20 Tage vor dem Eröffnungsspiel in Wolfsberg (12. August 07, 19.00 Uhr) laufen die Vorbereitungen beim Team Austria auf Hochtouren. Ein Gespräch mit Österreichs Teamchef Bernhard Binstorfer.

Das Nationalteam hat sich zum Ziel gesetzt die EM im eigenen Land klar zu gewinnen. Sehen Sie potentielle Stolpersteine auf dem Weg dahin?
Bernhard Binstorfer: Nur wir selbst können uns ein Bein stellen. Die größte Gefahr sehe ich in unserer Favoritenrolle, die wir aber auf Grund unserer Stärke annehmen müssen. Wie schwer es ist, aus einer solchen heraus zu spielen, hat man heuer bei einigen Spielen in der Meisterschaft und auch auf europäischer Ebene gesehen. Es wird kein Spaziergang für uns.

Einige Teams haben "vehementen Widerstand" angekündigt und nicht vor sich einfach überrollen zu lassen. So die Schweiz, die sich selbst Außenseiterchancen einräumt. Wie schätzen Sie die Spielstärke der Gegner ein?
Die Schweiz ist mit Sicherheit unser stärkster Gegner. Wir müssen aber jedes Spiel ernst nehmen und mit unserer Favoritenrolle richtig umgehen lernen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen uns auch darauf vorbereiten, eventuell mal in Rückstand zu geraten und dann nicht in Panik zu fallen, sondern weiter Football zu spielen. Ich bin der Meinung, dass wir das stärkste Team in Europa haben und keinen Gedanken an eine Niederlage verschwenden dürfen.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Stärken des Nationalteams?
Ich sehe zwei Stärken des Teams. Unsere größte ist die Erfahrung der gesamten Mannschaft. Die meisten Spieler sind noch jung, spielen aber schon lange Jahre American Football. Wir haben Mid-20er im Team, welche seit 15 Jahren im Geschäft sind. Viele von ihnen haben bereits mit den Junioren Erfahrung bei einer Europameisterschaft gesammelt.

Die zweite Stärke ist, dass wir auf allen Positionen ’skill player‘ haben, also Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten.

Gibt es Schwächen?
Ja, im Mentalbereich. Ich habe bei der Austrian Bowl wieder bemerkt, dass zwischen den Spielern viele Emotionen im Spiel waren oder noch sind. Zu viele für meinen Geschmack, denn die bremsen das Teamzusammengehörigkeitsgefühl. Wir haben aber bereits einen Plan entwickelt, wie wir dem entgegenwirken können.

Welche Unterschiede gibt es zwischen einem Nationalteam und einer Klubmannschaft?
American Football ist die Mannschaftssportart schlechthin. Das Defizit, das man damit automatisch bei einem Nationalteam hat, ist, dass man die Gemeinschaft erst aufbauen muss. Dem ‚Teambuilding‘ widmen wir daher auch viel Zeit. Wir legen sehr viel Wert drauf, dass alle Spieler absolute Teamspieler sind. Wir brauchen keine Individualisten.

Wie sieht der sportliche Fahrplan bisher und bis zur EM aus?
Wir hatten während der Saison ein Camp in Schielleiten und haben dort unsere Offensive installiert, was hervorragend geklappt hat. Wir haben mit Philipp Jobstmann nun auch einen Quarterback auf höchstem europäischem Level. Jetzt geht es darum aus dem 75-Mann-Roster die richtigen 45 für die Europameisterschaft herauszufiltern. Das ist im Groben auch schon passiert. Am Donnerstag vor dem ersten Spiel gegen Serbien gehen wir mit dem endgültigen Kader in eine dreitägige Vorbereitung.

Österreichs Klubs dominieren derzeit Europa – woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ganz klar basieren diese Erfolge auf der hervorragenden Nachwuchsarbeit in Österreich. Spielerisches Lernen kann durch kein Training ersetzt werden. Österreichs Top-Mannschaften bestehen aus Spielern, die im Kindesalter mit Tackle-Football begonnen haben. Das wirkt sich nun aus, dadurch haben wir einen Vorteil gegenüber den anderen Nationen. Das Nationalteam profitiert davon natürlich enorm.

Wie ist die Stimmung im Team und beim Trainerstab 20 Tage vor der Europameisterschaft?
Ich würde sie als freudig gespannt bezeichnen. Sie ist nicht gelöst, da wir schon sehr fokussiert sind. Es gilt, alles richtig zu machen. Wir haben gegen den Europameister Schweden gezeigt, dass wir ganz vorne in Europa mitspielen können und haben seither weiter gut gearbeitet. Bedenklich stimmt mich, dass manche glauben wir hätten es mit ‚Jausengegnern‘ zu tun. Das stimmt nicht. Wenn uns die heurige Football-Saison etwas gelehrt hat, dann dies, dass es keine leichten Gegner mehr gibt.

Der viel zitierte zwölfte Mann ist im Football immer ein Faktor. American Football hat auch bei den Zuschauern in den letzten Jahren einen enormen Zulauf verzeichnet. Wie sehr hofft der Teamchef darauf, viele Fans als "zusätzlichen Spieler" auf der Tribüne hinter seiner Mannschaft zu haben?
Das Nationalteam ist neu und muss sich erst den Namen machen. Einen solchen haben die Top-Klubs in Österreich schon. Wir möchten nun nachziehen und die Fans begeistern. Im Hintergrund leisten die Funktionäre hervorragende Arbeit, damit diese EM eine tolle Veranstaltung wird. Ich hoffe daher, dass viele Anhänger zu den Spielen kommen. Der Grund, warum sie das tun sollten, liegt ja auf der Hand: Es spielen die besten Spieler Österreichs in einem Team, man sieht die Creme de la creme des heimischen Footballs in Aktion. Daher kann ich den Zuschauern auch einige Schmankerln versprechen. Wir werden guten Football zeigen – wie ihn die Fans in Österreich kennen.

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