Die AFL vor 20 Jahren

Kurz vor Weihnachten wurde der Spielplan der Austrian Football League 2025 veröffentlicht und er erinnert einen doch recht auffällig und wohl nicht ganz zufällig an den Spielplan vor 20 Jahren. Als ich Football-Austria 2005 ins Leben rief gab es auch sechs Mannschaften in der AFL. Quasi ein größeres Turnier. Damit der Anschein der Fairness gegenüber dem Westen gewahrt blieb, wurde die Austrian Bowl in einem Fußballstadion in Niederösterreich absolviert. Es kamen 4.000 Fans. Der ORF übertrug mal live, mal as live oder mal gar nicht. Das kam immer darauf an, was gerade im Tennis und Judo los war.

Zwei Jahrzehnte danach schaut das Ganze eigentlich genau gleich aus. Zwar hört und liest man vom Verband immer wieder von einem Football-Boom, der manifestiert sich halt weder in der Anzahl der teilnehmenden Teams, noch in der Anzahl der Spiele und schon gar nicht in der Anzahl der Zuschauer:innen, die in den letzten Jahren deutlich rückläufig war. Wir reden von der AFL, diese Untote, aber alles andere als vitale Maid des AFBÖ. Denn es sind nicht alle gleich blaß und hinkend.

Der American Football Bund Österreich hat sich frisch verliebt.

Als klar wurde, dass Flagfootball eine olympische Sportart 2028 in LA werden könnte, setzten sich bei ihm Rädchen in Bewegung, von denen man beim Tackle Football bis dahin gar nicht wusste dass es sie überhaupt gibt. Durchaus verständlich. Zum einen gehört Österreich zu den Top Nationen im Flagfootball und hat damit reale Chancen 2028 nach LA zu fliegen, zum anderen geht mit einer solchen Anerkennung, die bereits über die Bühne gegangen ist, nicht nur ein besseres Standing einher, es öffnen sich auch neue Fördertöpfe. Und von Förderungen ist der Verband kausal abhängig, denn sein Budget besteht zum überwiegenden Teil aus Geldern der öffentlichen Hand.

Ein Trend im Europa, wenn man so will. Der Schweizer American Football Verband SAFV hat eben sein Tackle Nationalteam-Programm bis auf weiteres, aber mindestens bis nach den olympischen Spielen 2028, auf Eis gelegt. Auch von anderen Verbänden hört man, dass das Tackle-Nationalteam sehr teuer und im Verhältnis zum Aufwand unattraktiv geworden sei. Eine nicht ganz unerwartete Entwicklung, da Förderungen andernorts fehlen, die durch Sponsoren wett gemacht werden müssen, die zuletzt auch nicht mehr wurden.

Stiefkind AFL

Das Problem seit der Neufokussierung scheint mir, dass das eigentliche Premium Produkt, eben die höchste Spielklasse der Herren, seit geraumer Zeit ein Stiefkind-Dasein fristet. Einmal jährlich stellt man sich mit den zehn, dann acht und nun noch sechs Teilnehmern vor die eigene Kamera, dreht ein „Es wird sehr spannend“-Video (was es dann so gut wie nie wird) und lässt den Footballgott walten. Man wird dabei das Gefühl nicht los, als hätte man das Ding ein wenig aufgegeben.

Der ORF, gerne als Medienpartner ausgelobt, zeigt mittlerweile lieber Spiele der ELF und ACSL als jene der AFL und die Zuschauer bleiben seit Ende der Pandemie den Stadien fern. Jenen der AFL. Denn die Fans sind nicht weg, sie sind nur wo anders. Die Raiders Tirol lockten über 20.000 Fans zu ihren Heimspielen der ELF, die Vienna Vikings mehr als doppelt so viele. Alleine die drei Spiele der Wiener in der Generali Arena holten 31.000 Fans ab. Die AFL Saison 2024 knackte im Vergleich erst mit dem 42. ihrer 43 Spiele die 30.000er-Marke.

Warum ist das so?

Zum einen wird die ELF von den Fans als das neue Premium Produkt wahr genommen. Das kann der AFBÖ drehen und wenden wie er will, er wurde da überholt. Eigentlich überrundet. Sie spricht Zuschauerschichten an, die schon lange nicht mehr/jetzt wieder zu Spielen gehen. Auch der Erstkontakt ist wieder da, etwas was im Rahmen der nationalen Liga nur mehr Unterhausklubs schaffen. Und NFL Fans tauchen vermehrt auf, die dem heimischen Football bisher eher skeptisch gegenüber standen.

Zum anderen ist bzw. war in den letzten Jahren das Angebot der AFL einfach überschaubar. Vorhersehbare Ergebnisse, Teams die an der Spielfähigkeit kratzen und manch Gameday aus dem vorigen Jahrtausend. So bleibt öfter nur der harte Kern erhalten, wobei zumindest die Giants und die beiden Wiener Klubs regelmäßig über 1000 Zuschauer begrüßen dürfen. Das sollte mit dem neuen Stadion in Salzburg auch den Ducks 2025 gelingen. Bleibt dann noch Prag für die AFL 2025, das allerdings weder in der ELF (Ø 638) noch in der AFL (Ø 419) massenhaft Leute anlockt. Football hat sich nicht überall gleich schnell entwickelt und Tschechien ist auch ein anderes Kaliber in Sachen Sommersport als Österreich. Der Eishockey-Weltmeister ist auch im Volleyball, Handball und Basketball unter den Top 20 der Weltrangliste und die Hallen dementsprechend gut gefüllt. Wir fahren und springen Ski.

Wo geht’s hin?

Die Spiele der AFL werden mal hier, mal dort im Netz übertragen, aber nicht nur in Sachen Technik und Übertragung, sondern auch beim Marketing, Merchandising und beim Ticketing brät jeder seine Hauswurst. Eine gemeinsame Außendarstellung gibt es nicht. Es ist keine Agenda, kein langfristiger Plan, keine Idee, kein Konzept erkennbar. Es ist quasi nichts da, von dem sich sagen lässt: Das ist die AFL 2025, das soll sie in 10 Jahren sein, weil das und das haben wir dann und dann vor. Es ist jedes Jahr ein neues Päckchen an Ideen und Einfällen, die man mal konsequent, mal weniger konsequent verfolgt. Die offene Frage ist, wohin es eigentlich noch gehen soll? Außer ohne Pads und Helm nach Los Angeles in vier Jahren.

Ein Rückblick auf den Zugang und Ausgang der letzten drei Saisonen

2022:

Pressemeldung AFBÖ:
Nach zwei Jahren der Pause ist die AFL mit nun 10 Teams wieder zurück. In zehn Runden Grunddurchgang garantieren Spiele auf Augenhöhe eine spannende und ausgeglichene Saison. Die beiden ELF-Teams aus Wien und Innsbruck stellen mit den Dacia Vikings und den Swarco Raiders Tirol zwei Mannschaften, die absolut kompetitiv sein werden.

Outcome:
Tatsächlich war der AFBÖ schon 2021 zurück. Mit seiner vorletzten 6er Liga vor 2025. Das Jahr nach Corona, gleichzeitig das Gründungsjahr der ELF und das letzte Jahr mit Vikings und Raiders in Bestbesetzung in der AFL, wäre jenes gewesen, wo die Fische nach der Butter riefen. Es ging überraschend spurlos am Verband vorüber, offenbar von der Hoffnung getragen, die ELF fährt direkt an die Mauer der damals schon schlechten Wirtschaftslage und von dort mit Totalschaden in die Box. Es kam anders.

Zur Liga 2022:
Die „absolut kompetitiven“ Raiders gewannen kein einziges Spiel, die Dragons gewannen ihre zweite Austrian Bowl. Das Zuschauerinteresse halbierte sich gegenüber der Saison 2019. Die Znojmo Knights stiegen nach der Saison aus der Liga aus.

2023:

Pressemeldung AFBÖ:
Es gab viele Bedenken im Vorfeld der 10er-Liga im vergangenen Jahr. Das hat aber voll eingeschlagen [sic!]. Neu dabei sind heuer die Styrian Bears. Das Grazer Team nimmt den Platz der Znojmo Knights ein.

Outcome:
Was immer beim AFBÖ einschlug, die AFL war es mit Sicherheit nicht. Unter den zehn bestbesuchten Footballspielen in Österreich war gerade eines der Bundesliga und das sollte sich auch 2023 nicht ändern.

Zur Liga 2023:
Viele Blowouts (26 der 50 Spiele endeten mit mehr als 3 Scores Differenz), 2 Spielabsagen, 4 Strafverifizierungen. Das Zuschauerinteresse war am historischen Tiefpunkt mit 720 Schnitt, 36.000 gesamt. Die Dragons gewannen ihre dritte Austrian Bowl. Die Styrian Bears und Steelsharks Traun stiegen nach der Saison aus der Liga aus.

2024:

Pressemeldung AFBÖ:
Die Austrian Football League 2024 verspricht jede Menge Spannung und Unvorhersehbarkeit! Spannend wird die neue Saison gerade deshalb, da gleich bei mehreren der 8 Teams gänzlich neue Gesichter zu sehen sein werden.

Outcome:
Nicht ganz unvorhersehbar war dann vor allem die erneut hohe Zahl an Blowouts, denn dass ein Teilnehmer gar nicht mithalten wird können, sagte er bereits selbst vor Saisonstart. Auszüge aus den Spielergebnissen: 83:7, 62:0, 84:0, 64:0. Prag gewann seine erste Austrian Bowl. 33.804 Zuschauer bedeuten einen erneuten Minusrekord gesamt, der Schnitt konnte aufgrund weniger Spiele leicht angehoben werden. Die Telfs Patriots und Mödling Rangers stiegen nach der Saison aus der Liga aus.

2025:

Pressemeldung AFBÖ:
Qualität statt Quantität! Frei nach diesem Motto wird die Austrian Football League in der Saison 2025, die im 40. Jubiläum der Austrian Bowl gipfelt, aus sechs kompetitiven Teams bestehen.

Outcome:
Offen

Ich musste das ja zwei Mal lesen, um es ein Mal zu glauben. Da geht man jahrelang Verbandsmitgliedern damit auf die Nerven, sie in die AFL zu drängeln, zu locken oder gar zu zwingen und am Ende sagt man ihnen, dass es ihnen einfach an Qualität mangelt und jetzt, wo sie weg sind, diese Qualität wieder hergestellt wurde. What in the world?

Baba Mödling! Baba Telfs! Hallo Qualität!

Nach vier Saisonen des Probierens reift im Verband nun die Überzeugung, das alles was man über diese Zeit geplant hatte, deshalb keinen Erfolg brachte, weil dem Vorhaben Zehnerliga, das man dogmatisch vor sich hertrug, es generell an besagter Qualität mangelt. Es gibt gar nicht genügend Teams für eine solche Expansion. Ja selbst diese 6er Liga jetzt gibt es ja nur, weil auch Prag mitspielt! Verstanden und Projekt beendet. Case closed?

Das ist schon eine erstaunliche Entwicklung mit einer extrem flachen Lernkurve und vor allem bar jeder Konsequenz. Selbst hat man nämlich offensichtlich alles richtig gemacht. Den Zuschauerschwund führt man auf die ELF zurück, die man überhaupt gerne als Schuldige für eh fast alles heranzieht, vor allem dort, wo man als Organisator der Liga unter Verdacht steht eventuell versagt zu haben. Es sind starke Gefühle involviert, auch jenes der Eifersucht blitzt hier immer wieder durch.

Warum dann dieser generelle Schwund – neben der ELF – auch die ACSL z.B. nicht betrifft? Möglich wäre: Eine dem Produkt maßgeschneiderte Vermarktungsstrategie, starke Sponsoren mit stärkerer Bindung an die Zielgruppe, griffige Medienkooperationen, keine dysfunktionalen Livestreams, keine Faschingsparade in der Außendarstellung, weniger unüberlegte Ansagen wie die erwähnten und mehr over-the-top-Content mit Qualität. Als Kurzfassung. Eine lange Version gäbe es auch.

Übrigens ist der deutsche Verband AFVD mit der GFL/GFL2 seinen Zahlen von einst wieder hart auf der Spur. Angeblich soll es ja auch in Deutschland einige ELF Teams geben, das Verhältnis ist auch dort alles andere als freundlich, Ausreden braucht man aber trotzdem keine. Die German Bowl konnte erstmals seit 2019 wieder zulegen. Highlight Games setzen Leuchttürme, die der AFL ebenfalls fehlen.

Kommen und Gehen ohne Wiederkehr

5 Teams hat die Austrian Football League alleine in der Zeit nach Corona kommen und gehen gesehen. Blickt man weiter zurück, gesellen sich zu Znojmo, Graz, Telfs, Traun und Mödling noch Amstetten (2019), Bratislava, Ljubljana (beide 2018), Hohenems (2017), Salzburg Bulls (2011) und St. Pölten (2010). In nur 5 Saisonen sind damit so viele Klubs aus der Liga verschwunden, wie sie heute in Summe Teilnehmer hat. Es ist eigentlich eine Kunst das alles Jahr für Jahr aufs neue zu versemmeln, indem man konsequent den Rahmen nicht schafft um ein Prosperieren zu ermöglichen. Lieber verhilft man großen Klubs mit haarsträubenden Regeln zu zusätzlichen Imports. Jene Großen, die tatsächlich auch mit dem zweiten Anzug fünf der ehemals neun Gegner an die Wand hauen könnten (und auch taten), die jetzt großteils lieber Division 1 als das Opfer spielen.

Ohne einer einschneidenden strukturellen Veränderung, ohne die Liga aus diesem inhaltlichen Bermuda-Dreieck zu holen, wird die Schallplatte auch die nächsten 20 Jahre hängen. Es wird dann halt noch weniger Menschen als heute interessieren und man wird weiterhin über sich selbst sagen, dass man eigentlich alles richtig gemacht hat und voller Spannung auf die AFL Saison 2045 blicken. Dieser beliebige Kurs ohne genaue (Aus)Richtung, könnte 2026 allerdings schon in einer Viererliga enden. Die Motivationslage und Dringlichkeit unbedingt AFL spielen zu müssen, die ist vielleicht noch in Wien und beim Ex-Rekordmeister in Graz gegeben. Sonst ist die Division 1 sehr einladend und eine dritte ELF Franchise aus Österreich, ist alles andere als undenkbar. Auch wenn man in Simmering daran gar nicht denken mag. (war)

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Ken
Ken
20. Dezember 2024 18:54

Sauber zusammengefasst.

VEU
VEU
23. Dezember 2024 08:46
Reply to  Ken

Grundsätzlich ist aber die Kritik an der AFL von Ihnen nicht widerlegt worden.

VEU
VEU
23. Dezember 2024 08:47
Reply to  VEU

Ach, habe dem falschen Kommentar geantwortet.Bezieht sich auf Taho.

Taho
Taho
21. Dezember 2024 04:35

Es ist nun mal ein Amateursport! Eigentlich ist nichts jener Probleme essentiell neu. Football ist mit hohen Kosten für Ausrüstung verbunden (die Jugend kann das abschrecken), sowie mit einem gewissen Verletzungsrisiko (kann frustrieren). Sobald 5-8 Stamm-Spieler den Verein verlassen (z.B. wegen Arbeit, Studium, Hochzeit, Familie), bricht nicht selten die Leistung des Vereines merkant ab (egal ob AFL oder Division 2). Das erklärt die diversen „spontanen“ Höhen und Tiefen von den Vereinen und den Ligen. Und schon wird verständlicher Weise überlegt, die Ligen anders aufzubauen, und diverse Vereine runterzustufen, sowie diverse Vereine eine Liga nach oben zu schicken… Division 1 ist… Weiterlesen »