Auch bei Footballmatches wird gescannt, gefilzt und kontrolliert. Womit man dort nicht gerechnet hat? Mit einem Football-Austria.com Reporter der das ganz genau wissen wollte. Wir bekamen von der NFL keine Presseakkreditierung, aber sogenannte "Produzenten Karten", sprich Tickets der besten Kategorie an der Mittellinie zum halben Preis abgeboten mit Foto- u. Filmerlaubnis (die eh jeder hat). Ein echter Journalist lehnt solche Abspeisungen der billigen Art natürlich brüsk ab und versucht es vor Ort auf eigene Faust. Was ich Ihnen jetzt erzähle, sollten Sie nicht versuchen nachzumachen, denn die Wahrscheinlichkeit, daß sie damit in Schwierigkeiten geraten ist relativ hoch.
Für 30 Dollar all inclusive?
Wie alle Anderen in der Reisegruppe hatte ich 30 Dollar Karten im siebenten Stock, also noch knapp unter der Wolkengrenze. Um das angepeilte Ziel, eigentlich waren es zwei Ziele, zu erreichen, nämlich die Sideline und in Folge den VIP Bereich, muß man drei, bzw. vier Sicherheitsposten passieren. Die "Kampfausrüstung" für die "Operation Hautnah": Eine digitale Spiegelreflexkamera samt voll ausgefahrenem Objektiv (der Phallus Faktor), eine digitale Videokamera in der Rechten, ein Clipboard unter der Achsel; Gesichtsausdruck: leicht abwesend, weil sehr beschäftigt, daher irgendwie wichtig. Um den Hals ein Keyholder von ESPN mit VIP Karten der Vikings, Blue Devils, sowie der Gartenbaumesse, die IKEA Family Card, eine Mitgliedskarte der Videocompany Wien Margareten, so wie ein echter Presseausweis. Merke: je mehr Wichtigkeitsplastik um den Hals desto besser, weil die Securitys zwar ihre Arbeit verrichten müssen, aber bei Gott niemanden der wirklich wichtig ist nerven wollen. Am besten man tut so als sei man Brad Pitt, Larry King und Jon Bon Jovi in Personalunion. Nachdem das Gesicht eines Österreichers den Leuten eh nicht bekannt ist, kann es zum Vorteil des Eindringlings werden, daß sich der- oder diejenige am Durchgang denkt: Woher kenn ich den bloß? Der ist wichtig, den frag ich besser gar nicht wie wichtig er ist! Das funktioniert öfter als man das glaubt.
Spies like us
Die Reise beginnt mal mit einer genauen Inspektion der Umgebung. Das Auskundschaften der Gegebenheiten ist das Wichtigste überhaupt. Erst wenn man weiß wer, wo, warum steht und was er/sie beim Zutritt genau wissen oder haben will, kann man in Aktion treten. Bereitet man sich nicht gewissenhaft vor, ist das Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Erstmal als Fälschung enttarnt ist man unten durch, bzw.: eben unten draußen. Also Eile mit Weile.
Das Reliant Stadion ist für ein solches Unterfangen eigentlich ideal. Zwar steht beim Eingang der ersten vier Stockwerke überall Security herum, aber ab dem fünften Stock kann man gehen wohin man will. Offensichtlich ist es den Betreibern egal ob die Leute ganz oben während des Matches zwei Stockwerke darunter einen Sitzplatz suchen und finden. Was sie dabei übersehen haben ist der Lift. In diesem befindet sich zwar auch eine Aufpasserin, aber wenn man abwartet bis einmal 15 Leute gleichzeitig in den Lift einsteigen, ist es der Dame schlicht zu blöd jeden Einzelnen nach seiner Karte und Zugangsberechtigung zu fragen, zudem sie die Hälfte die in den ersten Stock fahren will eh kennt (resident VIPs) und der Typ mitten unter ihnen (stehen Sie niemals am Rand einer Gruppe!), der sich geschwätzig mit den anderen unterhält (überlegen Sie sich das Gesprächsthema vorher!) irgendwie dazugehören muß, denn er hat eben zwei Kameras, ein Clipboard und jede Menge VIP-Karten um den Hals hängen. Tarnen und Täuschen. Das ist der Einser Schmäh – so zu tun als ob man dazu gehört. Der Zweier folgt noch. Also sind wir bereits im ersten Stock, direkt dort wo man uns eigentlich um den halben Preis hinsetzen wollte, ohne auch nur gefragt worden zu sein wer wir eigentlich sind und was wir hier verloren haben.

Jetzt wird es ein wenig komplizierter, denn wieder ist Recherche gefragt. Dabei muß man aber auch immer die Spieluhr im Auge behalten, denn zu lange Spionage ist des Unterfangens Tod. Was hilft es einem an der Sideline zu stehen, wenn das Match seit einer viertel Stunde aus ist? Also muß es rasch gehen. Vom Foyer des ersten Stocks aus bis zu einem Sitzplatz in der ersten Reihe gibt es zwei Hindernisse. 1.) Den Billeteur 2.) Den Sitzplatz selbst, denn der muß erst gefunden werden. Also stellen wir uns zunächst abseits des Zugangs zum Sektor hin, die vorgeschriebenen 5 Yards Abstand zum Geländer haltend (fallen Sie niemals durch Undiszipliniertheit auf – Sie gehören schließlich dazu und kennen die Regeln!) und halten Ausschau nach freien Sitzplätzen. Am besten man sucht sich 2-3 freie Plätze aus falls vorhanden. Sollte einer mehr als 5 Minuten frei bleiben, kann man davon ausgehen, daß der entweder frei, oder frei geworden ist, denn viel länger braucht niemand für einen Gang auf die kleine Seite. Sicherheitshalber kann man weitere 5 Minuten verstreichen lassen, falls der echte Besitzer um ein Getränk angestanden wäre. Keinesfalls darf man so was kurz vor, nach oder zur Halbzeitpause machen. Mitte drittes Viertel ist da grad ideal. Enttäuschte VIPs sind bereits abgedüst. Den Sitzplatz merkt man sich – in meinem Fall Reihe 1, Sitz 4 rechts an der Mittellinie. Jetzt noch der Billeteur. Billeteure sind wie Luft zu behandeln. Sie fragen nur Orientierungslose und Dummdreinschauende was sie suchen. Man nimmt das Mobiltelefon in die Linke (die Videokamera in der Rechten und das Clipboard unter der Achsel kommt weg, denn Journalisten spazieren nicht bei normalen Sitzplatzreihen herum) und geht zielsicher auf den Sektor zu. Genau auf Höhe des Billeteurs spricht man in das Handy den folgenden Satz: "I’m here sugar, where are you?, uh – I can see ya, babe!" (jetzt Richtung Beute Sitzplatz völlig verliebt winken!). Nur von der CIA selbst ausgebildete Sicherheitsbeamte werden es wagen Sie kurz vor der Vereinigung mit der Liebsten / dem Liebsten nach ihrer Karte zu fragen. Die von der NFL lachen sie nur entzückt an, was Sie wiederum mit einem zufriedenen Lächeln quittieren, denn immerhin haben sie gerade ihre Liebe in einem 70.000er Stadion gefunden und Ihnen steht der Zungenkuss des Tages bevor. Schauen Sie als Mann einfach dämlich und als Frau wissend drein. Das wirkt immer. So haben wir den Billeteur passiert. Aber nur vermeintlich, denn dieser Zweier Schmäh (der Dreier folgt noch) wird manchmal nachkontrolliert, wobei die Kontrolle rein auf der Neugier des Billeteurs basiert (wer ist die/der Angehimmelte von dem/der der/die grad an mir vorüber schritt?). So dreht man sich auf halber Strecke (noch auf der Stiege) um und tut so als suche man noch jemanden im Stadion. In Wahrheit schaut man nur auf den Billeteur, ob dieser bereits mit anderen Zuschauern beschäftigt ist, oder einem nachschaut. In meinem Fall blickte mir der Herr leider gierig nach (wer ist seine Freundin?) und so mußte ich den 2 a) Schmäh auspacken. Der geht so: Auf Platz 5 saß zu meinem Glück eine Dame in meinem Alter. Ich zog meine (echte) Eintrittskarte heraus, nahm Platz auf Sitz 4, ließ die Karte auf den Boden fallen, legte unbemerkt von der Lady meine Hand um ihren Sitz und sagte in ihr Ohr: "I think you’ve lost your ticket, Madam." Die hebt (meine) Karte auf und bedankt sich mit einem herzlichen Lachen. The eagle has landed – der Billeteur schaut nicht mehr her.
Fast am Ziel
Der Reporter sitzt nun mit seiner 30 Dollar Karte aus dem siebenten Stock in der ersten Reihe des Stadions neben Claire (der ab jetzt meine Karte gehört) und ihrer Freundin Judy, so wie Tom, dem Freund von Claire, der sich als größtes Hindernis (und nicht einkalkulierter Risikofaktor) des Unternehmens herausstellen sollte. Denn ab jetzt wird es wirklich "kriminell". Bis dahin hat der Football-Austria.com Reporter es mit Kniffen und Tricks geschafft ins Innere der NFL vorzudringen, ab der ersten Reihe bekommt man es nicht mehr mit Menschen und ihren Schwächen zu tun, sondern mit baulichen Barrieren. Zwar ist diese im Reliant Stadion relativ unproblematisch zu überwinden (ein Sprung über nicht mal einen Meter und man ist am Feld), aber 1.) weiß man ab nun, daß man etwas schwer Illegales tut (es gibt nur mehr schlechte Ausreden) und 2.) wird man dabei beobachtet. Von allen Seiten.
High Risk Procedure
Auf der einen, der seinen Seite, sitzt das Publikum, auf der anderen in meinem Sektor stehen zwei Polizisten die Richtung Publikum blicken. An dieser Stelle darf ich Domanick Davis für seinen Touchdown im dritten Viertel danken, denn auch texanische Sicherheitsbeamte haben eine Schwachstelle. Bei einem Touchdown der Texans können sie dem Drang sich umzudrehen nicht widerstehen (passiert ja nicht so oft) und ihre Aufmerksamkeit gilt für 10 Sekunden zur Gänze dem Feld. Dies ist der Moment wo man die letzte Barriere überwinden muß. Gesagt – getan, nur leider veranlaßt das Tom wie ein Frettchen zu quietschen – von wegen der Typ da wäre über die Mauer gesprungen, sicher ein Stalker, wenn nicht gar ein Kollaborateur, oder, noch viel schlimmer, ein Terrorist. Jetzt braucht man zum ersten Mal die Plastikkarten am Hals um vorerst mal Tom in den Griff zu bekommen. Man läuft nicht davon (niemals laufen, man hat gar keinen Grund dazu!), sondern dreht sich um, zeigt Tom die IKEA Family Card und beruhigt ihn mit den Worten "Houston Chronicle, Sir. It’s allright!" Tom beruhigt sich zwar, hat aber die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich gezogen mit seinem hysterischen Geschrei. Zum Glück befragen die mich zuerst. Tom ist nur ein Hascherl aus Kansas der sich aufregt über den Touchdown. Man glaubt mir und damit bin ich de facto akkreditiert. Jetzt muß alles schnell gehen. Fotos schießen, Videos aufnehmen und wo ist die VIP Area am Feld?
Der letzte Schritt
Rechts neben den Locker Room Zugängen steht ein weiterer Security Mann. Nein, man geht nicht hin und fragt ob man rein darf, denn logischer Weise darf man das wenn man schon am Feld herumsteht. So geht man die Sache ganz anders an. Möglichst unauffällig geht man beim Eingang vorbei und schaut dem Mann mal aufs Jackett. Da steht "Jeff Conelly, VIP SEC 0/1". Hier sind wir richtig! Der nächste Schritt ist so simpel wie effektiv – es ist der sogenannte Dreier-Schmäh. Man nimmt eine Speicherkarte in die Hand (Videokamera und Clipboard werden ebenfalls wieder eingesetzt), geht auf Mr. Jeff Conelly zu, passiert ihn aber nicht (der kontrolliert ganz sicher ihre Karte), sondern bleibt vor ihm stehen und fragt "Sir, do you know if Brad Sorensen is in the VIP Lounge, cause he wanted the shots from the 2nd Quarter to upload them?" Mister Conelly wird den Teufel tun für Sie nachzufragen ob der Sorensen im VIP Raum ist – er schickt sie einfach selber rein um das in Erfahrung zu bringen! Das Spiel ist aus – Football-Austria.com hat gewonnen. Ich stehe im VIP Raum der Houston Texans und bin enttäuscht. Ein 100m² Kammerl, das Essen besteht aus Curly Fries, lauwarmen Sea Food und Gummi Burgern, dafür sieht man nicht nur direkt aufs Feld, sondern hat auch noch 4 HD Screens zur Verfügung wo Replays angeboten werden die nicht mal im TV rennen. Also verharre ich dort Mal und lege meine Kamera zur Seite, denn fotografieren ist hier verboten. Ich freunde mich mit dem Kameramann einer lokalen TV-Station an, der privat beim Match ist, beklage mit ihm gemeinsam das schlechte Catering, so der mit verrät, daß das Buffet hier kein Vergleich ist zu jenem im dritten Stock ist. Im 3. Stock? Ich bin hier falsch!
Auf 3!
Die VIP Area dort zu finden war nicht mehr ganz so einfach, da wirklich gut hinter Zwischenwänden versteckt. Eine Recherche unmöglich, da man ja kein VIP mehr ist wenn man nachfragt und nicht weiß wo die daheim sind. Also outet man sich gegenüber jemanden der in der Hierarchie möglichst weit unten steht, wie z.B. der Popcorn Verkäuferin, als Orientierungsloser. Die Dame zeigte mir dann den Eingang und der Rest war ein Kinderspiel. Selber schuld, sag ich nur. Der Mann beim Eingang – ein schwarzer Henker, gut 2 Meter lang und 130 Kilo schwer hatte zwei Probleme: Er kannte Jeff Conelly aus dem Erdgeschoß und ich auch! "Jeff Conelly sent me to bring the shots of the third quarter to Brad Sorensen .- he’s in there, sir, isn’t he?" So stand ich in der zweiten VIP Area des Reliant Stadions, dieses Mal mit vollem Programm. Skybox mit Blick über das ganze Stadion, Gambas auf Knoblauch, diversen Steak Specials vom BBQ, Margaritas und Hostessen, denen man tatsächlich einreden konnte ein weitschichtiger Verwandter von Arnold Schwarzenegger zu sein.
Im Falle, daß man erwischt wird, ist die beste Ausrede die, daß man von nichts weiß und keine Ahnung hat. Immerhin ist man ja unbehelligt dorthin gekommen, wo man eben ist und man konnte nicht wissen (hab’s nicht bemerkt!), daß es sich um einen abgesperrten Bereich handelt. Man entschuldig sich höflich und mit Nachdruck. Bedenken Sie aber stets, daß das unautorisierte Betreten eines Spielfelds nicht nur einen Verstoß gegen die Hausordnung darstellt, sondern auch gegen so manches Gesetz verstößt. Es ist möglich, daß sie dafür nicht nur des Stadions verwiesen werden, sondern auch mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben. No risk – no fun, sehen Sie es daher immer sportlich. 12 Stunden in einer Zelle sind auch eine Geschichte.
Fazit
Eigentlich doch überraschend, daß man mit relativ einfachen Mitteln so weit kommen kann in einem NFL Stadion, denn wäre ich nicht vom Sportsgeist, sondern von niedrigeren Motiven geleitet worden, dann hätte sich im meinem "Waffenarsenal" auch Omas Tupper Ware befunden und was das bedeutet, erzählt ihnen am besten Alfred Neugebauer

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