Die Chrysler Vikings riefen zum "größten Tryout aller Zeiten" und die Massen folgten ihnen prompt. Die Kinospots und die Promotion mit Burger King haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Keine Parkplätze auf der Schmelz, ein Ansturm als gäbe es kein Morgen mehr und eine bis ins kleinste Detail durchgeplante Organisation heben die Vikings erneut auf das Podest der unumstößlichen Supermacht des American Footballs in Österreich. Eine Frage bleibt: Ist Supermacht sein auch tatsächlich voll super?
Schon beim Eingang war klar. Hier spielen heute die Vikings gegen die Raiders ihre gemeinsame Special Wednesday Night Charity Bowl. Oder doch nicht? Nein, es ist "nur" das Tryout des zweifachen Europameisters, welches rund 400 Zuschauer und 200 Aspiranten auf die Schmelz lockte. Schlangen bei den diversen Anmeldestellen, geschäftiges Treiben am ganzen Areal, alle Vikings Funktionäre im Volleinsatz. Das ganze Werkel läuft wie geschmiert und man wundert sich nach einer gewissen Zeit über gar nichts mehr. Der Verein ist organisatorisch und personell in der Lage binnen 120 Minuten 250 Personen, darunter Kinder, Jugendliche – Frauen wie Männer, Mädchen wie Buben – zu testen, ein Programm ablaufen zu lassen und sie zu beurteilen.
Dabei ist am Feld und in der Organisation alles dabei was beim Verein Funktion, Rang oder Namen hat. Horst Obermayer, Rudi Lehner, Alfred Neugebauer, Mario Floredo, Pasha Asiladab, Shawn Olson, Joe Widner, Norbert Jobstmann, Philipp Jobstmann, Daniel Fettner, Georg Thomas, Natasha Zorn, Felix Hoppel, Michael Holub, Karl Wurm, Daniela Mlecka, Chris Calaycay, Gerry Stroh u.v.m. Ich hab jetzt sicher mehr als die Hälfte vergessen, lediglich aus meinem Kurzzeitgedächtnis rezitiert. Ich will auch keine vollständige Liste aller Helfer erstellen, sondern lediglich einen Eindruck vermitteln, wie die Wikinger solche Dinge angehen. Sie klotzen und kleckern schon lange nicht mehr. Ähnlichkeiten mit Veranstaltungen von Fußballerstligisten sind ebenso zufällig wie gewollt. Hier spielt die Musik, Herrschaften. Die Tryouts anderer Vereine bekommen dabei Micky Maus Charakter, das Event der Wikinger Übererlebensgröße.
Alle wollen die Eurobowl!
Was ich in Folge abspielt ist ebenso beeindruckend, wie für Gegner beängstigend. Zeitgleich werden gängige Tests in verschiedenen Altersklassen abgespult, Push Ups, T-Runs, 40 Yard Läufe – die Reihe der Klassiker halt. Alles wird notiert. Nebenbei macht Michael Holub den besten Football Kindergärtner aller Zeiten, indem er einem Dutzend 5-9 Jährigen auf spielerische Art Football nahebringt. Natascha Zorn instruiert in der gleichen Altersklasse gleich eine ganze Schar zukünftiger Pewees, die Junioren Cheerleader Bewerber (30!!) brauchen gleich 20 yards Platz der Schmelz, ebenso groß das Dance Team. 17-19 Jahre alte Herren kommen in den Genuss geworfene Bälle von Shawn Olson zu fangen (Papa macht Fotos), alle Altersklassen werden in Units einzeln getestet. Im Gym werden bereist Detailgespräche geführt und auch die Vikings Ladies dürfen sich über Aspirantinnen freuen, wie auch das Flag Team auch Zuwachs hoffen darf. Alles in allem – ein unglaublicher Ansturm an Leuten, welche die Vikings scheinbar ganz locker handeln. Hut ab!
Fragt man die jungen Menschen nach ihren Zielen, dann antworten 90% der männlichen Teilnehmer mit "die Eurobowl gewinnen". Die Mädchen wollen gleichfalls Meisterschaften gewinnen, nur eine junge Dame verriet uns andere Ziele. "Ich will ein Cola, einen Keks und einen kleinen Hund!". Auch das werden die Vikings ihr vermutlich ermöglichen.
Alles Supermacht oder was?
Wo viel Licht, da viel Schatten. So ein schlaues Sprichwort. In der Tat ist der Zustrom für die Vikings zumindest kurzfristig erfreulich. Man hat auch nichts unterlassen um das Tryout zu bewerben. Die Kinospots sind bei den Kids voll eingefahren, die "coolen" Tablett Untersetzer bei Burger King hat die Jugend nach dem Kino noch mal daran erinnert, wo sie am 28.09. zu sein haben. Be there –Be a king – Be a Viking. Kloa! Das maximal einer von Hundert dieses Ziel auch erreichen wird ist hoffentlich auch klar? Scheinbar nicht allen Beitrittswilligen, deren Träume zwar legitim, aber nicht in jedem Fall auch realistisch sind, sieht man sich die derzeitige Kampfmannschaft an. "Kleine" Tryouts bei den Vikings finden andauernd statt, des Vereinswechselns Willige (erfahrene Spieler) stehen Tag für Tag ante portas (beim Tryout waren einige Spieler der Danube Dragons dabei), aus dem bisherigen Potential (Nachwuchs) schöpft man bereits aus dem Vollen. Alle die hier noch einen Spot für sich sehen, müssen nur mehr folgende Voraussetzungen erfüllen: Extrem athletisch, alle Freizeit gehört dem Sport, Bewegungs- und Footballtalent. Ist das alles gegeben, besteht zumindest eine theoretische Chance auf die angesagte Eurobowl. Risken wie Verletzungen, andere private Ziele, eine sportliche Misere beim Verein, sind dabei noch nicht einkalkuliert. Ein X für ein U sollte sich niemand vormachen. Hier macht der Champion ein Tryout, der neben Spielern auch "nur Mitglieder" sucht, welche neben dem Hauptsponsor die größten Geldgeber des Vereins sind.
Ebenfalls nicht unbedenklich ist die Größe dieses Tryouts im Vergleich zu jenen der anderen Teams, welche nun keine Kinospots und Fast Food Tackerln, sondern nur ihre bescheidenen Werbemöglichkeiten einsetzen konnten. Denn ob die Abgelehnten dieses GRÖTOAZ (größtes Tryout aller Zeiten) danach dem Footballsport verbunden bleiben ist mehr als fraglich. Die Vikings wollen mich nicht – dann geh ich wieder Kicken. Wird in vielen Fällen so sein.
Die Vikings nehmen hier also mit ihrem Namen und der Werbepower ihren potentiellen Gegnern in der Umgebung ebenso potentielle Neuzugänge weg. Dessen ist sich Vikings Präsident Karl Wurm auch bewußt und sagt dazu: "Wir werden manchen Bewerbern, die wir nicht aufnehmen, andere Vereine empfehlen. Wir werden alle weiters fragen ob sie damit einverstanden sind, daß wir ihre Adressen an andere Vereine weitergeben, damit diese sie zu einem Tryout einladen können. Die Vikings haben die Weisheit nicht mit dem Löffel gegessen. Auch wir verkennen Talente, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Daher werden wir alles tun diese vielen Bewerber weiterzuvermitteln. Wir haben eine klare Beschränkung bei der Aufnahme, daher wird auch sicher mancher durch den Rost fallen, der es sich verdient hätte zu spielen. Es ist so im Sport. Wir setzen Limits. Werden die an dem Tag nicht erreicht werden, dann ist man nicht dabei. Das heißt nicht, dass derjenige sie morgen nicht überspringen kann. Wir sind natürlich daran interessiert möglichst viele Talente zu uns zu holen, aber auch daran, alle Footballbegeisterten anderen Teams zuzuführen. Womöglich ist da auch die Perle dabei, welche wir übersehen haben."
Fazit
Eine bis ins letzte Detail durchorganisierte Veranstaltung eines mittlerweile hochprofessionellen Vereins. Mit allen seinen Sonnen- wie Schattenseiten betreffend die Auswirkungen auf den Sport. Die Art und Weise wie die Vikings mit ihrem Namen und der Werbemacht junge Leute für Football begeistern können ist beeindruckend, ebenso nachdenklich stimmt die Tatsache, daß das größte Tryout aller Zeiten seinem Namen mehr als gerecht wurde.
Wir hoffen für den österreichischen Football, für die Vikings und für alle Vereine und Fans, dass die Wikinger in Zukunft die Zeit danach auch noch Gegner in der Umgebung haben, denn studiert die Mehrheit ein Orchideenfach, ist dies der Tod der Universität.
Auf die Vielfalt der Welpen also!

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