Endspiele werden entschieden durch Faktoren wir Können, Wollen, Nerven und Glück. Auch Heimrecht und Tagesverfassung sind im Mix. Nimmt man das alles in Betracht, so kann man für die Austrian Bowl die Favoritenrolle nur dem Fragezeichen zuweisen.
Es treffen mit den Swarco Raiders (4-2) und den Danube Dragons (5-1) die beiden besten Teams des Grunddurchgangs aufeinander, die beiden besten Passing Offenses, die beiden besten Defenses und die beiden komplettesten Teams an. Beide mussten in den Playoffs beweisen, dass sie auch unter enormen Druck über sich hinauswachsen können, und beide haben eine regular season hinter sich, die sie klar als würdige Titelanwärter etabliert hat.
Die Raiders gehen hierbei aus einer etwas ungewohnten Position (zweiter des Grunddruchgangs) ins Rennen, verlor man doch das wenig bedeutsame letzte Spiel der regular season zu Hause gegen die Giants – nur um sich prompt im Playoffkrimi zu rächen und in der zweiten Overtime mit einem defensiven Big Play den Einzug ins Finale zu erzwingen. Head Coach Santos Carrillo spürt die veränderte Ausganglage genau: Nicht dezidierter Favorit zu sein nehme den Raiders den Druck. Sie können vor heimischem Publikum locker aufspielen und werden nicht zu zaubern versuchen. Auf die Frage, ob sie am Freitag etwas Neues ausprobieren werden, um die Dragons am falschen Fuß zu erwischen, meint Carrillo, dass das nicht nötig ist: ‚As always, we’ll rely on our offense to win the game.‘ Was bei Leon Jackson III und Tory Cooper nicht verwunderlich ist: Beide sind in der AFL Top Ten was Total Offense Yards anbelangt. Die Raiders bauen auf bekannte Stärken und gehen die Austrian Bowl wie any other game an.
They played like it was the Superbowl!
Carrillo hat aber auch enormen Respekt vor Dragons QB Eric Marty: Höchstens einschränken wollen sie ihn, einen spezifisch auf ihn abgestimmten defensiven Gameplan wird’s nicht geben. Leicht resignativer Unterton? Vielleicht, auch in Anbetracht der Tatsache, dass Marty für die andere Raiders-Niederlage in der AFL heuer mitverantwortlich war: Im Rattenfängerstadion besiegten die Dragons die Raiders in einem Krimi 33:28 – dank Martys sicherem Spiel und einer Defense, die plötzlich aus dem Schatten der üblich guten Offense trat. In jenem Spiel wurden die Dragons als heißer Titelanwärter geboren, und Carrillo ist sich der damaligen Leistung seiner Gegner bewusst: ‚They played like it was the Superbowl!‘
Die Dragons haben im folgenden Verlauf der Saison bewiesen, dass das keine Eintagsfliege war. Zwei Heimsiege gegen die Vikings später stehen sie in der Austrian Bowl als bestes Team des Grunddurchgangs. Head Coach Ivan Zivko will aber nichts von einer Favoritenrolle wissen, denn: ‚Wir spielen auswärts, in ihrer comfort zone.‘ Außerdem sind im Gegensatz zu den Raiders, wo der Kader zu komplett fit ist, bei den Dragons etliche Leistungsträger ’sehr fraglich‘ bis ’nicht hundertprozentig fit‘: Nationalteam RB Andrej Kliman ging im Playoff gegen die Vikings im dritten Viertel aus dem Spiel, WR Jason Horton ist angeschlagen und WR Pasha Asiladab hat schon gegen die Vikings eine reduzierte Rolle gespielt. Dass die deswegen erfolgte Rotation auf WR gegen den Vikings für kreative mismatches und leichte Verwirrung sorgte, wird sich am Freitag aber nicht wiederholen: ‚Die Raiders Defense ist viel schwieriger auszurechnen.‘
Love sicherte Finaleinzug
Für die Dragons bewies das Playoff, dass sie trotz derartiger Verletzungsprobleme genug Depth haben, um in Big Games bestehen zu können. Die Raiders haben im Overtime-Krimi gegen die Giants ihre knappe EFL-Halbfinal-Niederlage gegen die späteren Eurobowl-Champs Berlin Adler überwunden. Waren damals noch die Special Teams ein Problem, hat ein von Marquay Love geblockter PAT gegen die Giants erst die Overtime ermöglicht. Carrillo weist darauf hin, dass gerade die jungen Leute durch derartige clutch Situationen extrem viel dazulernen, und dass in einem low scoring game (was bei den beiden Top Defenses der Liga nicht unwahrscheinlich ist) die Special Teams absolut ausschlaggebend sein könnten.
Die Dragons haben zuletzt bei den Special Teams leichte Probleme gehabt, und mit Kliman und Horton sind beide Returner fraglich bzw. angeschlagen. Sie werden sich stattdessen darauf konzentrieren die Raiders Offense, und da vor allem den Lauf zu stoppen – eine Strategie, die schon in der ersten Begegnung und den beiden Siegen gegen die Vikings gefruchtet hat. Aufgehen tut sie natürlich nur, weil die Dragons Secondary heuer plötzlich zur besten der Liga mutiert ist, was erlaubte Yards anbelangt. Auch Leon Jackson III musste gegen die Dragons zusehen, wie seine completion percentage von den üblichen 68 Prozent auf knapp 50 fiel. Eine konsolidierte Defense, die, dessen ist sich Zivko bewusst, noch nicht voll ihre Playmaking-Fähigkeiten entfaltet hat (eine INT in der ganzen AFL-Saison), ist der erste Schritt zu einer Scoring Defense down the road. In der Austrian Bowl wird es vielleicht an eben dieser Defense liegen, das Spiel für die Korneuburger zu entscheiden.
Als Fazit bleibt uns also nur zwei absolut hervorragende Teams zu konstatieren, die auf dem Papier für eine spannende und ausgeglichene Austrian Bowl sorgen werden. Für die Raiders ist der Druck eines Endspiels Gewohnheit, weshalb sie sich wohl derartig darüber freuen, dass sie nicht als Tabellenerster am Freitag einlaufen. Für die Dragons ist ein derartiges Big Game ein Novum dieser Generation: Ihre Saison ist jetzt schon geschichtsträchtig für sie. Ob sie dem Druck gewachsen sind, und das i-Tüpfelchen draufsetzen können? Oder werden sie nervös werden und das eigene Märchen dadurch ruinieren? Wie sehr wollen die Raiders eine Wiederholung von 2007 verhindern, als sie das letzte Mal keinen Titel geholt haben? Und wie sehr dürsten sie nach einer Revanche für die Niederlage im Rattenfänger? Und wer von den beiden wird zu viel oder nicht genug Respekt vor dem anderen zeigen?
Im Rattenfängerstadion besiegten die Dragons die Raiders in einem Krimi 33:28 – dank Martys sicherem Spiel und einer Defense, die plötzlich aus dem Schatten der üblich guten Offense trat. (Foto: Kratky)
Irgendwo zwischen Superbowl und yet another game liegt sie also, die Austrian Bowl. Wer cool bleiben und dabei gleichzeitig über sich hinauswachsen kann, wird wohl als Gewinner vom Feld gehen. Und als Zuseher hat man bei dem Matchup ja so oder so schon gewonnen.
Marko Markovic ist Redakteur bei Football-Austria.
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AUSTRIAN BOWL XXVI
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1.QT
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2.QT
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3.QT
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4.QT
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TOTAL
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DRA vs. RAI
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7:0
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7:7
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6:7
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8:7
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28:21
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09. Juli 10 | 19:00 | |||||
Tivoli | Innsbruck |
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