Woche 6 wird vielleicht in Erinnerung bleiben, als jene Woche, die das Fass zum überlaufen brachte. Das Fass ist hierbei die immer stärker werdende Ahnung, dass die NFL nicht genug Mittel gesetzt hat, um den Spielern klar zu machen, dass Football und CTE nicht in einer Korrelation stehen sollten. Die Ahnung, dass harte Hits und Gehirnerschütterungen lebensverändernde Folgen haben können.

Falcons CB Dunta Robinson und Eagles WR DeSean Jackson lagen nach einer brutalen, aber beinahe legalen Kollision beide minutenlang am Feld, bevor sie wieder aufstehen konnten. Beide hatten Gehirnerschütterungen und dürften nächste Woche fehlen. Steelers LB James Harrison, der meinte, er spiele, um Gegnern weh zu tun, nicht um sie zu verletzen, nahm gleich zwei Browns Spieler aus dem Spiel. Ravens TE Todd Heap wurde von Brandon Meriweather schwindlig getackelt. Und auch Broncos WR Brandon Lloyd wurde von Jets Safety Jim Leonhard mit einem helmet-to-helmet zu Boden gebracht.

Die NFL sagt jetzt, das reicht. 15 Yards und Geldstrafen scheinen nicht die gewünschte abschreckende Wirkung zu haben. Dass ein Spieler wegen einem heftigen Hit vom Spiel ausgeschlossen wird, was laut Regelwerk absolut möglich ist, sieht man heutzutage geradezu nie. Jetzt sollen die Konsequenzen rigide angehoben werden: Morgen werden Suspensions-Strafen für brutale Tackles angekündigt werden. Die neue Regel tritt ab sofort in Kraft.

Ob es sich hier um ein ‚Too Little, Too Late‘ handelt, wird sich wohl erst zeigen. Die NFL hat lange Zeit eine mediale Kultur gefördert, in der harte Hits zelebriert statt bestraft werden. ‚Physical Football‘ ist das Schlagwort, mit dem so manche gefährlichen Spielzüge erklärt wurden. Aber es ist bei weitem nicht so, dass das Thema erst seit dieser Woche aktuell ist. Ich möchte hierbei auf zwei bereits ältere Artikel hinweisen, die nicht nur zeigen, dass es einen Gegendiskurs zum grölenden Bejubeln der harten Schläge gibt, sondern auch, dass besgter Diskurs der NFL voraus war. Was die Frage aufwirft, ob die NFL wirklich nur gehofft hat, dass sich das Thema mit ein paar Lippenbekenntnissen unter den Teppich kehren lässt.

Chris Henry, der letztes Jahr bei einem Unfall verstorbene WR der Bengals, wurde 26 Jahre alt, und in seinem Gehirn fand man dieselben Anzeichen des durch regelmäßige Stöße kumulativ aufgebauten Gehirnschadens CTE, den man ansonsten bei langjährigen NFL-Veteranen und Boxern – lange nach ihrem Karriereende – aufgefunden hatte. CTE (auch Dementia Pugilistica oder chronisch traumatische Enzephalopathie genannt) sieht oft wie das schwieriger zu erklärende Alzheimer aus, ist aber klar auf wiederholte Stöße auf den Kopf zurückzuführen. Henry war der erste Hinweis, dass das Problem der NFL tiefer sitzt als es viele vermuteten, und ESPNs Tim Keown schrieb im Juni: ‚Yes, football has an image problem. The NFL has an image problem. But forget Michael Vick and his associations. Forget Vince Young and his willingness to fight to keep Hook ‚em Horns in their upright and locked position. Those are tangential to the game. The Henry findings are intrinsic to it.” Henry war der erste Spieler, beim dem CTE diagnostiziert wurde, als er noch aktiv war. Aus war die Rede von problematischen Effekten im späteren Leben. CTE wirkt schneller als vermutet und betrifft wohl alle Ebenen des Tackle-Footballs.

Keown wies dabei auch zurecht auf das Problem hin, dass die NFL als Vorbildorganisation vielleicht die Mittel hat, die nötige Forschung voranzutreiben, dass aber auf College- und High School-Niveau noch lange nicht die nötige Sensibilität herrscht. Noch dieses Jahr wurde auf nfl.com so mancher brutaler Hit sensationalistisch angepriesen, das Imageproblem besteht unverändert. Auch unverändert ist die Entwicklung, dass die Spieler schneller, größer und kräftiger werden – was man von ihren Schädeldecken nicht sagen kann. Je härter das Spiel durch diese Faktoren wird, umso wichtiger ist es, im Regelwerk entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen. Die Regeln zum Schutz eines Defenseless Receivers und der Quarterbacks, sowie die Abschaffung der Wedge beim Kickoffreturn sind hierzu ein wichtiger Schritt gewesen. Aber die Frage, ob es reicht, stellt sich trotzdem.

Und umgehen wir mal Keowns Rat und erinnern uns an Michael Vick. Der New Yorker hatte im Oktober letzten Jahres einen atemberaubenden Artikel über Football und Gehirnschäden, der die gewagte Analogie zum Dogfighting auf die Spitze trieb: ‚I was not aware of dogfighting and the terrible things that happen around dogfighting,” [NFL Commissioner Roger] Goodell said, explaining why he responded so sternly in the Vick case. One wonders whether, had he spent as much time talking to Kyle Turley as he did to Michael Vick, he’d start to have similar doubts about his own sport.” Allein Turleys Geschichte macht den Artikel lesenswert.

Auch sollte man vielleicht darauf hinweisen, dass sogar jetzt die Berichterstattung über die Hits sich primär um Gehirnerschütterungen dreht, nicht um den kumulativen Effekt, den all die kleinen Hits, die keine Gehirnerschütterung hervorrufen, erzeugen: ‚Much of the attention in the football world, in the past few years, has been on concussions—on diagnosing, managing, and preventing them—and on figuring out how many concussions a player can have before he should call it quits. But a football player’s real issue isn’t simply with repetitive concussive trauma. It is, as the concussion specialist Robert Cantu argues, with repetitive subconcussive trauma. It’s not just the handful of big hits that matter. It’s lots of little hits, too.” Gerade wenn man bedenkt, dass Jay Cutler letzte Woche aus welchen Gründen auch immer seine bisherigen fünf Gehirnerschütterungen geleugnet hat, diese Zahlenspielchen mit Gehirnerschütterungen also noch immer betrieben werden, ist diese Mahnung relevanter denn je.

Die NFL setzt mit der neuen Regelung einen richtigen Schritt. Er ist zumindest besser als alle Rufe nach einer technologischen Lösung, wie es in Amerika sonst üblich wäre (z.B. einem Wunsch nach besseren Helmen). Aber die neue Regelung muss nicht nur vollstreckt werden, sie muss effektiv und intrinsisch in die Köpfe der derzeitigen und zukünftigen Spieler. Nur so wird sich Keows Dystopie, die er sich vom Boxen entlehnt, verhindern lassen: ‚Boxing is an easy comparison. Once it became obvious that boxers chipped away at their cognitive abilities with every sparring session, boxing became a less attractive activity. In turn, the sport became dominated by dead-enders — poor kids who find direction and discipline in the sport. Boxing is often termed a guilty pleasure, but that’s just a fancy way for educated people to say they enjoy watching members of the expendable class beat each other up for the entertainment value.”

Ob Commissioner, Owner, Trainer oder Spieler: Den Absatz sollte man sich mal in Ruhe durchlesen, und sich fragen, ob Football in diese Richtung weitergehen sollte.

NFL Week 5 Ergebnisse
Washington Redskins Indianapolis Colts  24 : 27
Pittsburgh Steelers Cleveland Browns  28 : 10
St. Louis Rams San Diego Chargers  20 : 17
Houston Texans Kansas City Chiefs  35 : 31
New England Patriots Baltimore Ravens  23 : 20
Philadelphia Eagles Atlanta Falcons  31 : 17
New York Giants Detroit Lions  28 : 20
Chicago Bears Seattle Seahawks  20 : 23
Green Bay Packers Miami Dolphins  20 : 23
Tampa Bay Buccaneers New Orleans Saints  6 : 31
San Francisco 49ers Oakland Raiders  17 : 9
Denver Broncos New York Jets  20 : 24
Minnesota Vikings Dallas Cowboys  24 : 21
Jacksonville Jaguars Tennessee Titans  3 : 30
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