Start AFL Endzone Outtake: Die AFL wird 30, aber nicht erwachsen

Endzone Outtake: Die AFL wird 30, aber nicht erwachsen

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Heilung in Sicht? Die AFL ist 30, aber alles andere als gesund.
Die Austrian Football League ist kein einfaches Kind. Eigentlich wäre sie mit 30, so alt wird sie heuer, schon längst allen Kinderkrankheiten entwachsen. Sollte man zumindest meinen. Tatsächlich ist sie seit ihrem Bestehen Baustelle in einem Land, in dem kaum etwas länger Bestand hat, als Provisorien.
Die jüngste Geschichte ist geprägt von Versuchen und ihren Irrtümern. Salzburg, Klagenfurt, Sankt Pölten, Mödling und Hohenems haben, mit unterschiedlichen Mitteln aber sich gleichendem Ergebnis, probiert Anschluss zu finden. An eine Gruppe von vier Mannschaften, von denen zwei seit Jahren auch in Europa ganz vorne mitspielen und zwei weitere mehr als bloß gut dabei sind. 
Der Österreichische Football Bund AFBÖ, unter dessen Fittichen die Liga läuft, war bei den Experimenten zur quantitativen und qualitativen Ausweitung der Liga nicht nur dabei, sondern durchaus auch selbst kreativ. Genutzt hat es nur wenig. Sei es die Späteinsteiger-Variante, als die Top-Teams erst ab dem Playoff dabei waren, die sanfte Tour mit einem leichteren Spielplan für die Nachzügler, oder die „Spring ins kalte Wasser“-Methode, welche 2010 und 2011 Salzburg, bzw. 2012 und 2013 Mödling mit 0-X Saisonen heute zu Drittligateams gemacht hat. Das ist alles gehörig schief gelaufen. Neuester Ansatz: Drei Aufsteiger aus der Division 1, die zusammen raufgehen, dann (vermutlich) einen leichteren Spielplan erhalten, womit zumindest ein vorläufiges sportliches Überleben gesichert sein könnte. Wer die Aspiranten kennt, die haben sich namentlich ja nur geringfügig verändert, der kann sich eine erfolgreiche Umsetzung dieser Agenda nur ganz schwer vorstellen.
Groß und klein
Die Frage „Warum ist das so?“ wird unterschiedlich, dafür aber stets sehr österreichisch beantwortet. Die Großen zeigen mit dem Finger Richtung kleine Teams: Ihr tut zu wenig! Tut was! Stellt euch endlich auf die Füße! Die Kleinen antworten: Ihr habt leicht reden mit vollen Hosen, nehmt uns Spieler, Sponsoren und das Terrain weg! Dem nicht genug, glaubt der Osten Österreichs, im Westen stünde eine bisher noch unentdeckte Millionenstadt herum und der Westen ist sich sicher, egal was passiert, dass im Osten so oder so nur gepackelt wird. Beides findet meiner Einschätzung nach nicht statt. Die AFL-Rezeptur 2014 hat die Liga in erster Linie dem finanzschwachen Graz und den Neo-Wienern Danube Dragons zu verdanken. Das macht die ganze Sache nicht gerade einfacher. Kooperationen auf Bundesligaebene gibt es nur rezeptfrei in homöopathischen Dosen. Der kleinste gemeinsame Nenner ist gleichzeitig auch das Höchste der Gefühle. Und selbst das ist unumstritten dauernd ein Streitthema.
Nur ein kleines Beispiel von vielen: Dass die Vikings den Raiders tatsächlich verbieten, ihre Auswärtsspiele auf der Hohen Warte in ihrem (übrigens großartigen) Web-TV live zu übertragen, ist an Lächerlichkeit für mich, als Medien Manager des Verbandes, der genau an solchen Dingen ein vitales Interesse hat, eigentlich nicht mehr zu toppen. Und zwar von beiden Seiten, um mich nicht falsch zu interpretieren. Die Vikings (die das Projekt Internet-Fernschauen selbst nie vernünftig realisieren konnten oder wollten und wo auch stets ein wenig Neid in der Sprache mitschwingt), sehen darin keinen Vorteil und hätten gerne, dass man ihnen eine gewisse Anzahl an Tickets dafür abkauft, sollte es regnen und die Leute lieber in ihre Netbooks als zu ihnen schauen. Die Raiders wollen mit dem de facto Ankauf von TV-Rechten (die tatsächlich beim Verein liegen) gar nicht anfangen (weil dann wollen ja auch die anderen Teams vielleicht Geld), schreiben lieber launige „Diese Wiener“-Aussendungen und übertragen zeitversetzt. Das war es dann. Seit Jahren.
Come together?
Auf die Idee, das gemeinsam zu machen, auf die kamen beide offenbar nicht. Und es nicht mal so, dass die nicht miteinander reden. Die Herren sind sich bekannt, nicht selten sogar befreundet und haben/hatten beruflich gemeinsam zu tun. Die Lösung wäre aus meiner Sicht ganz einfach: Liebe Vikings, bringt euren Co-Kommentator, bringt die Logos, Messages und Clips eurer Sponsoren, denn wir werden das alles in unserem Web-TV bringen. Gratis, aber nicht umsonst. Damit haben beide einen Mehrwert. Und zum Abschluss eine ehrliche Meinung zu Fans, die nicht ins Stadion gehen, weil etwas im Internet zu sehen ist: Vergesst sie! Zu 100 Prozent. Sie haben dutzende Ausreden, warum es heute grad nicht geht. Auf die ist kein Verlass.
Das (Gemeinsame) ist Sinn stiftend, denn man wird die Division 1-Teams weder in die AFL streicheln, noch prügeln können. Man kann ihnen Perspektiven geben, sie anhalten Strukturen zu schaffen und gegebenenfalls auch finanziell unterstützen müssen. Dann hat eine gewünschte AFL mit acht Teams womöglich tatsächlich eine Zukunft. Was übersehen wird ist, dass zwischen A und B mittlerweile über ein Jahrzehnt Marketingarbeit klafft. Manchmal kommt es mir so vor, als würde der Vorstand einer Fastfood-Kette in einem Beisl sitzen und den Wirten hinter den Tresen fragen, warum er eigentlich noch immer keine 40.000 Franchises aufgebaut hat. Weil er die Zwiebel immer noch selber schält!
Damit groß und klein (von weiter oben, ich schweife leider innerhalb eines Intros bereits ab) definiert ist: Groß sind nur die Vikings (Raiffeisen) und Raiders (Swarco). Schon die Giants (kein Namenssponsor) und Dragons (ebenso keiner) schnaufen nach Luft. Darunter wird die gleich noch viel dünner. Wir reden von reinem Amateursport. Von jungen Männern, die gerne den Sport ausüben und Funktionären, die ihnen das bestmöglich machen wollen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.   
Tatsächlich hat, neben Innsbruck, es keine Stadt in Österreich mehr geschafft, neben den zwei traditionellen Footballhochburgen Wien und Graz, ein bundesligataugliches Footballprogramm in den vergangenen Jahrzehnten aufzubauen. Dass das alleine die Schuld einer Seite wäre, das muss man ausschließen, freisprechen kann man aber vor allem Linz und Salzburg nicht, wenn die Rede von Einzugsgebieten ist. Da wäre wohl mehr gegangen. Dummerweise wachsen gewiefte Manager, die zufällig auch noch eine Football-Marotte zu eigen haben, nicht wie die Schwammerln aus dem Boden. Der Ärger der Raiders ihre (finanziellen) Ressourcen in Österreich nicht vollständig zur Entfaltung bringen zu können, ist ebenso verständlich, wie der Ruf der Besitzlosen nach eben dieser Nivellierung, die sie zur Zeit noch am Leben hält.
Klein, ganz groß
Um den Nicht-Freispruch in einen Mitschuldspruch umzuwandeln: Was sich in den letzten paar Jahren in der heimischen Footballszene getan hat, muss sich für so manchen altgedienten Funktionär eigentlich ein heftiger Denkanstoss gewesen sein. Seit der WM 2011 sind zehn (!) neue Vereine entstanden, die es nicht nur allesamt noch gibt, sondern die fast alle unheimliche Parallelen aufweisen: Sie haben eine Agenda, eine Struktur, eine CI, Sponsoren, Kooperationspartner in Lokalmedien, eine 1 A-Webseite, ein taugliches Homefield, sind hyperaktiv im Social Web und beim Recruiting von neuen Spielern. „Junge Leut‘ halt“ wie ein Endvierziger sagen würde. Das Problem ist nur, dass die zwar super ausschauen und auch viele sind, sportlich sind die Herren aus Mistelbach, Bruck a/d Leitha, Piesendorf, Fürstenfeld, St. Johann im Pongau, Wieselburg, Asperhofen, Müllendorf, Langenlebarn und Villach noch nicht bei der Musik dabei. Die werden aber besser und die nächsten neuen Vereine stehen schon ante portas. Es könnte also durchaus passieren, dass hier in den nächsten Jahren Wachablösen in den Bundesländern stattfinden.
Und das ist auch gut so.
Meint Ihr
Walter Reiterer
Dieser Kommentar ist ein „Outtake“ aus einer Endzone für DerStandard.at, der als Intro für den eigentlichen Beitrag zu lang und spezifisch war. Die eigentliche Endzone wird im Laufe der Osterwoche an gewohnter Stelle erscheinen.
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