

Ein "Feedback" zu seiner Einschätzung bekam er am Samstag innert ein paar Minuten von einem der beiden "Hosengänger" – Christoph Gross.

Vikings keine Sieger
Es wird aber immerhin auch (an)erkannt, dass bei den Raiders ’nichts mehr ging‘ und nicht alleine die ‚unglaublich schwachen Vikings, die eigentlich nicht passen können‘ und das ‚Dream Team‘ der ’schlechtesten Schiedsrichter‚ das Spiel für die Wiener gewonnen haben.

Immerhin – es ist also auch an den Raiders selbst gelegen.

Auf die Idee, dass die Vikings einfach besser waren, auf die kommt man überhaupt nicht. Eigentlich ist der Gedanke am Inn schon lange verdrängt. Gibt’s ja gar nicht, oder? Ob den Spielern der Raiders, die ganz anders über ihre Gegner denken, damit ein guter Dienst erwiesen ist?

Möglich ist auch, dass die Enttäuschung bei der TT deshalb so groß ist, da sie auch Medienpartner der Raiders sind und der Boss ihrer Holding als Ehrenkicker der Partie den Mannen von Santos Carillo so gar kein Glück brachte.

Wutentladung
Auch die Kronen Zeitung Tirol kann keinen Sieger, sondern nur einen Verlierer ausmachen. Der ‚Hochmut‘ der Raiders habe ihnen den Sieg gekostet – der würde sich nun in ‚Wut‘ (?) umwandeln und in der Euro Bowl – so wird Dieplinger dort zitiert – ‚entladen‘. Das schreit ja richtig nach einem Blitzeinschlag am Tivoli.

‚Hochmut‘ – eines der Worte im Zusammenhang mit den Raiders, welche man auch am Tag danach in Eggenberg oft hörte, am Rande des zweiten Halbfinalspiels.

Eine Partie, geht man nach dem Urteil des Bloggers und Quarterbacks der Tiroler Jason Johnson, eigentlich gar nicht mehr spielen hätte müssen. Denn der ließ seine Fans schon kurz nach der Niederlage wissen, dass er einerseits geschockt sei und andererseits nun die Vikings gegen die Giants in der Austrian Bowl spielen dürfen.

Mittlerweile entschuldigte sich Johnson bei den Dragons in einem posting zu seinem Artikel. Jemand habe ihm gesagt, die Giants hätten das bereits gewonnen.

Moment mal! Der Quarterback der Raiders und ‚Promi‘-American-Football-Kolumnist eines großen österreichischen Sportportals wusste also nicht, dass das zweite Halbfinale noch zu spielen war, aber dafür ließ er sich einsagen, dass es die Giants bereits gewonnen hatten? Das hat was!

Und es ist Balsam auf meiner geplagten Seele, der ich einer bin, welcher von ‚Experten-Blogs‘, oftmals von Ghostwritern betreut (hier spricht reichlich Erfahrung darin), gar nichts halte. ‚Quacksprech-Journalismus‘ nach einem 5-Minuten Telefonat. Es ‚bloggt‘ zu ihnen Anton P., Johann K. und Hermann M. – in der Redaktion auch als ‚Promi-Blog-Willi‘ bekannt.

Johnson schreibt wohl selbst, denn er ist nicht Kurt W. oder Ben R., sondern ’nur‘ Jason J., der, der echt echt für Pizza spielt. Und eben ‚bloggt‘.

Eggenberger Ausgelassenheit
In Graz war die Stimmung vor der Partie Giants-Dragons bei den Vikings (logisch), aber auch bei den Dragons und Giants ausgelassen bis hervorragend. Sowohl die Korneuburger als auch die Grazer freuten sich offen über die Niederlage der Raiders und den Sieg der Vikings. Hochmut und Arroganz wurde den Tiroler von vielen Seiten attestiert, man fühle sich im Dialog mit den Raiders oft einer niedrigeren Kaste zugehörig, bemerkte ein hochrangiger Funktionär eines AFL-Teams.

Ich war mir dessen bis dahin – ganz ehrlich – nicht bewusst und selbst kann ich das den Raiders auch nicht ankreiden. Weder ihren Vorständen und schon gar nicht ihren Spielern, die zwar angesichts der Erfolge oft lässig wirken, aber von Überheblichkeit spürt man doch recht wenig. Da gab es in der Vergangenheit schon Ärgeres in der AFL zu sehen, als die Raiders 2009.

Vielleicht spielt hier auch ein wenig Neid auf die Errungenschaften des Tiroler Klubs mit. Der potente Sponsor Swarco, die Kooperation mit den NFL-Raiders, die unglaublich professionell aufgemachten hauseigenen Videoproduktionen (beyond the field), die Kooperation mit Connexion (Live.Raiders), die von manchem Gegner ja boykottiert wird – das sind ja alles Dinge, die kein anderer in der Anhäufung vorweisen kann. Stolz mag man auch als Abgehobenheit interpretieren, aber die Raiders haben ja tatsächlich – im Vergleich zu den anderen – abgehoben. Und das ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Oder wollen wir zurück zum Start?

Werkself
Eine andere Geschichte – die der Definition der A-Klasse – die wird sich gesondert besprechen lassen, denn die Bewegung hin zu einem Profibetrieb ist nur schwer zu übersehen. ‚A-Klasse Neu‘ oder ‚Plus‘ wird wohl kommen müssen, sonst wird man bald schon die erste reine ‚Pro-Equipe‘ auf einem österreichischen Footballfeld sehen. Die ‚Swarco-Werkself‘ z.B. Und dafür ist es vielleicht doch noch ein wenig sehr früh am heimischen Footballmorgen.

Dass die Raiders nun, nach dieser von seiner Entstehungsgeschichte her sehr ungewöhnlichen Niederlage, nicht nur nach Erklärungen, sondern auch nach Ausreden suchen (Referees), spricht natürlich nicht für sie, aber viel mehr als ein Verlust von Lässigkeit ist am Ende auch nicht auszumachen.

Am Boden der Tatsachen sind sie nun so oder so gelandet. Europas Nummer 1 (laut EFAF) steht nicht im Finale der österreichischen Meisterschaft, denn diese macht sich die Nummer 3 (Graz) gegen die Nummer 8 (Wien) aus. Die EFAF-Top-20 Liste ist unterhaltsam, denn sie rechnet nicht mit dem merkwürdigen Verhalten von uns Österreichern.

Und noch ist ein Spiel für Tirol in der EFL zu spielen und vielleicht machen sich die Herren gegen Flash dann auch die Mühe, eine zweite Halbzeit zu absolvieren.

In den letzten drei zweiten Halbzeiten erzielten die Tiroler in Summe zehn Punkte, was selbst gegen die ‚unglaublich Schwachen‘ dann – überraschend? – nicht stark genug war.

Meint Ihr
Walter H. Reiterer

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