Start NFL Wie macht das nur der Tebow?

Wie macht das nur der Tebow?

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Denver Broncos Offensive Coordinator Mike McCoy gratuliert Tim Tebow zu seinem Winning Touchdown gegen die New York Jets. Volles Vertrauen dürfte Tebow noch nicht haben. Umgekehrt sieht es wohl nicht anders aus. Die Jets wussten was kommen wird, aber nicht wie sie es verhindern sollen. Gewöhnungsbedürftige Bilder: Die Aufnahme könnte auch 2000 Jahre alt sein.
Es gibt ungeschriebene Gesetze in der National Football League, die scheinbar fix verankert sind. Auf der Quarterback-Position hat sich in den letzten Jahren ein Spielertyp etabliert, der gezielt gesucht und gefördert wird. Der Spieler passt sich prinzipiell dem Spielsystem an. Einer der riesigen Unterschiede zu Football in Europa und im College, wo es oft mal anders herum läuft. 
Was muss ein gefragter NFL-Quarterback heute können? In erster Linie schnell sein. Nicht nur physisch, sondern auch was sein Denken anbelangt. Die Checkdowns sollen möglichst chiffriert und in wenigen Sekunden abgehandelt sein, die darauf folgende Entscheidung muss ebenso richtig sein, wie der schnelle und versteckte Release des Balles dem Gegner möglichst wenig Gelegenheit zum Lesen bietet. Pump Fakes sind, falls nötig, erwünscht. Ansonsten aber keine Extravaganzen und Kunststücke bitteschön. Ganz wichtig dabei: Egal was um ihn passiert, er, der Quarterback, bleibt ganz gelassen und verlässt sich auf seine Pocket. Das machen sie auch alle. Die guten unter ihnen zumindest. Aaron Rodgers, Tom Brady, Peyton Manning, Drew Brees.
Spielertypen wie Michael Vick (schon bei Atlanta) fallen aus der Reihe und daher auf. Der junge Tim Tebow, der mit den Florida Gators am College alles gewann was man als Spieler gewinnen kann, National Championship und Heisman Trophy inklusive, der hat nichts von dem oben beschriebenen drauf. Wenn seine Augen einen Receiver (ob offen oder nicht) gefunden haben, dann weiß sogar der Platzanweiser im Stadion schon, in welche Richtung er ca. werfen wird. Sein Release dauert länger als eine Kim Kardashian Ehe (©Dave Dameshek) und wenn er die Entscheidung getroffen hat, den Ball durch die Luft zu befördern, dann ist diese per se in den meisten Fällen schon falsch, denn 55 Prozent seiner Bälle landen am Rasen.
Jetzt könnte man es sich sich einfach machen und sagen, dass der Junge in der NFL einfach falsch ist. Untauglich. Basta. Das tun auch viele. Einzig zum Nachdenken anregender Widerspruch ist das Ergebnis unterm Strich. Tebow bringt zwar nur 45 Prozent seiner bisher 56 Pässe in fünf Spielen an, jeder achte Wurf ist aber gleichzeitig auch ein Touchdown. Exakt 56 Mal lief er auch selbst und erzielte dabei drei weitere Touchdowns. Das reichte, um die Broncos von einem 1-4 zu einem 5-5 Record zu führen. Obwohl man zu Beginn der Saison Kyle Orton den Vorzug gab, spielte der designierte Starter dieses 1-4, sein vormaliger Backup danach sein 4-1. Trotz aller Vorschuss-Kritik, trotzdem man den besten Receiver nach St. Louis verkaufte, trotzdem der #1 Runningback verletzt ist, trotzdem die Vereinsführung und der Headcoach bei der Umstellung (ein reiner Kniefall vor Fanprotesten) und auch heute noch ihre Nasen rümpfen. Den Geist, den sie riefen, den werden sie jetzt aber nimmer so schnell los.
Bleibt die Frage, warum das so ist? Und da bin ich dann ganz Roman Mählich. Das würde ich auch gern wissen. Nun gehöre ich weder der Tim Tebow-Anti-Fraktion, noch seinem Fanclub an. Ich amüsiere mich, Tebow unterhält mich am und abseits des Spielfelds prächtig. Ich versuche es mit Hilfe Dritter zu lösen.
Defense wins Tebow Games
Die Theorie, dass die Defensive und auch die Special Teams der Broncos so stark seien und sie damit das Team im Spiel halten, die hat was. Das belegen Zahlen und Bilder. Tebow muss dann „nur“ mehr den entscheidenden Score am Ende hinbekommen, wie gegen Miami (zwei Mal) oder gegen die Jets (95 Yards Touchdown-Drive aus dem Nichts). Die einzige Frage die ich mir dabei stelle ist, was sich hier großartig geändert haben soll, seit Denver bei 1-4 stand? Das selbe gilt für die Special Teams. Das selbe gilt für seine Mitspieler in der Offense. Wo waren die zu Beginn der Saison? Wos woa ihr Leistung? Haben sie etwa auf Tebow gewartet?
Richtig ist auch, dass die Broncos ihre Spielweise und auch ihr Playbook den Fähigkeiten Tebows angepasst hat. Alles andere wäre auch dumm gewesen, selbst wenn man das in der Regel nicht macht – das System an einen (noch dazu einzelnen) Spieler anpassen. Jetzt sehen wir eine Triple-Option am falschen Tag und fragen uns, ob nicht gestern Samstag war? Ist das schlecht? Also ich finde es schön. Noch einen Flea-Flicker bitte (ging ja mit Orton auch) und ich würde so gerne Brian Urlacher fluchen sehen, wenn er sich bei einem Double-Reverse ohne Fremdeinwirkung auf den Hosenboden setzt. In drei Wochen dann.
Alles in allem macht das Team den Eindruck, als wäre es mit Tebow glücklicher am Feld als es das zuvor mit Orton war. Tebow hat wie es scheint Leadership-Skills. Auch das ist nicht neu. Die Gators waren ein verschworener Haufen junger Betbrüder. Das Team schaut auf einmal völlig anders aus. Sie gewinnen, was sie vorher verloren haben. Und selbst die Gegner reden andächtig über ihn. „Der junge Mann machte das Play. Wir wussten, was kommt, wir konnten es nur nicht verhindern. Das ist so bei Athleten wie Tebow.“ Das sagte bitte Rex Ryan, der Head Coach der New York Jets, und nicht irgendein siebenter Zwerg in einem orangen 15er-Replica-Jersey.
Für mich deutet viel darauf hin, dass sich der Football Zahlen und Fakten manchmal entzieht, ihm mit Papier nicht beizukommen ist. Das hören die Statistik-Nazis halt gar nicht so gern. Wir alle reden aber auch gerne von Teamgeist, vom Momentum, von Energieströmen, von mentaler Stärke, von Esprit, Verve und der Seele des Spiels. Alles Werte, die nicht in Sekunden, Kilo und Prozenten festzumachen sind. Wenn wir das so sehr mögen, ja warum sind dann viele auf einmal so überrascht? Weil wir es in Wirklichkeit nicht geglaubt haben, stimmt’s? Und das ist der große Unterschied zwischen uns und dem Tim Tebow. Der glaubt das. Und wie auch noch. Und zwar alles, was ihn und sein Team weiter bringt. 
Das zusammen erzeugt von außen betrachtet ein oftmals sehr gewöhnungsbedürftiges Bild. Der junge Mann mit dem einerseits klaren, gleichzeitig aber auch manchmal seltsam abwesenden Blick (sieht er gar sein Ende kommen?), der auf einem Hügel – Mile High – in der Wüste stehend zu den um sich versammelten Männern spricht. Aber Hallo! Selig sind die, die nicht werfen können, den ihnen gehört der Super Bowl?
Alles in allem sind der NFL aber sicher schon schlimmere Dinge passiert, als ein Tim Tebow, der sehr gekonnt ihren Standards und Vorgaben nicht entspricht. Eventuell wird Tebow die NFL nach der Saison verlassen (müssen) und in ein paar Jahren nur mehr eine Anekdote sein. „Kannst du dich an den noch erinnern? Wie hieß er noch schnell?“ Eventuell wird er aber auch bleiben und erfolgreich sein und damit bei einigen Leuten ein Umdenken auslösen. Denn das was in den letzten Jahren passierte, dass Quarterbacks nach Maß geschneidert in einem Copy-Paste-Verfahren vereinheitlicht werden, das muss ja nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein. Oder?
Und eines ist jetzt schon fix. Die „Tebow wird nicht…“-Fraktion lag bei allen ihren Vorhersagen falsch. Tebow wird nicht gedrafted werden. Falsch. Tebow wird nie in der NFL spielen. Falsch. Tebow wird nie Starter sein. Falsch. Tebow wird als Starter kein Spiel gewinnen. Falsch. Tebow wird als Starter keinen Winning Record zusammenbringen. Derzeit falsch. Bradford/Clausen/Skelton/Kafka sind/waren/werden viel besser als Tebow (sein). Ja, ja, redet nur weiter so. Ein großes: „Gähn“ an euch da draußen! Ihr langweilt ja noch mehr, als eure Helden das schon tun. Der Jahrgang trägt mal Tebows Namen und keinen anderen.
Wenn es nicht blasphemisch ist, dann werde ich mich weiter von Tim Tebow gut unterhalten lassen. Falls es doch Blasphemie sein sollte (man weiß ja nie!), dann auch, weil übertreiben müssen wir es nun auch wieder nicht. 

Walter Reiterer

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