Keine andere Division der NFL hat drei Teams mit sieben Siegen derzeit. Der regierende Superbowl-Champ ist ebenso darin zu finden, wie das Team mit der besten Bilanz der NFC. Aber trotz dieser Dominanz wenn es um das (natürlich alles entscheidende) Win-Loss-Verhältnis geht, ist nicht alles eitle Wonne im Süden der NFC. Beim Divisionsduell kommenden Sonntag haben zwei junge Teams die Chance, erstmals ein komplettes Spiel zusammenzubringen, etwas was ihnen trotz ihrer beeindruckenden records bisher nicht gelungen ist. Beide Franchises rehabilitieren sich gerade aus Jahren des Chaos, und stehen dabei aber doch merklich an unterschiedlichen Punkten auf dem Weg zurück zur Super Bowl.

Die Gastgeber Tampa Bay Buccaneers (7-4) sind das jüngste Team der NFL, und bestätigten ihre Verpflichtung zum langfristigen Aufbau diese Woche, als sie Safety Sabby Piscitelli, ein gescheiterter Versuch, der sich über vier Jahre hinwegzog, entließen um Platz für junge Aufsteiger zu schaffen. Auf ihrem Resümee stehen sieben Siege gegen Teams mit records unter .500 und vier Niederlagen gegen Teams mit positiver W-L-Bilanz (unter anderem auch gegen die Falcons). Die Bucs haben einen massive Schritt nach vorne getan, da sie angefangen haben, die nötige Disziplin und Bissigkeit an den Tag zu legen, um in der NFL auf lange Zeit kompetitiv zu sein. Letztes Jahr konnte Jungstar-QB Josh Freeman noch Siege gegen Green Bay und New Orleans vorweisen, zwei Playoffteilnehmer, aber heuer haben sie den großen Statement-Sieg noch nicht erreicht. An Freeman liegt’s nicht, er ist ein fähiger Verwalter einer an Talent nicht überschäumenden Offense, der wenig Fehler begeht und einen Riecher für Clutch-Situationen hat. Das ist immer der erste Schritt beim Wideraufbau eines desolaten Franchises, das seit der Super Bowl 2002 in Problemen schwimmt. Um ihn herum wurden heuer WR Arrelius Benn und Mike Williams, der mit 701 Yards und 6 TDs die Rookies der NFL anführt, gedrafted, was Freeman neben TE Kellen Winslow die nötigen Anspielstationen gibt, um gegnerische Defenses nicht nur den Lauf verteidigen zu lassen. Der stellt nämlich noch immer den Fokus der Bucs Offense dar, gerade auch weil sich heuer neben Cadillac Williams der von den Titans nach der Preseason entlassene LeGarrette Blount zu einem formidablen RB entwickelt hat. Ein wichtiger Grund, warum die Offense aber noch immer als unterdurchschnittlich anzusehen ist, ist die O-Line, die durch Umstellungen während der Saison sich schwer tut, Kohärenz zu erzeugen. Freeman kann mit seiner Mobilität einiges davon wettmachen, aber ohne etwas mehr Ruhen und Stabilität wird sich die Offense schwer tun, konstant gute Leistungen zu bringen. Ihr kommt allerdings zugute, dass die Atlanta Defense nicht Playoffkaliber ist. Wie Aaron Rodgers letzte Woche bewies, können mobile QBs für massive Probleme sorgen, und die Passverteidigung hat schon einmal Freeman ein schönes Spiel beschert. Einzig Blount wird sich, wie die meistens RBs heuer, schwer tun, Raum zu finden in den grundsoliden front seven der Falcons.

Falcons vs. BuccaneersRoddy White fights forward for extra yardage on the play // Falcons vs Buccaneers // 11/7/10 – Georgia Dome PHOTO: Jimmy Cribb, Atlantafalcons.com

Die Bucs Defense ist hingegen eine hungrige und mutig aufspielende Tampa 2, die ein bisschen unter der fehlende Pressure von der D-Line leidet, den Pass aber trotzdem formidabel verteidigen kann: Sie sind neunte bei erlaubtem Yards, siebte bei erlaubten QB-Rating, und 13. bei DVOA. Der dritte Pick des heurigen Drafts, DT Gerald McCoy, spielt von Spiel zu Spiel besser und registrierte letzte Woche erstmals ein double sack game. Die mittlerweile wieder groß aufspielende Falcons-O-Line wird eine harte Herausforderung für ihn darstellen. Das Linebacker-Corps gruppiert sich um MLB Barrett Ruud, auch wenn Geno Hayes und Quincy Black hier als unterschätzte Begleiter angesehen werden müssen. In der Secondary ist der aufsteigende (und hin und wieder aufreibende) Star CB Aqib Talib, der mit 6 Interceptions zweiter der Liga ist. Seine Auseinandersetzung mit den Schiedsrichtern nach dem 10-17 letzte Woche gegen Baltimore zeigt, dass er noch immer als laustarker Hitzkopf anzusehen ist, und das Franchise muss sich gut überlegen, wie man ihn dazu bringt, seine Karriere nicht durch unnötige off-the-field-Probleme zu gefährden, aber spielerisch ist er einer der CBs, die von Matt Ryan und Roddy White konstant für seine Spielintelligenz und Coverage gelobt wird. White hatte im ersten Aufeinandertreffen heuer 4 Catches für 49, und gab Talib den Credit für diese magere Performance. Wie die Defense mit einem Gameplan umgeht, der nicht nur balanciert ist, sondern auch eventuell ohne White funktioniert (siehe letzte Woche), wird eine der spannenden Fragen am Sonntag sein. Und laut DVOA sind die Bucs auch letzte der NFL in Laufverteidigung, was für eine starke Portion Turner sprechen könnte. Das neue Fragezeichen ist wie anfangs erwähnt die Safety-Position, wo der Ausfall von Rookie Cody Grimm, die Suspendierung von Tanard Jackson und Piscitellis Entlassung, für Leere sorgen. Veteran-CB Ronde Barber wird übrigens nicht Safety spielen, auch wenn die Möglichkeit unter der Woche im Raum stand. Bucs-Coach Raheem Morris will aber mit der Wahrnehmung spielen: „I’d like you to write about all those options, (…) because Atlanta has no idea who we’re going to play.“ Hauptsache, am Sonntag weiß er es.

Atlanta steht hingegen bei einem 9-2 und hat die Chance einen wichtigen Sieg im Divisionsrennen zu ergattern.

Viel Aufsehen wurde um Ryans Heimstärke gemacht, und im Umkehrschluss wurde das Auswärtsspiel der Falcons als fragwürdig angesehen. Beide Niederlagen heuer kamen auswärts, aber rückblickend bis zum letzten Dezember ist Ryan 5-2 auswärts, und ungeschlagen außerhalb von Pennsylvania: In New York schlug man die Jets, ein Playoffteam letztes Jahr und Super Bowl Kandidat heuer, in Cleveland gewann man ein uninspiriertes Spiel gegen die Browns dank eines inspirierten pick six von DE Kroy Biermann, in St. Louis schlug man die heuer heimstarken Rams, und in New Orleans den regierenden Champ Saints als erstes Team seit Beginn der letztjährigen Playoffs. Am Heinz Field in Overtime zu verlieren ist deutlich vertretbarer als die vernichtende Niederlage in Philadelphia, aber ob Tampa Bay eine explosive Offense wie die Eagles zustandebringen kann, ist fraglich. Die Falcons Defense ist gegen den Lauf heuer sehr gut: Vierte bei DVOA, sechste bei erlaubten Yards und erste bei erlaubten TDs mit nur 4 Stück. Das liegt hauptsächlich an dem Pro Bowl-Level von DT Jonathan Babineaux und dem sehr unterschätzten Spiel von MLB Curtis Lofton, der zu den fünf besten MLBs der NFC zu zählen ist. DE John Abraham hat 9 Sacks angesammelt und spielt dank etwas besserer Coverage und ausreichend Druck von Biermann wieder auf dem gewohnten Niveau seiner langen und erfolgreichen Karriere. Rookie OLB Sean Weatherspoon bringt Lebhaftigkeit und Speed in die Defense – wenn er von seiner Verletzung, die ihn 4 Spiele pausieren ließ wieder hunderprozentig fit ist. Gegen die Packers war er wieder im Lineup, allerdings nur in sub-packages. In der Secondary hat CB Brent Grimes eine Saison zwischen Himmel und Hölle. Stellenweise spielt er fast auf Darrelle Revis-Niveau von 2009 (ESPNs KC Joyner wies zur Saisonmitte darauf hin, dass Grimes zu jenem Zeitpunkt mit 4.6 erlaubten YPA ein Yard über dem Revis-Wert von 2009 und weit unter dem Liga-Benchmark von 7.0 lag), stellenweise lässt er TDs am laufenden Band zu (siehe das Spiel gegen Baltimore). Sein CB-Gegenüber, die Offseason-Verstärkung Dunta Robinson, war in der ersten Saisonhälfte eine mentale No-Go-Zone für gegnerische QBs, aber je öfter er beworfen wird, umso öfter merken Teams auch, dass er kein Shutdown-Corner ist. Josh Freeman war einer der ersten, die das heuer herausfanden, und er wird es nicht vergessen haben. Die Safeties Thomas DeCoud und William Moore sind noch nicht konsistent genug, um das gegnerische Passspiel in arge Bedrängnis zu bringen, aber Moore hat mit seinen zahlreichen Big Plays heuer bewiesen, warum er 2009 ein Zweitrundenpick war, und ist ein mitentscheidender Grund dafür, dass die Defense mit 15 Interceptions vierter der NFL ist. Jenseits der Big Plays ist die Passdefense aber anfällig: 27. bei erlaubten Yards, 21. bei erlaubten TDs, 24. bei erlaubten QB-Rating und 24. bei DVOA. Was die Defense aber als ganze etwas rehabilitiert, ist dass sie trotz dieser Mängel siebte bei erlaubten Punkten ist.

Die Atlanta Offense scheint heuer (im Gegensatz zu 2009) konsistenter zu spielen (zweitniedrigste DVOA-Varianz der Liga), und baut rund um ein immer gefährliches Laufspiel von Michael Turner (fünfter der Liga mit 974 Yards und 7 TDs, kein Fumble) eine ball control Philosophie auf, die Matt Ryan im Notfall völlig in die Hand nehmen kann. Seine No-Huddle ist oft der beste Teil des Falcons-Gameplans, sie dominieren die Time of Possession (erster der NFL), ermüden die Defense und produzierten den letzten Turnover in Woche 7. Der +11 Turnovermargin der Falcons ist der zweitbeste Wert der Liga. WR Roddy White hat eine fantastische Saison und zukünftiger Hall of Fame-TE Tony Gonzalez dominiert die Spiele, wo die Defense White mit double und triple coverage im Zaum hält, was für Sonntag zentral werden könnte: Die Bucs haben schon bewiesen, dass sie mit Talib gegnerische #1 WRs stoppen können, auch White. (Gegen TEs sind sie allerdings nur 16. bei DVOA.) Ryan warf in den letzten 5 Spielen 10 TDs und nur eine INT für ein 105.1 QB-Rating, und wurde für seine Leistung im November (vier Siege gegen Teams mit einem combined record von 27-17) zum NFC Offensive Player of the Month erkoren. Er perfektioniert heuer auch einen one-minute-drill, der schon die Ravens- und die Packers-Defense, nicht die schlechtesten der NFL, ratlos zurückließ. Dank der Balance im Playcalling, guter 3rd Down Conversion (zweiter der NFL mit 48%), langen Drives und fehlerfreiem Spiel schlägt die Falcons Offense Gegner mit Effizienz statt Volumen, was einer der Gründe ist, warum sie nie „flashy“, dafür aber öfter „methodical“ genannt werden wird.

Die Special Teams spielten bei ersten Aufeinandertreffen der beiden Teams eine entscheidende Rolle, da sie Tampa Bay erlaubten im Spiel zu bleiben, aber die Falcons haben seither hier Fortschritte gemacht, wie das Spiel gegen die Packers und der erste Platz der Liga bei gegnerischer Feldposition zu Beginn von Drives deutlich zeigt. Zusammen mit den wenigsten Penalties (42) und Fumbles (6) der Liga sind alles in allem sind die Falcons hier also zu favorisieren, trotz dem Heimrecht der Bucs, aber in einem Divisionsduell – erst Recht heuer – ist alles möglich. Die Falcons werden versuchen, einen Schritt vor den Saints und auf dem Weg zu dome field advantage zu bleiben, und sind in der langfristigen Entwicklung wohl etwa eineinhalb Jahre den Bucs voraus. Und die Bucs werden versuchen, jenen ersten großen Sieg heuer zu erreichen, der auch für die NFC South der Zukunft Signalwirkung haben könnte.

NFL Sunday Night

Tampa Bay Buccaneers vs. Atlanta Falcons
05. Dezember 10 | 22:15/ab 00:05 auf PULS 4
Raymond James Stadium | Tampa/FL
Kommentatoren: Daniel Fettner & Hany Razi

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