Haben Sie schon mal etwas gefälscht? Nein? Jetzt mal ganz ehrlich. Damals nie am Schülerausweis herum gekritzelt, damit man – plötzlich 16 – die Tanzfläche beben lassen kann? Vielleicht schon mal einen Parkschein zwei Mal verwendet? Beim Weiterleiten einer E-Mail einen vielleicht nicht ganz unwesentlichen Teil ausgelassen? Nie? Na gut. Es mag vielleicht welche unter uns geben, die hier „supersauber“ sind, ganz glauben tue ich das aber niemanden.
Wenn wir Fälscher fälschen, dann hat das immer etwas Gemeinsames: Ein Motiv. Wir wollen wo rein, uns Geld sparen, besser dastehen, etwas verheimlichen. Manchmal ist es uns vielleicht gar nicht bewusst, dass wir etwas fälschen. Menschen lügen angeblich ja 200 Mal am Tag.
Ärztliche Atteste, die fälschen wir aber nicht. Weil uns einfach das Motiv fehlt. Es wäre dumm etwas zu fälschen, was man – will man es – ohne Probleme als Original bekommen kann. Das Zustandekommen eines Arztattests kann man zum formalen Akt machen. Vor allem beim Hausarzt, der ja eine Patientenakte von einem hat. Ein massives gesundheitliches Problem wird man bei so einer „Untersuchung“ auch nicht entdecken, sollte es nicht vorher schon bekannt gewesen sein. Es ist, wie erwähnt, dann eine Form und als solche eine Absicherung, dass der Spieler im Wesentlichen gesund ist. Ein bis dahin nicht entdecktes Loch am Herzen, das wird auch nach dem Attest heimlich weiter da sein. Außer der Spieler strebt selbst umfangreiche Tests an. Das ist in Österreich gängige Praxis in der Praxis.
Faul sein
Warum gehen dann erwachsene Männer her und fälschen so etwas? Es wird ja, weil die Person Kamber dabei ist, sogleich übersehen, dass er nicht der einzige war. Es waren fünf. Und womöglich ist die Dunkelziffer noch weit höher. Der Verband wird ja nicht alle Atteste, also jene von mehreren tausend Personen, einzeln überprüft haben. Eventuell macht er es nach der Erfahrung jetzt aber.
Mir sagte er, dass es pure Faulheit war. Er hat ein altes Attest hergenommen uns es einfach „aktualisiert“. Neuer Arzt, altes Attest. Kritisch wurde es, als der Verband ein Attest mit Arztnummer haben wollte. Da ging er dann nämlich tatsächlich zum Arzt und ließ sich eines machen. Nur der echte Arzt war dann halt eben auch echt und damit flog die Sache auf, weil wer war der Arzt vom alten Attest ohne Arztnummer? Den gab es nicht. Kamber hat also keinem existierenden Arzt unterstellt ihm ein Attest ausgestellt zu haben, sondern einen erfunden, den es gar nicht gibt. Und er hat es offenbar öfter als ein Mal getan. Das ist zwar immer noch völlig unverständlich und grenzenlos dumm, aber noch weit besser, als hätte er ein Attest „tatsächlich“ gefälscht. In dem Fall hätte er heute nämlich auch ein Problem mit dem Arzt und seiner Kammer.
Don Quichotte
Ich glaube ihm und den anderen die Sache mit der Faulheit aber nicht. Also nicht, dass es die alleine war. Einen Stempel herzustellen, das dauert seine Zeit. Womöglich braucht man dafür länger, als in der Mittagspause beim Hausarzt rein zu schauen. Da steckt quasi „kriminelle Energie“ dahinter. Ein Plan und die Ausführung des selbigen. Dass Kamber an sich eher ein gemütlicher Mensch ist – im Sinne von Faulheit – das weiß ich. Das harte Training war nie so sein Ding und er hatte dabei das Glück, über weit mehr Talent als manch anderer zu verfügen, was lange Zeit kompensierende Wirkung hatte.
Aber dazu kenne ich den Mann schon zu gut, um ihn zu glauben, dass er nur gerade eben faul war. Und ich glaube auch zu wissen, was sein zweites „Motiv“ dafür war.
Die Wiener, was die uns immer vorschreiben wollen!
Kamber ist ein Don Quijote des Südens und kämpft seit jeher gegen die Windmühlen der Hauptstadt. Das hat er mit vielen Kärntner, die ich zumindest kenne, gemeinsam. Auch ein Präsident meinte stets, man würde ihn diskriminieren, sekkieren, schikanieren und wenn das alles nicht, dann zumindest absichtlich ignorieren. Auf den Gedanken, dass man sich selbst auf der falschen Spur befinden könnte, auf dem kommt man in Kärnten eher selten. Ein Geisterfahrer? Hunderte! Die Wiener richten es sich, sie halten zusammen, sind eine Mafia, wollen jetzt sogar von uns aufrechten Kärntner, dass wir auf ihr Geheiß zum Arzt gehen! Nicht mit uns! Wir wehren uns! Wo auch immer sie uns ein Attest aufstellen, wir graben es in der Nacht aus und stellen es woanders hin! Was dem dann immer einfällt, dem Kamber….
Das macht das alles nicht besser. Ganz im Gegenteil, denn scheint es „Mitgliedern dieser Mafia“ dann sogar als krankhafte Manie, der man mit Ratio gar nicht mehr beikommen wird. Das Resultat daraus ist fatal. Man ignoriert es wirklich, oder macht sich sogar darüber lustig, weil eine vernünftige Reaktion unmöglich wird. Und dann dreht sich das Rad noch schneller: Jetzt lachen sie sogar über uns!
Dabei konnte man in Wien über Kamber oft gar nicht lachen. Und das hatte dann schon auch sportliche Gründe.
Besser als der Rest
Vor zehn Jahren schlug er als Quarterback mit den Falcons das Team der Vikings² in der Silverbowl. Die Wiener propagierten Jahre später den „Austrian Way“, als der in Klagenfurt schon wieder ein ganz alter Hut war. Viel Erfolg hatte man damit in der AFL damals nicht, aber zuerst reproduziert hat man es dort und eben nicht in Wien. Ist so. Auch das verlorene Spiel der B-Wikinger gegen die Gladiators damals hat schwer gesessen, zeigt es eine unangenehme Wahrheit auf, die man in der Hauptstadt gar nicht gerne hört. Bernhard Kamber hatte als Spielmacher mehr Talent im kleinen Finger, als jeder andere Quarterback in Österreich und damit auch jeder, den die Vikings jemals hervor gebracht haben. So einen hätte man gerne selbst gehabt.
Ich erinnere mich an das Tryout für den Nationalteam Quarterback vor sieben Jahren. Da lud man Kamber ein, weil man sich den Vorwurf es nicht getan zu haben, ersparen wollte. Dass er es nicht wird, gar nicht werden kann, das stand aber mehr oder weniger schon vorher fest. Shawn Olson erschien die Person Kamber als solche verdächtig, Bernhard Binstorfer wusste um dessen Talent, hielt ihn aber für nicht besonders teamfähig. Sein Erfolg als noch junger Spielmacher des alten Nationalteams war überschaubar. Noch dazu ließ er, wo wir wieder bei der Faulheit sind, einen Großteil der athletischen Tests aus, weil er „verletzt“ war.

Am Feld aber, als es darum ging aus der Pocket einen 30-Yards-Pass anzubringen, wer hat den Receivern dann aus der Distanz das Ei regelmäßig direkt zwischen die Ziffern der Brustnummer geliefert? Der Teufel selbst. Die heiligen drei Könige sahen nämlich entweder über ihre eigene Line nicht drüber, waren so nervös, dass sie den Ball vorm Wurf fallen ließen und/oder hatten generell gar nicht den Arm dafür. Es war einfach offensichtlich, dass hier einer über den anderen steht, geht es darum den Ball exakt von A nach B zu werfen. Und der eine war leider gleichzeitig das Enfant Terrible, welches nicht laufen und drücken wollte.

Wäre Bernhard Kamber nicht in Klagenfurt, sondern in Gumpendorf aufgewachsen, er wäre heute der unumstrittene Spielmacher des Nationalteams und jener der Dragons oder Vikings. Er wäre anders sozialisiert, er hätte immer trainiert, um sich zu behaupten, er wäre ein Teamplayer, weil man Einzelgänger nicht brauchen kann in dem Sport, er müsste nicht mit seinen Eigenattest-Kumpels gegen die „Wiener Mafia“ kämpfen, sondern hätte das Spiel, welches ihm an sich schon in die Wiege gelegt war, von der Pike weg gelernt.
Das ist alles nur nicht passiert. Aber es wäre passiert, wenn…
Gerechtigkeit?
Bleibt die Frage nach der Bestrafung und ihrer Höhe. Auf vier Jahre Komplettsperre – Spieler, Trainer, Funktionär – hat sich der Vorstand des AFBÖ verständigt. Kamber empfindet diese Strafe als unangemessen hoch, vor allem die Sperre als Trainer trifft ihn, will er auch seinen Sohn coachen. Nur was lehrt er ihn? Ist er geläutert? Tut es ihm wirklich leid? Sieht er seine Fehler tatsächlich ein, oder gibt er genau dieses Denken weiter? Und wenn die Wiener kommen und ein Attest sehen wollen, nimmst eine Kartoffel und das gute alte Schnitzmesser… 
Soll man jemanden der Atteste fälscht, damit als Vorbild eine Guernica darstellt, überhaupt mit Jugendlichen noch arbeiten lassen? Wäre es nicht vernünftiger, man würde allen Spielern klar machen, dass sie in ihrem eigenen Interesse eine möglichst umfangreiche Untersuchung ihres Körpers verlangen sollen, bevor sie sich auf ein Footballfeld stellen? Anstatt die eh schon als Pro Forma-Tests verrufenen Atteste noch mit einer Fälschung zu schmücken?
Ich meine ja, man sollte das tun.
Dass bei der Bestrafung die Vergangenheit des Bernhard Kamber mit eine Rolle gespielt hat, ist dabei eigentlich sekundär. Diese Vergangenheit brachte immerhin auch zu Tage, dass es noch mehr gefälschte Atteste gibt. Das war ja kein einmaliger Ausrutscher. Es geht im Wesentlichen um den Wert Gesundheit und wie man mit ihm umgeht. Und den führten die fünf Herren damit völlig ad absurdum, auch wenn sie es in ihrem Schützengraben des Kärntner Widerstandskampfes und ihrer renitenten Faulheit gar nicht bemerkt haben sollten.
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