Wir haben hier also eine gemeinsame Completion Rate von 80 Prozent und überhaupt gab es in der zwanzigjährigen Geschichte der Austrian bowl nur ein einziges Endspiel, bei dem weder die Giants noch die Vikings mit von deB Partie waren (AB IX, Feldkirch Oscar Dinos vs. Salzburg Bulls 45:10)! Ja genau, und diese Giants und diese Vikings haben heute gegeneinander gespielt und jeder Football-Fan, der in Ost-Österreich lebt und heute Zeit gehabt hätte und bei tollem Game-Wetter trotzdem nicht zum Spiel nach Dornbach gekommen ist, ist wirklich selbst schuld. Dass dann die Partie gar so eindeutig verlaufen sollte, ist ein anderes Thema, und genau davon wollen wir jetzt berichten.

Beide Mannschaften zogen einigermaßen ersatzgeschwächt in die heutige Begegnung, wobei die Grazer zumindest ihren Quarterback Leslie Courtemanche wieder fit bekommen haben, dafür aber die Offensive-Line sehr von Ausfällen gekennzeichnet war und einige Backup-Spieler ran mussten. Bei den Wienern war Pasha Asiladab wieder mit dabei und der verletzte Shawn Olson wurde durch Luke Atwood ersetzt, was aber auch in der Vergangenheit schon des öfteren ganz gut funktioniert hat. An sich konnte man aber ein spannendes Spiel erwarten, weil auch die Giants in ihrem Erstrundenspiel gegen die Dragons nach einigen Startschwierigkeiten mit einem gut gecoachten, selbstbewussten Football-Team ein interessantes Lebenszeichen von sich gegeben haben. Headcoach Phil Maas meinte nach dem Dragons-Spiel, dass man sich zwischen dem ersten und zweiten Spiel deutlich verbessern möchte, nun war es aber so, dass die Vikings schon vor ihrem dritten Saison-Spiel standen, und dieser Logik folgend müssten die Wiener den Grazern somit einen Verbesserungsschritt voraus sein. Und eines sei schon mal gesagt, genau so war es dann auch.

Bei den Vikings war im Spiel gegen die Raiders vor allem das Special-Team bei den Returns bemerkenswert, da immerhin 225 return yards und zwei Touchdowns produzieren konnten. Und ein zweites sei schon mal gesagt, genau so war es dann auch heute wieder.

Die Vikings gingen mit dem ersten Drive in die Partie und es bestätigte sich gleich, was zu erwarten war: Der Wikinger-Angriff setzt vor allem auf Option-Spielzüge und Pitches auf die Running Backs. Dem laufstarken Luke Atwood kommt diese Angriffs-Strategie natürlich sehr entgegen und wie heißt es ja immer wieder mal? Ein Offense, die das Option-Playing perfekt beherrscht, kann von so gut wie keiner Defense gelesen und gestoppt werden. Damit die Sache aber nicht langweilig wird, bringt die Vikings-Offense von Zeit zu Zeit einem Spreed-Spielzug an, und in ihrer unberechenbaren Gesamtheit nennt man dieses Angriffssystem dann Utah-Offense, nach der University of Utah, wo diese Strategie entwickelt worden ist. Mit seiner Universalbegabung als WR/QB/RB wird Luke Atwood dabei in Zukunft wohl die zentrale Rolle bei den Vikings spielen.

Der erste Drive der Vikings endete nach einem Atwood-Lauf und einem Pass auf Charley Enos dann auch gleich mit dem ersten Touchdown durch Lance Gustafson, der mit dem Ball die letzen zehn Yards in die Endzone lief. Peter Kramberger machte den PAT und es stand 7:0 für die Gastgeber.

Die Giants wirkten dann bei ihren Angriffen recht unentschlossen und wurden vor allem bei ihren Laufversuchen eindrucksvoll von der Laufverteidigung der Vikings gestoppt. Die Grazer setzten heute aus ihrem Running-Back-Trio verstärkt auf Harald Egger und als Arbeitstier und Universalwaffe wurde in bekannter Manier immer wieder auf Martin Grassegger zurückgegriffen, der gleich bei den ersten vier Spielzügen der Grazer drei mal zum Einsatz kam. Das Verletzungspech schlug bei den Gästen weiter schwer zu und WR Martin Kranz und LB Emanuel Kickmeier schieden schon früh aus dem Spiel aus. Durch einen Quaterback-Sneak im 4th down kamen die Grazer aber doch zu einer neuen Angriffsserie. Leslie Courtemanche, der neue QB der Giants, überzeugte heute im Passspiel nicht unbedingt und neigte dazu, seine Receiver zu überwerfen. Dies könnte durchaus ein Resultat von zu viel Vorsicht und Respekt vor der Secondary der Vikings sein, die übrigens den gegen die Dragons groß aufspielenden Armando Ponce de Leon meist recht gut kaltstellen konnte. Der Drive der Giants endete durch ein vergebenen Fieldgoal-Versuch von Christoph Kipperer.

Die Vikings machten in ihrem nächsten Drive in gewohnter Manier weiter und der Ball bewegte sich dabei hauptsächlich zwischen Luke Atwood, Lance Gustafson, Charley Enos und Johannes Widner hin und her bis Luke Atwood höchst selbst aus neun yards zum Touchdown lief (PAT Kramberger). Das alles passierte etwas mehr als 3 Minuten vor dem Ende des ersten Viertels und relativ unbehelligt durch die Grazer Verteidigung.

Der anschließende Drive der Grazer endete mit einem Punt, bei dem der Punter Roland Horn nach einer Attacke verletzt am Feld liegen blieb. Da bei dieser Aktion der Ball schon weg war, ging die Attacke gegen den Mann, was natürlich nicht fair war worauf die Vikings den Giants den nächsten Offense-Drive schenkten und bei den Gastgebern weiterhin die Defense auf dem Feld blieb. Dieses Geschenk konnte aber nicht verwertet werden und der Drive wurde wieder mit einem Punt beendet, womit auch das erste Viertel bei einem Stand von 14:0 vorüber war. Eine weitere Eigenheit des Vikings-Angriffes konnte im zweiten Viertel beobachtet werden: Wenn ein Ballträger getackelt wird, versucht er noch im Fallen den Ball durch einen Lateral-Pass an einen Mitspieler weiterzugeben, der dann unbehelligt auf und davon laufen kann, weil sich die halbe gegnerische Verteidigung eh schon auf den ersten Ballträger auftürmt. So konnten wir schon in den letzten Jahren einige Touchdowns der Wikinger erleben und auch heuer wurde diese Übergabe wie es scheint recht ordentlich trainiert: Atwood gibt nach dem Snap den Ball an Gustafson ab, der bleibt in der D-Line hängen und spielt den Ball im Umfallen zurück zu Atwood, der seinerseits locker und lässig zu einem neuen First Down läuft. So einfach ist das. Der Drive endete durch einen lehrbuchmäßigen 19 yards TD-Pass von Atwood auf Pasha Asiladab. Der PAT von Peter Kramberger war gut und es stand 21:0.

Die Gäste aus Graz versuchten es weiterhin mit Laufversuchen durch die Mitte, wo aber die Mannen um Mike Latek und Johannes Wimmer für wenig Durchkommen sorgten. Yard um Yard ging es aber doch zäh nach vorn und nach einem personal foul an Ponce de Leon kamen die Grazer zu einer neuen Angriffsserie. Nach drei yards durch Harald Egger schlossen Leslie Courtemanche den Drive mit einem TD-Pass über sechs yards auf Armando Ponce de Leon ab und brachte somit die Giants auf das Scoreboard. Der PAT von Roland Horn war gut und es stand 21:7.

Und dann kam wieder mal die geballte finnische Kick-Return-Power in Person von Neil Maki zum Einsatz. So wie wir es heuer schon mehr als einmal gesehen haben und wie es zur Zeit in Österreich wohl kein anderer Spieler kann, trug Neil Maki hinter perfekten Blocks seiner Kameraden den Kick über 86 yards zurück zum Touchdown für die Vikings. Und es sollte nicht der letzte Streich an diesem Tage von Neil Maki bleiben, weshalb Herr Maki, und das sei hier vorweggenommen, eindeutig der Football-Austria.com-MVP des heutigen Spieles ist.

Während Leslie Courtemanche weiterhin eher ungenau warf, ließen die Giants Harald Egger durch die Mitte laufen und kamen dadurch auch zu weiteren Angriffsversuchen, die aber schlussendlich wieder nicht zu einem Score verwertet werden konnten. Anders die Wiener in Form von Atwood und Enos, die den eigenen Drive durch einen 78 yard TD-Pass erfolgreich abschliessen konnten. Charley Enos war heute mit 145 yards und einem Touchdown der Top-Receiver der Vikings. Mit dem PAT stand es 35 zu 7 für die Wikinger. Nachdem Mike Latek einen Sack erzielen konnte schlug abermals Neil Maki zu, der einen Pass von Courtemanche intercepten konnte. Die Grazer schienen schon etwas demoralisiert zu sein und spätestens jetzt wurde klar, dass die Partie für die Gäste wohl nicht mehr umzudrehen war. Die Wiener fingen dann auch schon an, ihre Starter zu schonen und schickten etwa Axel Schwarz als Running Back aufs Feld . Mit einem Score von 35 zu 7 ging es in die Pause.

Eine Standpauke von Phil Maas hat es in der Kabine entweder nicht gegeben oder aber sie half einfach nichts. Die Giants begannen mit die zweite Hälfte mit der Offense, machten ein paar kurze Läufe, warfen incomplete und mussten den Drive wieder mit einem Punt beenden. Anders die Vikings, die ihren Drive wieder zu einem TD verwerten konnten, in dem Luke Atwood auf Johannes Widner passte. Der Kick von Kramberger war gut und es stand 42:7.

Die Vikings sahen das Spiel wohl als gewonnen an, brachten Philipp Jobstmann als Quarterback ins Spiel und ließen abwechselnd Axel Schwarz, Ralph Pointner und Thomas El-Badramani als Backs auflaufen. Jobstmann zeigte einige recht gute Läufe, war aber zu Beginn eher unglücklich mit seinen Passversuchen. Die Vikings fingen an, den Laden etwas locker laufen zu lassen, was ich in schlampigen Snaps und Timing-Problemen beim Passspiel widerspiegelte. Nachdem auch ein Fieldgoal-Versuch vergeben worden ist, darf dieser Vikings-Drive als etwas missglückt bezeichnet werden.

Die Giants kamen dann durch einen 44 yards-Touchdown von Martin Grassegger doch noch zu einem zweiten Score und es stand nach dem PAT 42 zu 14. Und dann kam wieder Neil Maki: Die Giants taten das, was man in so einer Situation nun mal tut, man macht einen Onside-Kick. Und da diese Onside-Kicks ja durchaus riskant sind kann es schon passieren, dass da ein gegnerischer Defensive Back dazwischen geht, den Kick aufnimmt und mit dem Ball zu seinem zweiten Kick-Return-TD des Tages läuft. So hat´s heute unser MVP Neil Maki gemacht und es sei der Vollständigkeit halber festgehalten, dass Herr Maki nicht nur zwei Kick-Return TDs und eine Interception für sich verbuchen konnte, sondern gemeinsam mit Mario Floredo auch noch der leading Tackler (6,5) der Vikings war. Noch Fragen?

Wir sind somit beim späteren Endstand von 49:14 angekommen und obwohl das Spiel noch ein wenig weiter ging, wollen wir darüber nicht weiter berichten sondern uns der Schlussbetrachtung zuwenden. Gut, die Giants waren schwer ersatzgeschwächt, trotzdem darf gesagt werden, dass die Vorstellung der Grazer heute eine Enttäuschung war. Das Selbstbewusstsein und die Spielfreude, die sie zuhause in Eggenberg noch gezeigt haben, wurde diesmal vollkommen vermisst und die Leistungsträger von vor zwei Wochen (Courtemanche, Ponce de Leon) konnten ihre Performance leider nicht in gleicher Form wiederholen. Als Ausnahme sei Martin Grassegger genannt, der nicht nur einen TD erzielen konnte, sondern auch unermüdlich im Laufangriff arbeitete und bei dem man den Willen zum Erfolg noch am ehesten sehen konnte. Die tapferen Laufversuche von Harald Egger wurden meist von der starken Vikings-Defense beendet und das Angiffsspiel der Grazer war heute allgemein alles andere als smart und ideenreich. Umgekehrt konnte sich die Verteidigung der Grazer nie auf die schwer zu berechnende Option-Angriffs-Strategie der Vikings einstellen und zumindest als die Starting Unit der Gastgeber am Feld war, wurden auch kaum Fehler in der Game-Execution gemacht und die Wikinger ließen dadurch keinen Raum wo die Grazer erfolgreich einen Hebel ansetzen hätten können.

Die Vikings sind sicherlich auf dem richtigen Weg zur Austro- und sonstigen Bowls und haben sich mittlerweile recht gut eingespielt. Die Giants haben seit heute wohl wieder etwas mehr zu tun aber so wie wir den österreichischen Rekordmeister kennen, wird er sich eindrucksvoll zurückmelden. Und wir freuen uns schon jetzt darauf!

AFL
Chrysler Vikings vs ÖKO Box Graz Giants 49:14 (35:7)
17.04.2005, Kickoff: 15.00h, Sportklubplatz, Wien, 2400
Referees: Arnold / Berger / Ulicny / Bremser K. / Praher / König M.

Football-Austria.com Spielbewertung (max. 10 Balls)
Spielniveau:

Ambiente:
Unterhaltungswert:
Football-Austria.com MVP: Neil Maki

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